71. Kapitel

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„Die Kiste ist alles, was es noch gibt?", fragt er mich nach einem Moment. „Schätze schon", antworte ich und zucke mit den Schultern. Er nickt verstehend. Es ist eine kleine Kiste. Eher ein Karton. Unter anderem liegt dort das Rezept für unsere erste Hochzeitstorte aus Paris drin. Ich bin mir ziemlich sicher, er hat es bemerkt. Harry sieht sich um. „Was ist?" – „Es ist seltsam, wieder hier zu sein", antwortet er nachdenklich. „Du warst doch erst vor ein paar Wochen hier", antworte ich irritiert. „Aber da wusstest du es nicht. Jetzt hast du mich reingebeten", erwidert er und sieht zu mir. Ich räuspere mich unbeholfen.

„Können wir los?", ergreift Harry wieder das Wort. Ich nicke schnell. „Ja." Bitte. Er öffnet mir zuerst die Haustür, dann die Beifahrertür. „Wohin fahren wir?", möchte ich wissen, aber Harry antwortet mir nicht. „Sagst du mir nichts?" – „Das wäre zu einfach", antwortet er lediglich und sieht kurz zu mir. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und lehne ihn an die Kopfstütze. Harry sieht konzentriert nach vorne und blickt mich nur immer mal wieder kurz an, wenn wir vor eine roten Ampel stehen.

„Ich kann dir sagen, dass wir nicht Sushi essen werden", fügt er wenig später hinzu. Ich kann nicht anders, als zu lachen. „Besser ist es wohl." Harry schmunzelt und sieht erneut kurz zu mir. „Hast du eigentlich noch Kontakt zu Oliver?" Ich stocke und sehe ihn verwundert an. Ich sollte nicht überrascht darüber sein, dass er es wissen möchte. „Nein, habe ich nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich ihm nicht einmal gesagt, dass ich ihn definitiv nicht weiterhin daten werde." – „Nicht? Das ist ziemlich unfair." – „Hast du gerade Mitleid mit Oliver?", frage ich perplex. Er zuckt mit den Schultern. „Es ist gemein, wortlos abserviert zu werden, das ist alles, was ich sagen möchte." – „Mhm." – „Findest du nicht?" – „Doch. Ich bin ein Arschloch." – „Das finde ich jetzt nicht", widerspricht er sofort.

Ich seufze. „Doch. Ich habe ihm versichert, dass ich definitiv nichts mehr für dich übrig habe und mich von dir Scheiden lasse. Und jetzt gehe ich mit dir essen." – „Oh." Harry spannt sich an und presst die Lippen zusammen. „Ich werde es ihm sagen", versichere ich ihm. „Ich kann dich um so etwas nicht bitten. Wir sind nicht... wir sind... und ich kann dich um so etwas nicht bitten. Dazu habe ich kein Recht", stellt er klar und umfasst das Lenkrad etwas fester. „Das bedeutet aber nicht, dass du keine Meinung dazu haben kannst", erwidere ich.

„Ich versuche nur, nichts Falsches zu sagen." – „Was, denkst du, dass ich sonst aus dem Wagen springe?" Harry schweigt und lenkt in eine Seitenstraße ein. Dann parkt er den Wagen und steigt aus. „Keine Antwort?" – „Was soll ich denn sagen?", fragt er mich über den Wagen hinweg und drückt sich Zeigefinger und Daumen gegen die Nasenwurzel. „Ich hab verdammt große Angst, irgendetwas Falsches zu sagen oder zu machen. Also ja, irgendwie besteht in meinem Kopf durchaus die Möglichkeit, dass du aufstehst und gehst. Und das könnte ich dir nicht einmal verübeln", bricht es aus ihm heraus. Er seufzt und sieht auf das Autodach. „Und auch jetzt frage ich mich, ob ich diese Worte nicht hätte besser formulieren müssen. Vor allem hätte ich aber nicht laut werden dürfen."

Harry atmet einmal tief ein und wieder aus. Ich schaue ihn an, aber er weicht meinem Blick aus und beißt sich auf die Unterlippe. Er ist unruhig, nervös, unzufrieden. Ich weiß nicht, ob man es eine Instinkt nennen könnte, aber ohne weiter darüber nachzudenken gehe ich um das Auto herum zu Harry. Ich schriebe meine Finger zwischen seine und drücke seine Hand leicht. „Wollen wir nicht Essen gehen?"

Perplex sieht mich an. Dann nickt er schnell. „Ja, natürlich. Sorry." Er strafft die Schultern und wir gehen zum Eingang des Restaurants. Ein Kellner begrüßt uns direkt am Eingang. „Guten Abend. Ich habe reserviert", antwortet Harry ihm. „Auf welchen Namen?" Der Kellner sieht auf sein Tablet. „Uhm... Tomlinson." Harry sieht kurz zur mir. Wir werden zu unserem Tisch geführt. „Eine ruhige Ecke und Kerzenschein, so wie gewünscht." – „Das – danke." Wir setzen uns und Harry seufzt. Ich schmunzle. „Er hätte das nicht sagen sollen, oder?" – „Nein, natürlich nicht." Er schlägt die Karte auf, aber ich sehe ihm an, dass er sich nicht gerade überlegt, was er essen oder trinken möchte.

Lightning's HattrickWhere stories live. Discover now