50. Kapitel

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Ich klopfe an die Tür und trete dann ein. Harry sitzt bereits am Tisch. Neben ihm sitzt sein Anwalt. Ein Mann, vielleicht Mitte vierzig. Gegenüber hat meine Anwältin Platz genommen. „Kommen Sie rein, Mr Tomlinson. Setzen Sie sich", bittet sie mich und deutet auf den Stuhl neben sich. „Hallo Ms Moore." Ich schüttle ihre Hand. „Guten Tag, Mr West." – „Hallo Mr Tomlinson." Ich setze mich und räuspere mich. Mein Herz klopft mir bis zum Hals, mir ist eiskalt und mein Bein zuckt nervös. Harrys Hände liegen locker auf dem Tisch. Er trägt nach wie vor die beiden Ringe. Einen Verlobungs- und einen Ehering.

„Gut, da jetzt alle da sind, fangen wir an", ergreift Ms Moore das Wort. „Mr Styles, Sie haben um dieses Treffen gebeten", sagt sie dann und sieht ihn erwartungsvoll an. „Mein Mandant hat einige anliegen, die vor Unterzeichnung der Papiere geklärt werden müssen", antwortet Mr West für ihn. Harry nickt stumm. „Und diese Anliegen wären?" – „Mr Tomlinson ist wichtig, dass geklärt ist, was passieren wird, falls er nächste Saison weiterhin für Tampa Bay Lightning arbeiten wird." – „Was?!", frage ich laut und sehe Harry entgeistert an. „Du bleibst? Ist das dein Ernst?!" – „Bleiben Sie bitte ruhig", höre ich meine Anwältin leise zu mir sagen. Ich lehne mich zurück und verschränke die Arme vor der Brust.

Harry spannt sich an, räuspert sich und sagt dann: „Das steht noch nicht fest. Ich weiß nicht, ob ich hier bleiben werde." – „Was soll das dann?", will ich wissen und Ms Moore deutet mir, nichts mehr zu sagen. Ich muss mich zusammenreißen, um dieser stummen Anweisung nachzukommen. „Mr Tomlinson möchte es nur geklärt haben, für den Fall, dass es so sein wird", antwortet Mr West. Ms Moore nickt verstehend. „Falls dies eintreten sollte, wird es eine rein berufliche und professionelle Beziehung sein." So wie jetzt, oder was? „Aber wie Sie sicher verstehen, wäre es für alle beteiligten das Beste, wenn Sie keine Kollegen bleiben würden und vollends getrennte Wege gehen", fügt Ms Moore hinzu.

Vollends getrennte Wege. Sehr endgültig. Ein Schauer erfasst meinen Körper und mir drückt der Magen. Ich verziehe keine Miene, sondern sehe zwischen Harry und Mr West hin und her.

„Außerdem gibt es materielle Dinge, über die gesprochen werden muss." – „Materielle Dinge? Wie was? Ein Auto?" – „Das wäre ein Beispiel, trifft hier aber nicht zu", entgegnet Mr West und blättert in seinem Ordner. „Konkret geht es um Fotos." – „Was? Fotos?" Ich sehe ihn amüsiert an. „Davon kann man auch einfach eine Kopie machen." Mr West schüttelt den Kopf. Harry presst die Lippen zusammen und schaut auf den Tisch zwischen uns. Er dreht an seinen Ringen und ich verspüre den Drang, meinen eigenen Ring zu berühren. Ich trage meinen Ring nicht mehr! „Es geht um eine Sammlung von Polaroidbildern." – „Du willst die Polaroids?", frage ich überrascht. Er nickt. „Ja, ich hätte sie gerne. Oder möchtest du sie behalten?" Ich zucke mit den Schultern. „Habe ich nicht drüber nachgedacht." – „Deswegen hätte ich sie gerne."

