55. Kapitel

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Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte in letzter Zeit so gut geschlafen, wie jetzt. Der Flugzeugsitz ist ungemütlich und ich spüre meinen Hintern nicht mehr, aber ich bin verdammt ausgeruht. Harrys Kopf liegt an meinem gelehnt und er scheint noch zu schlafen. Ich schließe die Augen wieder und versuche einen Moment lang so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Das Flugzeug ist im Landeanflug, in wenigen Minuten ist dieser Augenblick vorbei. Ich drücke mein Knie sanft an Harrys. Er erwidert den Druck und sofort spanne ich mich an. Er schläft doch nicht mehr. Ich räuspere mich und richte mich auf. Seine Jacke liegt immer noch auf meinen Beinen und hält mich warm. Harry streckt sich und ich blicke kurz zu ihm. Seine Armmuskeln spannen sich an und ein Schauer erfasst meinen Körper. Verdammt. Harrys Kopf dreht sich zu mir und er fängt meinen Blick auf. Unbeholfen räuspere ich mich und sehe woanders hin.

„Gut geschlafen?", spricht er mich an. Ich nicke stumm. „Gut." Ich sehe im Augenwinkel, dass er lächelt. Wir landen. Als wir aus dem Flugzeug aussteigen läuft Kenny neben mir. „Ihr redet miteinander?" – „Irgendwie schon. Keine Ahnung. Zayn hat mich vorhin auch gefragt." Kenny nickt verstehend. „Dann muss ich dir ja nicht raten, vorsichtig zu sein." – „Nein, das weiß ich." – „Theoretisch", korrigiert er und ich seufze. „Ja, theoretisch." – „Was möchtest du tun?" – „Keine Ahnung", antworte ich ehrlich. Ich bin maßlos überfordert. „Darf ich ehrlich mit dir sein, Louis?" – „Sicher, Captain", nicke ich und sehe ihn fragend und erwartungsvoll an. Er lächelt schief. „Ich denke, dass die Scheidung vom Tisch ist." Perplex sehe ich ihn an. „Du meinst endgültig?" Er zuckt mit einer Schulter. „Du wolltest die Scheidung unbedingt und es hat nicht funktioniert. Du weißt, ich stehe hinter dir, ich denke nur, dass ein zweiter Anlauf nichts bringen würde. Es würde genauso enden, wie heute Mittag." Nachdenklich laufe ich weiter. Ich will die Scheidung nicht. Sobald ich daran denke, wird mir wieder kotzübel. Ich sehe nach hinten. Ein paar meiner Kollegen trennen mich von Harry. Er schaut auf sein Handy, aber als hätte er es gespürt, sieht er auf. Schnell schaue ich nach vorne. „Genau das meine ich." – „Was?" – „Du siehst aus wie ein Teenager, dein ganzes Gesicht ist dunkelrot und du bist nervös." – „Halt die Klappe." – „Du weißt, dass ich recht habe."

Harry setzt sich im Bus nicht zu mir. Wir fahren zum Hotel und den ganzen Weg bis dorthin frage ich mich, wieso er sich zwei Reihen vor mich gesetzt hat. Stattdessen hat Zayn sich zu mir gesetzt. „Ich weiß nicht, was ich machen soll." – „Ich habe überhaupt nichts gesagt", entgegnet er. „Vorhin war es kurz normal. Als wir draußen standen und er... es war normal." Ich beiße mir auf die Unterlippe und höre immer wieder seine Entschuldigung in meinem Ohr. Er hat sich tatsächlich entschuldigt. Drew verteilt die Schlüssel. „Ian: 205, Liam: 206", teilt er die Schlüssel aus „Harry 211." Ich drängle mich vor Jerry. „Louis?" – „Äh...212, bitte." Es war eine spontane Entscheidung und ich merke sofort, dass Drew mich verwundert ansieht. „Gib mir einfach die Schlüsselkarte, Coach." – „Deine Entscheidung." Ich nehme sie ihm ab und merke erst danach, dass mich die gesammelte Mannschaft inklusiver der anderen Mitarbeiter ansieht. Ich schnappe mir meine Reisetasche und laufe wortlos zum Aufzug. Harry kommt mit. Erst, als die Türen sich schließen, ergreift er das Wort. „Das Zimmer ist neben meinem." – „Ich weiß." – „Wieso hast du das getan?" Berechtigte Frage.

Ich bleibe einen Moment still, ehe ich antworte: „Keine Ahnung." Es ist die Wahrheit. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Der Aufzug fährt nach oben. Schweigen umhüllt uns und ich werde unruhig. Wir laufen den Flur entlang und Harry bleibt vor seinem Zimmer stehen. Gerade, als er die Tür öffnet, schaffe ich es endlich, meine Stimme wiederzufinden. „Wieso hast du dich um Bus weggesetzt?" Er dreht sich zu mir. Lächelt er gerade? Ich glaube schon, zumindest ein wenig. „Wir treffen und gleich unten in der Bar, okay? Fünfzehn Minuten." – „Fünfzehn Minuten", stimme ich zu und eile zu meinem Zimmer. Ich schmeiße meine Tasche aufs Bett und krame meinen Kulturbeute heraus. Meine Haare stehen wild von meinem Kopf ab, als ich im Bad in den Spiegel schaue. Nervosität macht sich in mir breit, als ich versuche, sie zu richten und in eine vernünftige Frisur zu zwingen. Ich putze Zähne, wechsle das Shirt und trage einen Spritzer Parfum auf.

