75. Kapitel

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Ich ziehe die Decke ein Stück höher und versuche zu ignorieren, dass ich meinen Wecker schon zweimal in die Schlummern-Funktion geschickt habe. „Ich wusste es." – „Halt die Klappe", murmle ich nur. „Ihr solltet aufstehen." – „Geh weg, Neo", beschwere ich mich wieder und kuschle mich enger an Harry. Er ist wach, das weiß ich, ohne die Augen zu öffnen. Er schiebt seine Finger zwingen meine und führt meine Hand dann zu seinem Mund. Er küsst meinen Handrücken. „Guten Morgen", sagt er leise und dreht sich. Es hat sich nicht geändert, dass er lieber der kleine Löffel ist. Jetzt liegt er auf dem Rücken und zieht mich so zu sich, dass ich meinen Kopf instinktiv auf seiner Brust ablege und ein Bein zwischen seine schiebe.

„Ich mache Tee", meint Neo nur und verschwindet aus dem Türrahmen. Mich kümmert es kaum und Harry scheint es auch nicht weiter zu beachten.

„Gut geschlafen?", fragt er mich und streicht durch meine wirren Haare. „Ja, du?" – „Was denkst du denn?", antwortet er und schmunzelt. Ich sehe zu ihm hoch und lächle glücklich. „Wie gut, dass ich dich nicht doch in ein Gästezimmer verbannt habe." – „Wolltest du das?" – „Habe ich das laut gesagt?", frage ich irritiert. „Hast du", grinst er und spielt meiner mit meinen Haaren. „Oh." – „Ich bin auch sehr froh, dass ich hier bei dir schlafen durfte", erwidert er und seine Fingerspitzen tanzen über meinen nackten Rücken. Mit ist schön warm, aber dennoch erfasst ein Schauer meinen Körper und ich bekomme eine Gänsehaut. Ich schließe die Augen noch einmal und seufze leise, genießend. Es ist wunderbar ihn wieder so nah bei mir zu spüren.

„Es ist wie gestern, oder?", fragt er plötzlich und ich höre, wie unsicher er dabei ist, diese Frage zu stellen. „Ob ich es bereue?" – „So wollte ich es nicht formulieren", weicht er aus. Ich öffne die Augen wieder und nehme seine Hand in meine. Ich drücke einen Kuss auf seine Finger und damit auch auf seinen Ehering. Er zieht mich eng zu sich, das beantwortet seine Frage anscheinend. Ich lache glücklich und liege nun komplett zwischen seinen Beinen.

„Wir müssen aufstehen", murmelt er, macht aber gleichzeitig keinerlei Anschein, aus dem Bett steigen zu wollen. „Mhm." – „Und ich würde gerne Duschen... uhm... wenn das okay ist." – „Natürlich darfst du hier duschen", antworte ich sofort und für einen kurzen Moment überlege ich, einfach mit ihm unter das heiße Wasser zu steigen. Nein, das ist zu viel. Mein Blick fällt auf seine Lippen und mein Herz flattert glücklich. „Küss mich endlich", fordert er schon fast ungeduldig. Fuck it. Es ist der erste Guten-Morgen-Kuss, den ich seit Jahren bekomme und es fühlt sich genau wie früher an. Harry legt seine Arme um mich und öffnet seinen Mund, als ich sanft über seine Unterlippe lecke. Ich höre, dass er leise seufzt und spüre, wie er mich enger zu sich heranzieht. Der Kuss ist liebevoll und ruhig, aber dennoch reagiert mein Körper sofort auf ihn. Wir tragen nichts weiter als unsere Shorts, unsere Oberkörper berühren sich, unsere Beine berühren sich. Ich streiche über seine Haut, durch seine Haare. Sanft beißt er in meine Unterlippe. Mein Herz schlägt schneller. Er grinst zufrieden und verführt mich erneut.

Ich verfalle ihm augenblicklich, dieser Moment ist so verdammt perfekt. Seine Lippen sich so weich wie damals, er schmeckt genau wie früher, er ist immer noch er. Es ist, als müsste ich all die Küsse, die wir verpasst haben, aufholen. Er zieht die Beine ran und ich spüre seine Waden an meinem Oberschenkel. Gleichzeitig drückt er sich mir entgegen und ich keuche auf. „Verdammt", murmelt er und schließt einen Moment die Augen. Ich stütze mich auf einen Unterarm. Mit der freien Hand streiche ihm seine Locken aus der Stirn. „Ist doch gut zu wissen, dass dein Körper so auf mich reagiert." – „Du bist genauso hart wie ich", antwortet er trocken, hört dabei aber nicht auf, seine Fingerspitzen über meinen Rücken tanzen zu lassen. „Fuck, natürlich bin ich das!", antworte ich unüberlegt. Zu viel? Nein, er schmunzelt.

Dann stielt er sich einen weiteren, weitaus weniger hitzigen Kuss. „Möchtest du zuerst duschen gehen?", biete ich ihm anschließend an. „Dann gehe ich runter und helfe Neo beim Frühstück." – „Sicher", stimmt er zu. Ich muss ihn noch einmal küssen. Harry grinst zufrieden. Dann klettere ich aber doch aus dem Bett.

„Er hat also hier übernachtet", bemerkt Neo und reicht mir eine Tasse Tee. „Wir hatten keinen Sex." – „Ich habe nicht gefragt", antwortet er und lehnt sich an die Arbeitsplatte. „Harry ist duschen", meine ich nur und hole eine weitere Tasse heraus. Ich setze Kaffee auf und fange an, ein kleines Frühstück anzurichten.

