82. Kapitel

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Showtime

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Harry sieht aus, als wäre nichts gewesen. Sobald die Starting-Six, also auch ich, das Eis betreten, steht er in der Box und filmt es für Social Media. Kaum zu glauben, wie schnell er seine Frisur gerichtet hat. Ich grinse und stelle mich hinter Kenny am Bullypunkt auf. Der Puck wird fallen gelassen und sofort schnappt unser Teamcaptain sich die Scheibe. Er passt zu Zayn, ich gleite übers Eis nach vorne und nur wenige Sekunden später liegt der Puck an meinem Schläger. Es geht rasend schnell. Wir sind aufeinander eingespielt, verstehen uns ohne Worte – eher intuitiv und es klappt. Über Bande spiele ich zurück zu Kenny ab. Ich würde nicht sagen, dass ich überrascht bin, aber damit gerechnet habe ich nicht. Unser Captain setzt blitzschnell zu einem Slapshot an. Er steht gerade mal auf der Linie, die das Drittel des Gegenteam von der neutralen Zone trennt.

Tor.

Es sind 35 Sekunden gespielt und es steht 1:0 für uns. „Verdammte Scheiße", höre ich einen der anderen Spieler fluchen. In der Halle ist es ohrenbetäubend laut. Wir fahren zurück zur Box. Coach Drew nickt zufrieden. „Das war ziemlich schnell", bemerkt Harry. „So fängt ein gutes Spiel an", grinst Kenny und nimmt sich seine Wasserflasche. „Hast du es aufgenommen?" Ich drehe mich zu Harry um. „Ja, tatsächlich. Ich wollte nur die ersten Sekunden des Spiels filmen." Er zuckt mit den Schultern. „Auf jeden Fall ist es schon online."

Er legt eine Hand auf die Lehne der Bank und streicht mit den Fingerspitzen über meinen Nacken, als ich mich wieder nach vorne gedreht habe. Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper und mein Herz überschlägt sich einmal selbst. Es ist so wie früher. Harry zeichnet kleine Kreise und Muster über meine Haut, während er die Augen und zwischendurch die Kamera des Handys aufs Spielfeld gerichtet hat. Jedes Mal, wenn ich vom Eis auf die Bank zurück komme, finden seine Fingerspitzen sofort wieder ihren Platz auf meiner Haut. Ich bin nicht einmal sicher, ob er es bewusst macht.

„Schießt du doch ein Tor?", fragt er plötzlich. Ich spüre seinen Atem an meinem Hals und für einen kurzen Moment vergesse ich, wie man denkt. „Was?", frage ich unbeholfen und überfordert. Er lacht leise, bewegt sich aber nicht weg. „Ich würde gerne noch ein Tor-Video für Social Media haben, schießt du eins für mich?" – „Äh..." – „Schatz?", fügt er hinzu und bringt mich damit völlig aus der Fassung. „Ich... äh... versuch's", stottere ich. Harry drückt mir seinen Kuss auf den Hals und richtet sich wieder auf. Fuck, was war das denn? Ich schüttle den Kopf und straffe die Schultern. „Teenager", höre ich da plötzlich Ian sagen. Ich sehe zur Seite. Er sieht mich amüsiert an. „Halt die Klappe, Rookie." – „Du bist dunkelrot im Gesicht", bemerkt nun auch Zayn grinsend. „Haltet beide die Klappe." Harry lacht hinter mir belustigt. Ich seufze und richte meinen Helm. Idioten.

Kurz danach springe ich über die Bande. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Harry sein Diensthandy auf das Spiel richtet. Verdammt, ich will dieses blöde Tor schießen. Ich denke nicht nach, ich mache einfach. Als ich einem der Gegenspieler den Puck abnehme, bemerke ich es erst, als er schon an meinem Schläger liegt. Wir spielen uns nach vorne. Der Angriff kommt so überraschend, dass die Verteidigung der anderen kaum Chancen hat, nachzukommen. Kenny passt mir den Puck zurück und die Scheibe landet im Netz. Ich reiße die Arme hoch und sofort klopfen meinen Teamkollegen mit auf den Helm. „Harry hat dich gut im Griff", meint Zayn schmunzelt, als wir zurück zur Box fahren. „Allerdings", stimmt Coach Drew ihm zu. Wir setzen uns und die nächste Reihe stellt sich auf.

„Danke, Schatz. Das Video ist toll geworden." – „Glaub besser nicht, dass das jedes Mal funktionieren wird", warne ich ihn und drehe mich zu meinem Mann. Er drückt mit einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Das werden wir ja sehen."

Wie immer reicht Assistenzcoach Ethan Schokoriegel rum, als wir in der Pause in der Umkleide sitzen. „So darf es gerne weitergehen, Jungs!", sagt Coach Drew zufrieden. „Wenn das zweite Drittel anbricht..." Immer wieder schiele ich zu Harry. Er arbeitet zwar, aber das hält ihn nicht davon ab, ab und zu zu mir zu sehen. „Teenager", flüstert Ian. „Wie lange wird das so weiter gehen?" – „So lange, bis du dich nicht mehr wie ein verknallter Fünfzehnjähriger benimmst." Sobald alles Wichtige besprochen ist, stehe ich auf und gehe zu Harry. Ich küsse ihn, mir ist egal, dass die ganze Mannschaft hier ist. „Was wird das?", fragt er überrascht. „Du bist mein Mann. Ich küsse dich, wann immer ich will." Ich lege locker einen Arm um seine Hüfte und ziehe ihn zu mir. Ich sehe, dass Ian die Augen verdreht, aber schmunzelt. Als wären er und Ellie anders.