So nervös war ich seit langem nicht mehr. Ich stehe vor dem großen Spiegel im Flur und atme tief ein und wieder aus. So schlimm kann es nicht werden, Tomlinson. Es ist nur Harry. Nur Harry, der es schafft, dass ich ohne Tabletten durchschlafen, der es schafft, dass mein Herz nicht mehr nur die ganze Zeit weh tut und der es schafft, mich völlig durcheinander zu bringen. Ich berühre instinktiv den Ring an meinem Finger. Der Siegelring. Ein Stich durchfährt meine Brust und erinnert mich daran, dass das hier kein Date ist. Ich treffe mich mit dem Mann, der verantwortlich dafür ist, dass ich monatelang Höllenqualen erlitten habe. Mein Lächeln fällt und ich straffe die Schultern.

Vierzehn Minuten, nachdem ich das Zimmer betreten habe, verlasse ich es. Harry ist nicht im Flur zu sehen. Ob er doch nicht kommen wird. Mein Bein zuckt nervös, als ich mich im Aufzug an die Wand lehne. Fuck, beruhig dich, Tommo! Mit weichen Knien trete ich aus dem Aufzug und gehe zur Hotelbar. Für einen kurzen Augenblick vergesse ich zu atmen. Er sitzt auf einem der Barhocker. Er trägt eine Anzughose, die wahrscheinlich sehr gut aussieht, wenn er steht. Vor allem aber trägt der ein pinkes Hemd. Er trägt das pinke Hemd. Herr Gott, er weiß doch ganz genau, dass dieses Hemd nicht einfach nur ein Kleidungsstück ist! Er macht das mit Absicht! Arschloch. Mit langsamen Schritten gehe ich auf ihn zu. Ein Glas Rosé steht vor ihm auf der Theke.

„Hi." Er dreht sich zu mir um. „Du bist gekommen." – „Dachtest du, ich kneife?" – „Ich hätte es nicht ausgeschlossen. Sein Blick gleitet über mich, er versucht gar nicht zu verstecken, dass er mich mustert. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut am ganzen Körper und zwinge mich, mir nicht nervös auf die Lippe zu beißen. „Du hast dich umgezogen." – „Du dich auch." Er nickt und nimmt sich sein Weinglas. „Mein Hemd war zerknittert." Daran liegt es bestimmt. Ich nicke stumm. „Möchtest du etwas trinken?" – „Ich nehme das Gleiche wie du."

Die Fähigkeit, mich zu konzentrieren, hat mich verlassen. Selbst wenn ich mir die Getränkekarte greifen würde, könnte ich mich wahrscheinlich nicht entscheiden. So ist es einfacher. Er deutet dem Barkeeper, ihm bitte noch ein Glas Wein zu bringen und wenig später steht das zweite Glas auf der Theke. Harry nimmt beide und steht auf. Ich folge ihm unaufgefordert. Er führt uns zu seinem Tisch etwas abseits und setzt sich. Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl ihm gegenüber hin und her, bis es mir auffällt und ich mich dazu zwinge, ruhig zu sitzen. Ich bin kein Teenager mehr! Und das hier ist kein Date! Verdammt, ich sollte mich nicht so dämlich aufführen! Ob Harry es bemerkt, kann ich nicht sagen. Er kommentiert es nicht und sein Blick verrät es nicht. Ich trinke einen großen Schluck Wein. Viel besser als der Rosé aus dem Sushi-Restaurant.

„Sushi-Restaurant?" – „Was?" Irritiert sehe ich ihn an. „Oh scheiße, habe ich das laut gesagt." – „Scheint so", schmunzelt er. „Das äh..." – „Das Date mit Oliver, richtig?" – „Mhm. Es gab lieblichen Rosé, ich wusste nicht mehr... äh..." Erwartungsvoll sieht er mich an. Ich seufze. „Ich wusste nur, dass ich Rosé mag, aber ich hatte keine Ahnung mehr, welchen du immer gekauft hast." – „Halbtrockenen oder Trockenen." – „Der liebliche Wein war eklig", gebe ich zu und lächle schief. „Wie gut, dass ich heute ausgesucht habe", entgegnet er angespannt. „Das mit Oliver ist vorbei", antworte ich unüberlegt. Was sollte das denn jetzt?

„Ich habe nicht gefragt", entgegnet er. Er dreht das Glas in seinen Fingern. „Ich weiß, aber ich dachte du solltest das wissen." – „Okay." – „Ich muss es ihm noch sagen", spreche ich weiter. „Also ist ihm das noch gar nicht klar?", fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen. „Nein, doch. Also ich meine, wenn ein Kerl halb nackt aus meinem Bett flüchtet, würde ich zumindest davon ausgehen, dass das nichts wird." – „Du warst halbnackt in seinem Bett?", fragt er und mir wird augenblicklich kalt. „Äh... kann sein." Harry nickt verstehend und trinkt noch einen Schluck Wein. „Okay."

„Es –" – „Ich habe kein Recht dazu, darüber zu urteilen", unterbricht er mich „Das klagt vor ein paar Tagen aber noch ganz anders", entgegne ich verwundert. „Ja, aber wir sind nicht zusammen. Wir sind nur verheiratet." Ich schweige. Er hat recht und das wissen wir beide. „Ich habe nicht mit ihm geschlafen. Ging nicht." Es verlangt mir viel ab, so ehrlich zu sein und ich glaube, dass weiß er. Sein Blick ist interessiert, aber nicht drängend. Auffordernd, aber nicht zwingend. „Und jetzt, nachdem du dich entschuldigt hast – keine Ahnung. Ich weiß aber, dass ich nicht bereit dazu bin, eine neue Beziehung einzugehen." Harry schließt einen Moment die Augen. „Was ist?" Er sieht mich an, er sieht mir direkt in die Augen und blickt mir ohne Umwege in die Seele. 

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Was haltet ihr bisher von dem Gespräch? Und wozu wird es wohl führen? 

Love, L

Lightning's HattrickNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