62. Kapitel

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Ich bin nicht sicher, ob ich absolut abgelenkt bin, oder ob es lediglich daran liegt, dass es ich den inneren Schmerz deutlich weniger stark spüre, als ich es gewohnt bin. Ob er vollkommen weg ist, kann ich nicht sagen, aber mein Körper fühlt sich erstaunlich leicht an. Wir haben uns umgezogen, das Warm-Up war bereits und in wenigen Momenten beginnt das Spiel. Drew wirft mir einen skeptischen Blick zu. Ich nicke und straffe die Schultern. Ich schaffe das. Mein Blick gleitet zu Harry, der neben ihm steht und auf sein Diensthandy schaut. Ich schätze, er hat bereits einige Storys hochgeladen. Er schaut auf, er blickt mich an. Ungewollt lecke ich mir über die Lippen. Sein Blick bleibt sichtbar daran hängen. Ich räuspere mich und sehe weg. Fuck.

„Du benimmst dich wie ein Teenager", meint Zayn plötzlich. „Halt die Klappe." Ich könnte ihm natürlich widersprechen, aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, weiß ich, dass er absolut recht hat. Ich verhalte mich, wie ein hormongesteuerter, verknallter Teenie. „Du siehst alles durch die rosarote Brille. Denk dran, wenn du dich entscheidest, wie du weitermachen willst", merkt Ian an und setzt sich den Helm auf. „Ich habe nicht –" – „Hast du wohl", unterbricht Kenny mich amüsiert. Ich verdrehe die Augen und folge den anderen zum Eingang der Arena. Harry hat sich bereits ans Tor gestellt, er wird den Einlauf der Starting Six filmen. Also auch mich.

Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Verdammt, das ist doch nicht mein erstes Play-Off Spiel! „Viel Glück", höre ich ihn plötzlich sagen. „Äh... ja... danke", stottere ich heraus. Er schmunzelt und richtet die Kamera auf uns. Wir bekommen nichts geschenkt. Das Spiel ist schnell, verdammt gut und leider ziemlich ausgeglichen. Ich setze mich auf die Bank und schnappe mir meine Wasserflasche und trinke einen Schluck. Harry stellt sich hinter mich, ich weiß es, ohne mich umzudrehen. „Das wird keine leichte Partie", bemerkt er. „Mhm... wir schaffen das schon", antworte ich zuversichtlich. „Werdet ihr", erwidert er und ich höre aus seinem Tonfall, dass er lächelt. „Ich habe es vermisst, dich Spielen zu sehen, weißt du? Also in echt." – „In echt?", frage ich verwundert. „Hast du –" – „Ja", unterbricht er mich. „Ich hab fast jedes Spiel gesehen", gibt er zu und ich spanne mich an. Die letzten zwei Jahre dachte ich, er hätte nicht einen Gedanken an mich verschwendet, dabei hat er sich die Spiele angeschaut?

„Uhm..." Was soll ich antworten. „Schon okay", meint er nur. Ich drehe die Wasserflasche in meinen Händen und beobachte das Geschehen auf dem Eis. Er legt eine Hand auf die Kante der Rückenlehne. Ich spüre es an meinem Arm und mein Herz überschlägt sich einmal.

Kurz darauf springe ich wieder über die Bande. Kenny deutet mir, dass ich das Bully übernehmen soll. Ich bringe mich in Position und stehe einem Spieler der anderen Mannschaft gegenüber. „Alles wieder gut im Regenbogenparadies?", fragt er. „Was?" – „Dein Stecher, dieser PR-Manager ist doch wieder da", antwortet er mir schulterzuckend. „Ist doch der Kerl, wegen dem du dich geoutet hast, oder?", fragt er. „Und wenn es so wäre?", entgegne ich kühl. „Dachte, diese Phase ist vorbei." – „Phase?" – „Diese Schwuchtel-Phase", antwortet er. „Du solltest dir 'ne Frau suchen und nicht so einen... den da", abwertend schaut er zu Harry. Ich sehe rot. Mein Blut kocht vor Wut und es ist mir scheißegal, dass wir uns in den Play-Offs befinden. Ich werfe Schläger und Handschuhe aufs Eis. Mit einer Hand greife ich das Trikot des Kerls, mit der anderen bilde ich eine Faust und ziele direkt in sein Gesicht.

Sofort fallen auch seine Handschuhe und ich spüre einen heftigen Schlag. Meine Unterlippe blutet, aber das merke ich kaum. Die Schiedsrichter versammeln sich um uns, lassen uns aber weitermachen. „Du verdammtes Arschloch!", fluche ich und versuche ihm die Beine wegzureißen. Es klappt nicht. Er weicht meinem Schlag aus, trifft selbst aber zielsicher. Verdammt! Ich schlage erneut, treffe aber nicht gut. Plötzlich dreht er uns und zieht mit einem Bein den Boden unter den Füßen weg. Ich lande auf dem Rücken auf dem Eis. Ich kann mich nicht mehr abfangen. Ich habe den Kampf verloren.

Er lässt von mir ab. Ich rapple mich auf und wische mir über den Mund. Metallischer Geschmack hat sich darin ausgebreitet und meine linke Schläfe pocht. Wir bekommen beide eine Strafzeit. Auf der Strafbank kommt sofort O'Donnell zu mir. „Das hätte nicht sein müssen", meint er nur und schaut sich mein Gesicht hat. Er hat Harry beleidigt, und wie das sein musste. Ich schnaube. „Mir geht es gut." – „Mhm, so wie es aussieht schon", antwortet der Arzt mir. „Aber das war ein unnötiger Kampf."