Wenig später sind wir wieder auf dem Weg zum Innenraum der Arena. Gerade möchte ich meiner Mannschaft folgen, als Ethan mich aufhält. „Louis, kommst du mal kurz?" Verwundert drehe ich mich zu ihm um. Er schließt die Tür der Umkleide hinter sich und sieht mich abwartend an. „Was gibt's?" – „Ich wollte dir nur sagen, dass dein Cousin es doch noch geschafft hat, toll oder?" Irritiert sehe ich ihn an. „Was?" – „Weil doch der Flug hierher verspätet war", antwortet er mir. „Jedenfalls soll ich dir ausrichten, dass er den Abend bisher ganz schön aufregend findet." Er haut mir freundschaftlich gegen die Schulter.

Mein ganzer Körper ist angespannt. Mir wird eiskalt und Adrenalin flutet meine Venen. „Was ist los? Geht es dir nicht gut?" Prüfend mustert Ethan mich. „Du bist ziemlich blass, Louis", bemerkt er. Mir ist schwindelig, mir ist schlecht. Ich atme flach und versuche einen klaren Gedanken zu fassen, aber es klappt nicht. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.

„Tomlinson?" – „Ich... fuck...", fluche ich und schüttle den Kopf. Meine Gedanken sind zu schnell und zu wirr. „Wo ist er?" – „In der VIP-Loge, wo sonst?", fragt Ethan verwundert. Meine Beine reagieren, bevor mein Verstand es tut. In der VIP-Loge. Oh Gott, die Kids sind alle dort! Ich renne so schnell es mit Schlittschuhen geht durch die Flure. An das Spiel, das gerade läuft und mein Team, das auf mich wartet, denke ich keine Sekunde. Ebenso wenig beachte ich die Kufen, die ich gerade vollkommen zerstöre. Nur ein Teil des Flures ist mit weichen Matten gefliest, die die Kufen nicht beschädigen. Der Rest ist normaler Boden. Ich laufe die Treppen nach oben, so schnell es geht. Schließlich stoße ich schwer atmend die Tür zur VIP-Loge auf.

„Jason!", rufe ich sofort den Sicherheitsangestellten. Verwundert sieht er zu mir. „Äh, müsstest du nicht unten beim –" – „Wo ist er?!", unterbreche ich den sichtlich verwirrten Kerl sofort. „Wen meinst du?" Ich atme tief durch. „Dieser Typ, der sich als mein Cousin ausgibt." – „Ausgibt? Wieso? Ist Miles nicht dein Cousin?" Fuck, wer soll das sein? Ich schüttle den Kopf. „Wo ist er?!"

„Hier."

Ich drehe mich auf der Stelle um. „Miles also. Mein Cousin." Ich mustere ihn skeptisch. „Ich habe keinen Cousin, wer bist du?", will ich wissen. Ich habe diesen Mann noch nie gesehen. Er ist groß, bestimmt eins neunzig, breit gebaut und muskelbepackt. „Gibt es ein Problem?", fragt auf einmal einer der Mitarbeiter. Er ist etwas kleiner als Miles, aber genauso trainiert. „Kein Problem", antwortet dieser ruhig. „Geh zurück in hinter die Theke", ordnet Jason mit strengem Ton an. Der Blonde bewegt sich kein Stück. „Louis Tomlinson. Sollte er nicht beim Spiel sein?", fragt er Miles, wirkt aber nicht einmal überrascht. „Allerdings." Fuck.

Ich sehe mich um. „Jason", raune ich leise. „Bring die Kids hier raus. Und alle anderen auch." – „Niemand geht irgendwo hin", sagt Miles ruhig, fast schon entspannt. „Die Türen sind zu", sagt der Andere auf einmal. „Es war nie geplant, dass du hier hochkommst, Tomlinson. Selbst schuld." Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Jason zu seinem Funkgerät greifen möchte. „Das lässt du lieber", raunt es plötzlich von hinten. Ich drehe meinen Kopf und meine Augen werden groß. Noch einer von diesen Kerlen. Er steht direkt hinter Jason und drückt ihm eine Knarre gegen den Rücken. Jason erstarrt in der Position. Ihm wird das Funkgerät abgenommen und sein Schlagstock, genau die das Pfefferspray. Eine Waffe trägt er nicht. Als letztes wird im der Taser abgenommen. Verdammte scheiße.

„Wo sind deine Kollegen?", will ich wissen. Wieso sind wir hier ganz allein? "Gerade gab es eine Prügelei auf den Rängen.", antwortet er mir. „Und hier ist normalerweise nichts los, wenn nicht gerade Pause ist." Ich wende mich zu Miles und seinen Komplizen. „Wie viele seid ihr?" – „Was?" – „Die Prügelei ist wohl kaum Zufall, oder?", will ich wissen. „Natürlich nicht", antwortet der Blonde schulterzuckend. Er geht einen Schritt auf mich zu. „Also Tomlinson. Was machen wir jetzt? Die Türen sind verriegelt und du ganz allein -  von dem mittelmäßig gut ausgebildeten Wachmann abgesehen."

Jason sagt keinen Ton. Ich wette, er spürt nach wie vor den Lauf der Waffe an seinem Rücken.

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Well, habt ihr damit gerechnet? Wie denkt ihr, geht es weiter?

Love, L

Lightning's HattrickWhere stories live. Discover now