„Was sagen Sie dazu?", fragt Ms Moore mich. „Ich... ähm..." Es sind nicht einfach irgendwelche Polaroids, das weiß ich genauso gut wie Harry. „Sicher, du kannst die Bilder haben", sage ich schließlich und mein Brustkorb zieht sich schmerzhaft zusammen. Die Bilder lagern gut behütet in einer Kiste im Keller. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, sie wegzuschmeißen, es ging einfach nicht. Jetzt will er sie haben. Soll er doch. Zwinge ich mich, das zu denken? Nein, bestimmt nicht. Ich habe die Bilder Ewigkeiten nicht mehr angeschaut. Ich weiß ganz genau, wie jedes einzelne aussieht. Ich kenne jedes einzelne Detail. „Gut, noch etwas?", frage ich schnell. Dieses Gespräch zu führen, ist anstrengender, als ich dachte. Ich will nicht, dass es länger ist, als es muss.

„Außerdem hat Mr Tomlinson wohl vor einigen Wochen einen Hoodie bei Ihnen im Haus liegen lassen." – „Der Lightning-Hoodie?", frage ich verwundert. Harry nickt. „Sicher, ist eh deiner." – „Ich war nicht sicher, ob du ihn weggeschmissen hast." - „Nein, er ist im Wäschekeller." Ich habe ihn dorthin verbannt, damit ich nicht der Versuchung widerstehe, ihn erneut anzuziehen und meine Nase in den Stoff zu drücken. Er riecht nicht mehr sehr stark nach Harry, aber der Geruch ist immer noch da. Nein, ich habe ihn dorthin nicht verbannt, Neo war es. Er hat ihn mir weggenommen und weggebracht. Ich habe ihn für einen kurzen Augenblick gehasst, mittlerweile weiß ich aber, dass er richtig gehandelt hat. Es hätte mir nur wehgetan.

„Gut, weiter", fordert Ms Moore. „Mr Tomlinson hätte gerne seine Möbel wieder, die er beim Einzug in das gemeinsame Haus mitgebracht hat." – „Welche sind es genau." – „Sein Schreibtisch", erwidert Mr West. Ich ziehe eine Augenbrauche hoch. „Wieso willst du diesen Schreibtisch?" Harry zögert, bevor er antwortet: „Es war eins der wenigen Dinge, die wirklich mir gehört haben, als ich nach Tampa gezogen bin." Ich schlucke. Fuck, das wusste ich nicht. Harry zieht mich bittend an. Ich schweige. Es ist still am Tisch und eine unangenehme Stimmung macht sich augenblicklich breit. Also noch unangenehmer, als es sowieso schon ist.

„Der Tisch – äh..." – „Du hast ihn nicht mehr, oder?", fragt Harry leise. Er ist enttäuscht und traurig. Um das zu erkennen, braucht man ihn nicht einmal anzusehen. Seine Stimme verrät ihn deutlich. Er blinzelt ein paar mal. „Hast du meine Sachen weggeschmissen?" – „Viel davon", gebe ich zu. „Ich habe es irgendwann alles weggegeben, gespendet." – „Gespendet?", fragt Mr West überrascht. Ich nicke. „Der Schreibtisch war nicht kaputt, deswegen habe ich ihn gespendet. Auch die Kleidung, die noch bei mir war." Es war nicht viel, eigentlich nur die Sachen, die noch in der Wäsche waren. Ich habe sie weggegeben. Ich konnte sie nicht mehr bei mir haben. Harry räuspert sich „Okay."

„Wie steht es um Mr Tomlinson Sportgeräte?", möchte Mr West von mir wissen. Ich schüttle den Kopf. „Alles weg." Auch seine Yoga-Sachen habe ich rausgeschmissen. Harrys Fassade bröckelt. Für ihn ist dieses Gespräch genauso anstrengend wie für mich. Es zerrt an meinen Nerven. Ms Moore ergreift das Wort. „Mr Tomlinson, Mr West, wie steht es um das Thema Unterhalt? Es liegt kein Ehevertrag vor." – „Korrekt." Mr West blättert in dem Ordner. „Willst du jetzt Geld von mir?", frage ich Harry perplex und entgeistert. „Du hast mir gesagt, dass das nicht in Frage kommt! Du hast mir zugesichert, dass es kein Thema sein wird!", rege ich mich auf. „Ich werde keinen Cent zahlen!" – „Mr Tomlinson, bitte!", schreitet meine Anwältin ein. „Lassen Sie mich sprechen." – „Sorry." Ich sehe Harry an. Ich kann nicht sagen, was er gerade denkt, ich erkenne es nicht.

„Theoretisch könnten wir durchaus über das Thema Unterhalt sprechen", sagt Mr West. Ich schnaube und Harry sieht wieder auf den Tisch. „Aber Mr Tomlinson wird kein Unterhalt fordern." Das wäre ja auch zu schön gewesen! „Bitte sehr, hier haben Sie es schriftlich." Er schiebt Ms Moore ein Blatt Papier über den Tisch zu. Harry hat darauf unterschrieben. Harry Tomlinson. Ich richte meinen Blick ab. Ms Moore lässt ihren Blick über das Dokument schweifen, nickt und legt es in ihren Order.

„Gibt es etwas ihrerseits, Mr Tomlinson?", fragt Mr West mich. Kurz denke ich darüber nach. Es ist banal, aber dennoch spreche ich es aus. „Ja. Ich möchte nicht, dass Harry mein Sportzentrum betritt. Ich weiß, dass er hier arbeitet und deswegen werde ich ihn bei der Arbeit sehen, aber das Sportzentrum wird davon ausgeschlossen sein. Auch beruflich, das wird Lucas dann übernehmen." Mr West sieht zu Harry. „Das... das wird gehen", stottert dieser und atmet tief ein und wieder aus. „Ich werde mich von dem Sportzentrum fernhalten. Ich weiß, dass du es aufgebaut hast, nachdem... uhm..." – „Du mich verlassen hast", beende ich seinen Satz „Nachdem du verschwunden bist. Sag es doch." – „Nachdem ich gegangen bin", antwortet er leise. „Gegangen." Ich lache bitter. „Abgehauen, das Wort solltest du benutzen." Harry schüttelt den Kopf. „Ich bin nicht abgehauen." – „Oh doch, das bist du!" Er atmet zitternd tief ein und wieder aus, widerspricht aber nicht noch einmal.

„Es gibt noch etwas." – „Was, willst du noch das Auto? Vergiss es, das ist meins!" Mein Tonfall trieft vor Sarkasmus. Ich kann es nicht verhindern. Es ist meine Art, mit Stress umzugehen. Das weiß er genau. Harry zögert. Mr West sieht ihn fragend an, ehe er sich wieder zu mir und Ms Moore wendet. „Mr Tomlinson hätte gerne –" – „Ich will den Baum", unterbricht Harry ihn und sieht mich dabei direkt an. Seine Stimme ist dünn und zittert. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Mir wird eiskalt und kotzübel. Der Raum mich herum dreht sich, ich habe das Gefühl ich falle gleich vom Stuhl. „Was?" – „Ich möchte den Olivenbaum. Du hast ihn mir geschenkt, er gehört mir." – „Und was willst du damit?" Harry schweigt und sieht weg. „Harry!" Er schließt die Augen. „Das ist alles, was ich gerne noch haben würde. Nur den Baum, Louis, bitte." Seine Stimme ist leise, schwach. Ich möchte antworten, aber ich weiß nicht was.

„Mr Tomlinson, was sagen Sie dazu?", fragt mich Ms Moore. Mir ist schwindelig. „Fuck", murmle ich. Ich muss hier raus. Der Stuhl kippt hinten über, als ich aufstehe, aber ich höre es kaum. Meine Ohren pfeifen, ich höre nicht mehr richtig und schwarze Punkte tanzen vor meinem Augen. Stolpernd verlasse ich den Raum. Ich bekomme keine Luft mehr. Ich muss hier weg.

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Harry möchte den Baum zurück. Habt ihr damit gerechnet? Wird Louis zustimmen? Und was könnte es mit den Polaroids auf sich haben?

Love, L

Lightning's HattrickWhere stories live. Discover now