Neo beobachtet mich stumm. „Sag schon", fordere ich schließlich genervt. „Trägt er seine Ringe wieder?" Sofort sehe ich auf meine Hand. Mein Ehering ist wieder dort, wo er hingehört. „Ich liebe ihn, Neo. Er ist die Liebe meines Lebens", sage ich anschließend. „Vielleicht verstehst du das nicht, aber... es ist so." – „Du vertraust ihm wieder?", schlussfolgert er. „Ja, keine Ahnung." Ich zucke mit den Schultern. „Er ist wieder da und er wird nicht wieder gehen und – ich will nur ihn, verstehst du? Er ist der Einzige für mich und jetzt haben wir eine zweite Chance." Ich spreche einfach weiter, ohne auf meine Gedanken zu achten. „Was ist, wenn es endgültig ist, wenn wir es jetzt nicht richtig machen? Fuck, er ist wieder hier und Teil meines Lebens und er will bleiben." – „Mhm." – „Ich weiß, dass ihr euch nicht leiden könnt, aber du bist mein bester Freund und er wird gerade wieder mein Ehemann – also er ist es, aber du weißt, was ich meine." Neo nickt und deutet mir weiterzusprechen. „Es wird schon schwierig genug sein, dem Team klarzumachen, dass sie Harry vernünftig behandeln sollen."

„Kannst du es ihnen verdenken?" Ich schüttle den Kopf. „Nein, natürlich nicht." Ich seufze. „Aber ich werde mich nicht zwischen meinem Team und Harry entscheiden." – „Das erwartet auch niemand", wirft Neo schnell ein. Dann nimmt er plötzlich die Tasse unter der Kaffeemaschine weg. Er geht an mir vorbei und reicht sie Harry, der mit nassen Haaren hinter der Kücheninsel steht. „Danke." – „Wir werden miteinander auskommen müssen", erwidert Neo und zuckt mit den Schultern. Harry nickt. „Louis hat erzählt, dass du hier wohnst." – „Zeitweise", korrigiert Neo ihn sofort. Ich beobachte die Szene, die sich mir bietet, stumm.

„Danke, dass du für meinen Mann da warst", sagt Harry plötzlich und überrascht sieht Neo ihn an. Dann verschränkt er die Arme vor der Brust. „Das hätte deine Aufgabe sein müssen." Harry presst die Lippen zusammen. „Ich weiß." – „Ich habe keine Ahnung, was damals passiert ist, Louis hat mir nichts erzählt", fängt Neo an. „Aber sei sicher, dass es nicht gut für dich ausgeht, wenn du so eine Scheiße noch einmal abziehen solltest. Da spreche ich nicht einmal unbedingt von mir –" – „Das Team", unterbricht Harry ihn angespannt. „Richtig." –„Ich weiß."

„Können wir bitte frühstücken?", unterbreche ich die beiden und deute auf den gedeckten Tisch. Das kann sich doch niemand länger anschauen. Bevor Harry sich setzt, küsst er mich sanft. „Danke für den Kaffee." Jedem hier ist klar, dass Neo ihn wohl kaum gemacht hat.

„Ziehst du wieder hier ein?", fragt mein bester Freund plötzlich. Ich verschlucke mich fast an meinem Tee. „Was?" – „Es ist jetzt nicht so, als wäre das extrem unrealistisch", antwortet Neo schulterzuckend. „Uhm..." Harry zögert und sieht fragend zu mir. „Was? Soll ich das alleine entscheiden?", frage ich sofort unbedacht. „Wir haben gestern nur kurz darüber gesprochen", wendet sich Harry wieder Neo zu. „Ich denke, es ist sinnvoll, wenn ich bin Ende der Saison noch in dem Hotel bleibe, dass TAA mir bezahlt. Danach schauen wir weiter." Das klingt nach einem Plan, oder? Neo wirft mir einen prüfenden Blick zu. Ich zucke mit einer Schulter.

„Fahren wir gleich zusammen? Oder getrennt? Möchtest du es dem Team schon sagen?", will Harry wissen, als wir den Tisch abräumen. Neo hat sich ins Bad in der zweiten Etage verzogen. „Zumindest nehme ich meinen Ring nicht ab", beschließe ich und trete an ihn heran. „Sie werden es wahrscheinlich innerhalb von zwei Minuten bemerken und dann ist sowieso klar, was Stand der Dinge ist; vor allem, weil du deine Ringe auch trägst." Harry lächelt und sieht auf unsere Finger. Sie sind miteinander verschränkt. „Wir machen es, wie du es möchtest, Schatz." Wieder eskaliert mein Herz sofort, als er mich Schatz nennt und vergisst, wozu es da ist. Ich küsse ihn. Am liebsten würde ich den ganzen Tag nichts anderes mehr tun. Er schmeckt nach Kaffee und nach ihm selbst. Unsere Zungen tanzen und wie von selbst legen sich unsere Arme um den Körper des anderen.

„Wir fahren zusammen", beschließe ich, als ich wieder nach unten ins Wohnzimmer komme. Während ich im Bad war und mich angezogen habe, haben sich Neo und Harry unterhalten – irgendwie zumindest. Skeptisch sehe ich die beiden an. „Dann lass uns los", lächelt Harry, steht vom Sofa auf und bietet mir seine Hand. Ich schiebe meine Finger zwischen seine. Er drückt meine Hand leicht. Ich schnappe mir meine Sachen und drücke ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen, ehe ich die Haustür öffne. 

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Neo und Harry arrangieren sich also irgendwie. Was haltet ihr davon?  Und wie wird das Team reagieren?

Love, L

Lightning's HattrickWhere stories live. Discover now