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Der frische Herbstwind wehte Jimin durch die Haare, nachdem er den Wagen seines Taxifahrers verließ und sich schwer seufzend über seine Augenpartie rieb. Schnellen Schrittes eilte er in Richtung des Kofferraumes und zog sein ganzes Gepäck aus dem Stauraum, legte und stellte danach alles an den Rand des Bürgersteigs. »Darf ich fragen was Sie in diese abgelegene Gegend führt? Sie wirken noch so jung, ich hätte gar nicht erwartet so jemand wie Sie in so einer Umgebung bringen zu müssen.«, fragte Jimin's Fahrer, als dieser das Fenster runter gelassen hatte und ihn ansah. Jimin lächelte nur ein wenig, fischte das Portemonnaie aus seiner Hosentasche und überreichte ihm das Geld für die Fahrt. »Ich ziehe hier ein, Sir. Das wird mein erstes Haus.« Ja, und das erste Haus vergaß man nie.

Den dies war das erste mal das Jimin sein Elternhaus verließ und nun komplett auf sich alleine gestellt war. Und das wortwörtlich. Er lebte nun einige Stunden Autofahrt von seinen Eltern entfernt, mit denen er aber generell nie so ein gutes Verhältnis gehabt hatte. Vermissen tat er sein altes Zuhause aber trotzdem. Er fühlte sich doch noch so jung, auch wenn er mitten im Studium feststeckte und eigentlich selbstständig auf seinen zwei Beinen stehen sollte.

Jimin vermisste sehr die unbeschwerte Zeit von damals, als er noch ganz unschuldig und klein war und gar nicht wusste, in welch einem toxischen Haushalt er aufgewachsen war. Seine sich streitenden Eltern, die Hand seiner Mutter die ihr so oft ausgerutscht war und die lückenhaften Erinnerungen, welche er seiner Kindheit bedingt hatte und ihn noch immer plagten und beschäftigten.

Er musste fliehen, denn auf ewig konnte er nicht bei seinen Eltern bleiben. Das ganze letzte Jahr hatte er auf Hochturen nach einem neuen Zuhause gesucht. Er hat sich wirklich angestrengt, ehrlich. Jimin war zu Vorstellungen in WG's erschienen, hatte sich dort alles angesehen und alle Mitbewohner kennengelernt. Aber ein Zusammenleben mit fremden Menschen konnte er sich nicht vorstellen. Hätte er gute Freunde gehabt die wirklich dazu bereit wären mit ihm zusammen zu ziehen, würde er dieses Angebot nur zu gerne annehmen.

Aber dazu fehlten ihm nunmal die Freunde. Und das Geld, denn eine Wohnung war verdammt teuer, auch wenn man sich die Miete unter den Bewohnern aufteilen würde. Man durfte nicht vergessen das Jimin Student war und er so oder so knapp bei Kasse war, egal was er tat oder eben nicht. Sein damaliger Minijob war eher ein hübsches Taschengeld als richtiger Lohn gewesen mit dem man leben konnte, aber als er noch in seinem Elternhaus gelebt hatte, da reichte dies wirklich aus.

Jimin konnte sich noch an die letzten Wochen erinnern, in denen er beinahe den gesamten Tag vor dem Computer hockte und alle Angebote von Wohnungen und Häusern durchging, bis ihm dann die Anzeige von dem Haus ins Auge sprang, wofür er sich nach einem langen hin- und her entschieden hatte. Der Preis war nämlich das, was ihn überzeugt hatte. In der Anzeige, so erinnerte sich Jimin noch, befand sich genau ein Bild: die Vorderseite des Anwesens.

Das Foto von dem Gebäude war wirklich schön gewesen, die Haustür strahlte in einem majestätischen Rot, die kleine Veranda vor der Tür wirkte gepflegt, genauso wie der Vorgarten und der gepflasterte Weg, der zum Eingang führte. Die zwei Bäume links und rechts im Garten waren groß und gesund und trugen viele Blätter an den Ästen, manche waren sogar von weißen Blüten übersät. Und als Jimin dann einen Blick auf den Preis geworfen hatte, sind ihm fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Der Besitzer verlangte schlappe 2000 Dollar. 2000 Dollar für ein ganzes Haus was so hübsch aussah und so wirkte, als seie es in einem guten Zustand.

Ohne zu zögern hatte Jimin den Anbieter angeschrieben und gefragt ob er das Haus wirklich für so eine undenkbar niedrige Summe verkaufen wollen würde. Er hatte relativ schnell auf seine Frage hin geantwortet und nur gemeint, dass es für ihn keinen Wert hatte und es nach so vielen Jahren noch immer niemand haben wollte. Offensichtlich blieb Jimin demgegenüber misstraurisch und verweilte noch etwas länger mit dem Herren in Kontakt.

Nach einigen Wochen hatte er aber gemerkt das der Besitzer seine Worte vollkommen ernst meinte und es sein einziges Ziel war das Herrenhaus loszuwerden. Also hatte Jimin sich darauf eingelassen und überwies ihm schlussendlich die 2000 Dollar. Der Mann schickte ihm danach den genauen Standort des Hauses, da er in der Anzeige nur grob die Stadt eingetragen hatte und wünschte ihm noch eine gutes Ankommen in seinem neuen Heim.

Jimin konnte diesen seltsamen Erfolg gar nicht begreifen und somit entging ihm in dieser ganzen Euphorie auch, dass doch eigentlich viel Papierkram auf ihn warten müsste und der Kauf eines Gebäudes gar nicht so schnell gehen konnte. Das alles musste doch auf Jimin überschrieben werden und man müsste staatlich seinen Wohnort ändern, dass er ausgezogen war und nicht mehr bei seinen Eltern lebte. Und dann, als Jimin's Taxifahrer davon bretterte und am Horizont verschwand, wurde ihm all das erst bewusst.

Er hatte einem Blindkauf zugestimmt und jetzt hatte er nach einenhalb Monaten ein Haus. Wie ist das denn passiert? Jimin fasste sich an den Kopf und schlug etwas mit seinem Handgelenk gegen seine Schläfe. Nicht mal einen Schlüssel hatte er bekommen. »Wie hast du es eigentlich auf die Uni geschafft?«, tadelte er mit sich selber und schnappte sich all seine Sachen, um die Straßen entlangzuschleifen und nach dem Haus suchte, in dem er wohl eine lange Zeit verbringen wurde.

Und hätte Jimin gewusst was ihn dort alles erwarten würde, wäre er dem Taxi hinterher gerannt und hätte sich eine Möglichkeit besorgt, um so schnell wie möglich nach Hause zurückzukehren und auch nie wieder einen einzigen Fuß in die Nähe des Hauses zu setzen.

The legend of the Min family ✓Where stories live. Discover now