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Der Junge hatte seine Hände auf seinen Mund gepresst, während er den Mann vor sich verängstigt ansah. Seine Augen waren mit Tränen gefüllt, das Leib am zittern. Er machte sich etwas klein, der Blick des Mannes durchbohrte ihn.

»Ich schwöre es! Ich- ich schwöre bei Gott, ich habe es niemandem erzählt!«, rief er verzweifelt und er zuckte zurück, als der Mann seine Hand anhob. Sein Gesicht war verzerrt, die Stirn glitzerte durch die Schweißperlen. »Ich hätte dich schon von Anfang an umbringen sollen!«, brüllte er den Jungen an.

Der erste Schlag fiel. Der Junge konnte noch etwas ausweichen, weswegen es ihn nur am Wangenknochen trat. Jedoch war der Kraftaufwand so stark, dass sein Kopf zur Seite schleuderte. Die Wange pochte unangenehm und die ersten Tränen rollten seine Wangen hinunter.

»Wie konnte er es dir nur erzählen!« Der Mann knurrte bedrohlich, der Junge klammerte sich in den Stoff unter sich. »Und das noch unbedingt dir! Gott, wieso zur Hölle genau dir!« Die laute Stimme hallte durch das Haus. Der Junge bemühte sich, leise in seine Hände zu weinen. Seine Atmung ging unregelmäßig und schwer.

»Bitte, ich b-bitte Sie, lassen Sie mich am leben! Ich sage nichts, ich schwöre es bei meinem Leben! Bitte, oh Gott, bitte..«

Der Mann lachte schallend auf. Seine Faust hämmerte in das nasse Gesicht seines Gegenübers. »Du?! Ja, sicher. Ich werde dich ganz bestimmt nicht lange leben lassen. Du wirst uns verraten, das sehe ich doch in deinen Augen.« Zögernd stand der Junge vom Boden auf, er krallte sich in seine Hose und blickte flüchtig zum Schreibtisch, dann zum Anhänger des Mannes.

»Ich weiß es doch, du wirst gehen und es allen erzählen. Und dieser Missgeburt, die du liebst. Du wirst direkt zu ihr gehen und berichten, welch für Sündner wir doch sind. Oder? Oder!?« Der Mann näherte sich bedrohlich dem Jungen, während dieser ganz langsam und unbemerkt seine Hand in seine Hosentasche fahren ließ.

»Ich werde dir als erstes deine gottverdammte Kehle zerstechen und dich an deinem Blut ertränken lassen. Oh, das schwöre ich dir.«, hauchte er wütend.

Der Junge griff plötzlich schnell das Messer aus seiner Hosentasche, schnitt den Stoff um seinen Hals auf und schnappte sich den Schlüssel. Er rannte zum Schreibtisch, nahm die Spieluhr und drückte die Tür auf. Hinter ihm das Aufschreien des Mannes.

»Na warte, du verdammter Verräter!« Der Junge stolperte den Flur entlang, öffnete die Tür und rannte die Treppen des Hauses runter, ehe er unten die Haustür aufriss. Das Herz pochte ihm dabei bis zum Hals, während er um sein Leben rannte. Der Mann ihm dicht auf den Fersen.

Der Junge hielt die Truhe fest, steckte den Schlüssel hinein und öffnete sie. Er stellte die Drehscheibe auf das große T ein, steckte dann den Schlüssel in die Mitte der Uhr und drehte ihn nach rechts auf die Zwei. Er hielt ihn fest, rannte, und rannte und rannte.

Beinahe hatte der Mann ihn einholen können, aber er schaffte es immer wieder, schneller zu sein als er. Der Junge raste schon fast über die Straßen, ehe er eine bestimmte Kreuzung erreichte und den Schlüssel los ließ.

Er hörte ein Ping, ehe er die Truhe an seine Brust presste und die Straße unter seinen Füßen verschwand. Einige Sekunden später spürte er sie wieder und er knickte ein, da er der Schwerkraft nicht mehr standhalten konnte. Er spürte starke Arme, wie sie ihn hoch zogen und fest drückten. »Ist alles okay?«, fragte ihn eine tiefe Stimme, während der Junge weinend nickte und einknickte. 

»Hat er dir weh getan?« Er nickte wieder. Der Mann sank mit ihm zu Boden und er sah die blauen Flecken, die der Junge im Gesicht hatte. Er atmete erschrocken ein.

»Er- er hatte sie wirklich gehabt. So, wie du es gesagt hat.« Er wischte sich die Tränen weg und gab dem Mann die Spieluhr mit dem Schlüssel.
»Verdammter Gauner.«, zischte er und nahm sie an, legte sie behutsam in seine Tasche.

»Es ist jetzt alles gut, okay? Du hast das gut gemacht, ich danke dir von Herzen.« Der Junge nickte erleichtert und ließ sich hochheben, sodass er wieder auf seinen eigenen Beinen stehen konnte.

»Schnell, ich bringe dich nach Hause, meine Frau sucht bestimmt schon nach mir.«

The legend of the Min family ✓Where stories live. Discover now