Ich schaue zu Harry. Er sieht mich nicht an. Er unterhält sich mit Drew und filmt immer wieder eine Sequenzen. Ich hätte mich vermutlich nicht provozieren lassen sollen, aber ich konnte nicht mehr klar denken. Nicht, wenn es um Harry geht. Mein Bein zuckt nervös und ich schaue auf die Uhr. Wenn die Strafzeit vorbei ist, sind es nur wenige Sekunden, bis das erste Drittel um ist. In mir wächst der Drang, dieses Spiel zu gewinnen. Es fällt kein Tor mehr, bis ich wieder aufs Eis darf. Ich schnappe mir sofort den Puck und rase auf das Gegnerische Tor zu. Ich schließe. Der Goalie hält den Puck. Fluchend fahre ich zurück zur Box, das Drittel ist vorbei.

„Tomlinson", spricht Drew mich sofort an. „Ja, ich weiß. Unnötiger Kampf", wiederhole ich O'Donnells Worte. „Allerdings. Was war plötzlich los?", will Kenny wissen. Und sieht sich mein Veilchen an. Ich weiche aus. „Egal." – „Ist es nicht", widerspricht unser Enforcer Miller und sieht mich skeptisch an. „Was hat er dir gesagt?" Ich presse die Lippen zusammen, aber offenbar reicht mein Gesichtsausdruck völlig aus. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich instinktiv zu Harry schaue. „Er hat etwas über Harry gesagt, richtig?", versteht Ian. „Ja", antworte ich knapp und schnappe mir einen Proteinriegel. „Über mich?", fragt Harry verwundert. „Ja, über dich."

„Du darfst dich auf so einen Mist nicht anspringen", mahnt Kenny. Ich weiß, danke. „Das bringt dich nur aus dem Konzept, was glaubst du, weswegen der Kerl das gemacht hat? Das ist ihr Enforcer, es war von Anfang an klar, dass du den Kampf verlieren wirst." – „Sorry. Ich habe nicht nachgedacht", presse ich heraus und sehe wieder zu Harry. Er steht an der Seite neben den Bänken der Kabine und tritt unsicher von einem Fuß auf den anderen.

Kurz bevor es weiter geht, fängt er mich im Flur ab. „Du solltest dich meinetwegen nicht prügeln." – „Ich habe nicht nachgedacht." – „Ich mag es nicht, wenn du kämpfst", sagt er etwas leiser und streicht vorsichtig über den blauen Fleck an meiner Schläfe. „Tut es sehr weh?" – „Es geht. Hatte schon Schlimmeres", antworte ich und bemerke, dass er nun auf meine Lippen sieht. Meine Unterlippe ist aufgeplatzt. Sein Daumen liegt noch an meinem Wangenknochen. „Tut mir leid." – „Du musst dich nicht entschuldigen", widerspricht er sofort und zieht seine Hand weg. „Ich werde versuchen, nicht mehr auf diese Provokationen einzugehen", verspreche ich ihm und lächle unschlüssig. Ich will es wirklich versuchen, nur kann ich absolut nicht sagen, ob es klappen wird. Ich habe nur noch rot gesehen.

Die Uhr zeigt, dass wir noch eine Minute haben. Wir sollten zur Box zurück. „Warte noch." – „Was?" – „Eine Sekunde, bitte." Verwundert sehe ich ihn an. „Was ist?" – „Ich... ich werde dir in der nächsten Pause meine zweite Zimmerkarte über deinen Platz auf den Schrank legen", sagt er dann. Er wird was? „Du entscheidest, ob du sie nimmst, oder nicht. Ich habe mir extra zwei geben lassen." Mit diesen Worten schlägt er den Weg zur Box ein. Ich folge ihm. „Du wirst was?" – „Ich möchte dir die Wahl lassen." Er weiß genauso gut, wie ich, dass er mir die Karte auch einfach nachher im Bus geben könnte. Nein, er legt sie über meinen Platz auf das Regal. Mir wird wärmer und ich denke daran, wie ich ihm das erste Mal meinen Schlüssel habe liegenlassen. Jetzt ist es also andersherum.

Ich springe über die Bande, schnappe einem der Gegenspieler den Puck weg und passe ihn zu Kenny. Energie flutet meine Venen und strömt durch meinen Körper. Kurz vor dem Tor, passt Kenny zu Zayn, der den Puck sofort an mich weiterleitet. Er gleitet über die Eisfläche zu mir und gezielt schieße ich ihn in die obere rechte Ecke des Tor. Er landet im Netz. Fuck, ja! Endlich führen wir! Meine Mannschaft klopft mir auf den Helm und Drew nickt mir zufrieden zu.

„Glückwunsch", sagt Harry, als ich mich setze. Ich sehe zu ihm. „Danke." Kurz fällt mein Blick auf seine Lippen und ich frage mich, ob es wohl irgendwann wieder normal sein wird, einen Kuss nach jedem geschossenen Tor von ihm zu bekommen. Ich wende mich wieder dem Spiel zu. Von diesem Status sind wir noch entfernt, ein Ganzes Stück sogar. Noch? Ich schiele wieder zu ihm. „Konzentrier dich", raunt Ian mir zu. „So offensichtlich?", frage ich seufzend. „Allerdings. Teenager." – „Rookie", antworte ich lediglich und sehe zu, wie unser eigentlicher Rookie Jerry tatsächlich noch ein Tor schießt und unsere Führung ausbaut.

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Louis prügelt sich und Harry lässt ihm die Schlüsselkarte liegen. Was haltet ihr davon? 

Love, L

Lightning's HattrickWhere stories live. Discover now