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Mit schweren Schritten ging Jimin die Straße entlang, in seiner linken Hand eine Flasche Alkohol und in der rechten sein Handy mit dem dicken Kratzer auf dem Panzerglas. Er hatte es mit dem Bildschirm nach unten fallen gelassen, in dem Versuch die Bar zu verlassen und hatte sich bemüht dabei die Flasche, das Handy, das Ladekabel und sein Portemonnaie gleichzeitig mit zwei Händen zu halten. Ihm ist dann aber alles -außer die Flasche natürlich- runtergefallen und wie er es sich bereits gedacht hatte, haben ihn alle Gäste in der Bar angestarrt.

Schwer seufzend steckte er Portemonnaie und Handy in die Gesäßtaschen und schwang den halb leeren Alkohol herum. Sein Kopf brummte, er hatte es ein wenig mit dem Alkohol übertrieben. Eigentlich wollte er nur aus Genuss hier und da mal was trinken, aber Rio hatte ihn so verändert, dass er aus Trotz mehr als nur süße Cocktails getrunken hatte. Diese Frau... Sie nervte ihn. Ja, vonwegen Geisterhaus. Jimin war sich sicher, das sein Haus nicht verflucht war. Naja, so halb.

Unsicher hielt er die kühle Flasche an seine brennenden Wangen, ehe er dann das Herrenhaus erblickte und ihm kotzübel wurde. Schon von Anfang an hatte er kein gutes Gefühl bei diesem Haus gehabt, aber er konnte doch nicht in die Bar zurückkehren, Rio anbetteln ihn irgendwo schlafen zu lassen. Dafür war sein Ego zu hoch veranlagt und das würde ihn wie einen hilflosen Bettler dastehen lassen.

Er blieb stehen, stand mitten auf der Straße und warf dem Anwesen einen Blick zu. Es wirkte so viel gruseliger in der Dunkelheit der Nacht und Jimin war so dankbar das die Straßenlaternen so kräftig leuchteten. Aber was war mit dem Inneren des Hauses? Der Strom funktionierte nicht und Licht gab es dementsprechend auch nicht. Den dicken Kloß in seinem Hals schluckte er mutig runter, schaltete seine Handytaschenlampe an und ging den gepflasterten Weg entlang.

Die Bäume erstreckten sich pechschwarz in den Himmel und Jimin hörte aus diesen ein Rascheln. Seine Schritte wurden schneller und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er hatte noch immer keinen Haustürschlüssel, was wenn ein Einbrecher in der Nacht kam und ihn bis auf die Knochen bestahl. Was, wenn der Einbrecher bereits in dem Haus war?

Jimin blieb vor der Veranda stehen, leuchtete die Fenster entlang und schwenkte das Licht zur Haustür. Die Rubinaugen des Löwen blitzten Hell in dem Licht auf und Jimin's Hals schnürte sich vor Angst zu. Wie verrückt zitterte seine Hand, als er die schwere, knarzende Tür öffnete und in den dunklen Saal leuchtete. Ihm kam ein seltsam muffiger Geruch entgegen, was ihn die Nase rümpfen und das Haus betreten ließ. Hinter ihm fiel die Tür wirklich laut zu und der Schall jagte durch den leeren Eingangsbereich.

Fast hätte Jimin aufgeschrien, das Glas Alkohol rutschte beinahe aus seinem Griff so stark wie seine Hände schwitzten. Und nun bereute er es nicht sich komplett besoffen zu haben, dann hätte er weniger von dem Grusel hier mitbekommen. Er stand in der Mitte des langen Teppichs, sah zu den Treppen und wagte es gar nicht nach links oder rechts zu leuchten oder gar zu schauen. Was, wenn da ein Monster stand?! Und Jimin bekam wegen seinem Fantasien noch viel, viel mehr Angst und machte aus einer Mücke einen Elefanten. Nein, er machte aus einer Mücke einen gottverdammten Wal.

Schnell rannte er die Treppen hoch, stolperte nach links und drückte die Tür auf. Er hetzte den Flur entlang, am Kamin- und Klavierzimmer sowie am Bad vorbei zum Schlafzimmer und schmiss sich gegen die Zimmertür. Fast fiel er in den Raum, konnte sich gerade so noch fangen und knallte die Tür zu. Schlüssel. Er hatte keinen Schlüssel.

Panisch sah er zum Nachtschank, durchsuchte die Schublade aber fand dort nichts. Er griff zum leeren Rucksack, zog den Schlüssel heraus welchen er beim Bett machen einige Stunden zuvor gefunden hatte und versuchte ihn in das Schloss zu drücken. Er drückte und presste und hämmerte das Metall an das Schloss. Aber er passte nicht. Jimin hielt inne, lehnte erschöpft seine Stirn an das Holz und atmete mehrmals tief ein- und aus. Wieso drehte er so durch? Waren es Rio's Worte, die ihm ihre Worte ins Gedächtnis gebrannt hatte? Aber er konnte an nichts anderes mehr denken. Es war zum verrückt werden.

Schwer atmend drückte sich Jimin von der Tür weg, ging zum Bett und stellte sein Handy auf dem Nachtschrank so ab, dass das Licht den Raum beleuchtete. Er zog sich träge um, schmiss seine benutzten Sachen auf den schmutzigen Boden und setzte sich auf das Bett. Er griff nach dem Alkohol, drehte den Deckel auf und legte die Flasche an seine Lippen. Dann trank er. Er versuchte seinen Kopf leer zu trinken, er wollte doch nur Ruhe in seinem Verstand haben.

War das denn zu viel verlangt? Schluchtzend stellte er die leere Flasche auf den Nachtschank, rieb sich mit dem Handgelenk über seinen Mund und dann seinen Hals. Er könnte kotzen. Und dann dachte er wieder an das was Rio gesagt hatte. »Es war ein Fehler hierher zu kommen, aber das wirst du bald schon merken.« Ja, er bereute es jetzt schon. Er bereute es so sehr, wie armselig er auf dieses Angebot angesprungen war und nicht vernünftig nachgefragt hatte. Er bereute es. Und wie er es tat.

The legend of the Min family ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt