61. Kapitel

2.6K 374 84
                                    

„Sag schon, was war heute Nacht?", will Ian neugierig wissen, als wir in den Bus zum Spiel fahren. „Lass es gut sein, Rookie." – „Tommo." – „Ian, bitte", wiederhole ich und er seufzt genervt. Mein Teamkollege steigt vot mir in den Bus. Ich sehe mich um. Harry steht noch an der Seite und telefoniert, bestimmt mit Lucas. „Gehst du weiter?", fragt Liam, der hinter mir steht. Ich trete zur Seite und lasse ihn vorbei. „Du solltest es lassen", sagt der Goalie noch. „Was?" – „Das mit Harry. Es ist schon einmal in einer Katastrophe geendet", warnt er mich. Meine Brust fühlt sich an, als wäre sie in dicken Seilen eingeschnürt. Ich nicke stumm.

„Ich muss Liam ausnahmsweise mal recht geben", merkt Zayn an, der nun auch in den Bus steigt. „Du hast mir schon an das Risiko erinnert", entgegne ich trocken. „Ich weiß, aber... denkt einfach dran, dass wieder nicht klar ist, ob er nach der Saison bleiben wird, zumindest nicht zu 100%." Er hat recht, das wissen wir beide. „Mhm... okay." Ich sehe zu Harry. Er telefoniert immer noch, aber jetzt richtet er seinen Blick nur einen kurzen Moment später in meine Richtung. Es ist, als hätte er gespürt, dass ich ihn anschaue. Er lächelt kurz und mein Herz macht einen Sprung. Verdammtes, verräterisches Organ.

Er legt auf, steckt das Handy weg und kommt direkt auf mich zu. „Du stehst noch hier draußen." – „Äh... ja." – „Nervös?" – „Was?", frage ich perplex. „Wegen des Spiels, es ist immerhin ein Play-Off-Spiel", antwortet er. „Äh... geht so. Wie immer", antworte ich stotternd. Scheiße, Tomlinson! Reiß dich zusammen! Harry mustert mich einen Moment. „Äh... ist was?" – „Nein." Er schüttelt den Kopf. „Es ist nur, dass ich gerade bemerkt habe, dass du sehr hübsch aussiehst." Was? „Du musst nicht antworten", schiebt er ein. Offenbar war mein Gesichtsausdruck sehr eindeutig.

„Hast du mit Lucas gesprochen?", lenke ich das Thema schnell um. „Ja. Ich habe ihm gesagt, dass das Statement erst einmal auf Eis liegt, bist du etwas anderes sagst." – „Danke." – „Das ist mein Job." Ich nicke stumm. „Wir sollten in den Bus einsteigen", meint er plötzlich. Ach ja. Er geht vor und setzt sich. Neben ihm ist ein Platz frei, neben Jerry auch. Ich wähle Harry und versuche mir nicht anmerke zu lassen, dass ich absolut keine Ahnung habe, was ich als Nächstes tun soll. Zumindest, bis mein Handy piept.

Stella: Schau mal, da hast sich ein neuer Vogel eingenistet.

Stella: Foto.

„Stella?", fragt Harry verwundert, fügt dann aber sofort hinzu: „Sorry, ich sollte nicht einfach deine Nachrichten lesen. „Schon gut", winke ich ab. „Stella ist fünfzehn und kümmert sich um meinen Garten, wenn Neo und ich beide nicht zuhause sind", erkläre ich ihm. „Hier." Ich lasse ihn mit auf den Bildschirm schauen. „Das ist eins der Vogelhäuschen, offenbar baut dort gerade ein neuer Bewohner ein Nest." – „Das... uhm..." – „Es ist eins der Häuschen, die wir zusammen gekauft haben", beantworte ich die Frage, die er auf der Stirn geschrieben hatte. Kurzerhand antworte ich Stella.

Me: Wie schön! Weißt du was für ein Vogel es ist?

Stella: Nein, leider noch nicht.

Me: Kannst du mir ein Foto des Olivenbaums schicken.

Stella: Sicher.

Stella: Foto.

Me: Danke

Harry beißt sich auf die Unterlippe, als ich ihm das Bild zeige. „Ich weiß, du hast ihn vor ein paar Wochen schon gesehen, aber –" – „Er ist gewachsen... und so gut gepflegt", bemerkt er mit leiser Stimme. Er nimmt mir das Handy vorsichtig aus der Hand und zoomt heran. Er sieht sich den Baum ganz genau an. Auf einmal hält er inne. Er drückt mir mein Handy wieder in die Hand und sieht aus dem Fenster. Verwundert blicke ich ihn an. Schnell wischt er sich über eine Wange. „Es – Sorry. Ich sollte nicht wegen eines Baumes anfangen zu heulen", lacht er und wischt sich wieder über die Wangen.

„Es ist nicht nur ein Baum, das wissen wir beide." – „Mhm... es war nicht fair von mir, ihn wiederhaben zu wollen. Wahrscheinlich kann man ihn gar nicht mehr ausgraben. Die Wurzeln haben sich in der Erde bestimmt festgesetzt." – „Es hätte irgendwie funktioniert", entgegne ich. „Willst du ihn mir jetzt doch geben?", fragt Harry spaßend. „Vergiss es!", antworte ich sofort und er schmunzelt. Es erreicht seine Augen nicht. Ich hätte dieses Thema nicht beginnen sollen, das war nicht fair. Harry strafft seine Schultern und eine seltsame Stimmung macht sich zwischen uns breit. Fuck. Kurzerhand drücke ich mein Knie leicht an seins. Er zuckt nicht weg, im Gegenteil.

„Kann ich dich etwas fragen." – „Sicher", antwortet er sofort. „Wann wird klar sein, wo du nächste Saison bist?" – „Du meinst, ob ich hierbleibe." – „Mhm. Ja." Er sieht mich fragend an. „Es... ich möchte wissen, ob du bleibst, oder ob ich damit rechnen musst, dass du aus Tampa wieder wegziehst", erkläre ich knapp. Er zögert. „Was würde passieren, wenn ich wegziehe." Ich zucke mit den Schultern und merke kaum, wie ich die Berührung unserer Knie auflöse. „Verstehe", sagt er leise. „Es ist nicht..." Ich seufze. Wieso finde ich in seiner Gegenwart die richtigen Worte nicht mehr? Es kommt mir vor, als hätte man sie mir weggenommen. „Das ganze hier ist nicht leicht für mich, das weißt du. Ich will nur nicht –" – „Dass ich Tampa wieder verlasse?" – „Dass ich den gleichen Fehler erneut mache."

Harry blinzelt ein paar Mal und atmet zitternd ein und wieder aus. „Du denkst unsere Beziehung – unsere Ehe ist ein Fehler?" – „Nein, so meinte ich das nicht", rudere ich schnell zurück. Oder doch? „Was passiert wenn wir weitermachen und du dann wieder gehst? Ich will das nicht noch einmal durchmachen müssen." – „Ich bleibe", antwortet er sofort. „Und wenn ich als Barista in einem Starbucks arbeiten muss, ich werde in Tampa bleiben", entscheidet er. „Ich folge dir überall hin."

„Was?" – „Falls du das Team wechselst, nach New York oder Boston oder sonst wohin ziehst, ich werde dir folgen." – „Du verarscht mich doch nicht, oder?" Harry lächelt sanft und schiebt vorsichtig und langsam seine Finger zwischen meine. Wie kann es sein, dass mich das schon so verrückt macht? „Du hast es mir vor zwei Jahren angeboten, weißt du noch? Du warst fest davon überzeugt, du folgst mir überall hin, falls du nicht mehr bei Lightning spielen solltest. Jetzt verspreche ich dir, dass ich dir folge, wenn ich nicht hierbleiben kann. Dann kündige ich eben bei TAA."

„Du würdest ernsthaft bei TAA kündigen und als Barista oder so arbeiten?" Er nickt, ohne zu zögern. „Ja. Wenn es das braucht, damit ich bei dir sein kann, auf jeden Fall. Auch, wenn es wahrscheinlich klingt, als wären wir in einem kitschigen Liebesfilm." Ich schmunzle. „Das tut es allerdings." – „Das ist gut." – „Was? Wieso?", frage ich verwundert. Er grinst verschmitzt und zuckt mit den Schultern, ehe er sagt: „Solche Liebesfilme gehen immer gut aus." – „Oder die Protagonisten sterben", erinnere ich ihn. Er verdreht die Augen. „Danke, Louis." – „Du hast mit den Filmen angefangen." – „Du weißt, was ich sagen wollte", entgegnet er mit trockenem Tonfall. Oh ja, das weiß ich allerdings.

„Ich hoffe das wirklich, Louis." Ich atme tief ein und wieder aus. Meine Gedanken sind wirr, viel zu schnell und völlig durcheinander. Es wird nicht besser, als Harry mit seinem Daumen über meinen Handrücken streicht. Im Gegenteil. „Ich weiß, dass wir es langsam angehen müssen und das ist völlig okay für mich." – „Aber?" – „Was?" – „Das klingt, als würde ein Aber folgen", erwidere ich skeptisch. Er seufzt. „Aber jedes Mal, wenn ich dich sehe, möchte ich dich endlich wieder küssen." Herr Gott!

Ich entziehe ihm meine Hand. Er versucht seinen enttäuschten und traurigen Gesichtsausdruck zu verbergen, aber es klappt nicht. Ich sehe es doch. „Du willst mich küssen." – „Ja." Ich schüttle den Kopf. Das, nicht jetzt. „Ich werde warten, bist du es auch möchtest, Louis. Ich küsse dich erst, wenn du mich darum bittest." Ich beiße mir auf die Unterlippe. „Ich werde dich erst küssen, wenn du es mir erklärt hast", lege ich fest. War das dumm? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Ich will es endlich wissen und ich bin mir sicher, dass ich keine Ruhe finden werde, bis er mir alles erzählt hat. „Erst, wenn du alles weißt", sagt er leise. „Genau. Nicht vorher, das geht nicht."

„Es... okay. Das akzeptiere ich", stimmt er zu. „Glaub mir, sobald ich es kann, werde ich dir alles erzählen", verspricht er mir und aus welchem Grund auch immer, glaube ich ihm jedes Wort.

-- -- -- -- --

Was haltet ihr von der Unterhaltung? 

Love, L

Lightning's HattrickWhere stories live. Discover now