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Jimin spürte etwas kaltes an seinem Oberarm. Es schmiegte sich an seine Haut, übte sanften Druck aus und zog ihn an der Schulter zu sich, sodass er auf dem Rücken lag. Der Student runzelte verwirrt die Stirn, hatte noch seine Augen geschlossen und wollte sie auch nicht öffnen, da sie sich so schwer anfühlten und er nicht die Kraft dazu hatte. Er hörte ein raues, leises Flüstern, etwas streichelte über seinen Arm. Eiskalte Finger strichen über sein Schlüsselbein, seinen Kiefer entlang.

Er spürte etwas auf seine Wange tropfen, es lief seine Haut runter und dann in seine Haare hinein. Jimin brummte müde, er wollte sich auf die Seite drehen, jedoch verhinderte ihn etwas dies zu tun. Die Finger, welche ihn gerade noch gestreichelt hatten, krallten sich in seine dunklen Haare, zogen an ihnen und lösten einen stechenden Schmerz auf.

Jimin bewegte sich etwas, verzog sein Gesicht und wollte seine Augen aufreißen. Aber es ging nicht. Er spürte kaltes Metall an seiner Kehle, wie es sich an seine Haut drückte und einen roten Abdruck hinterließ. Jimin keuchte, seine Kopfhaut schmerzte und er bekam Panik. Eine schreckliche, riesige Panik. Er fühlte sich paralisiert, er konnte sich nicht bewegen und die Person von sich stoßen. Die Klinge wurde von seiner Haut gehoben und Jimin stieß ein angespanntes Ausatmen aus, er spürte ein Gewicht an seinem rechten Oberschenkel. Dann wurde das Messer in seine Kehle gerammt.

Panisch setzte sich Jimin auf, packte seinen Hals und krallte sich fest in die Matratze unter sich. Er röchelte nach Luft, legte seinen Kopf in den Nacken und sah an die Decke. Die Tränen rannten seine Wangen runter. Seine Arme zitterten, er konnte sich kaum aufrecht halten. Sein panischer Blick schoss durch das dunkle Zimmer, während der Mond kahl und grau durch die schmutzigen Fenster hinein schien. Es war leer.

Kraftlos ließ er sich mit dem Rücken auf das Bett fallen und legte seine Hand an die Brust, spürte sein Herz durch die Rippen schlagen. War das ein Traum gewesen? Jimin strich über seine Kehle, spürte jedoch kein Blut oder eine Wunde. Und trotzdem kribbelten noch die Stellen, an denen die kalte Hand ihn berührt hatte. Diese kalten Finger, die über sein Schlüsselbein gestrichen und an seinen Haaren gezogen haben.

Er strich sich durch die Haare, spürte noch immer seine schmerzende Kopfhaut, wie sie etwas pulsierte und unangenehm zog. »Scheiße..«, schluckte er, zog seine Decke zu seinem Gesicht und wischte sich die Tränen von seinen Wangen. Er rieb über seine Haut, bis sie ganz gereizt und rot war.

Schluchzend griff er nach seinem Telefon, fuhr es hoch und tippte mit verwischter Sicht die Nummer seiner Eltern ein. Es war zwar mitten in der Nacht, aber er konnte es nicht mehr ertragen. In die Decke wimmernd presste er das Handy an sein Ohr, lauschte dem Tuten und hoffte so sehr das seine Eltern annehmen würden. Sie mussten ihn unbedingt von hier wegholen, denn sonst würde er noch verrückt werden.

Dabei war das erst die erste Nacht, welche er in dem Haus verbrachte. »Bitte geht ran..«, flüsterte er und sah auf den Bildschirm. Die Hoffnung gab er Stück für Stück auf, je länger er da saß und zitternd das Gerät umklammerte. Und plötzlich ertönte eine dumpfe Melodie. Jimin versteifte sich, blickte ängstlich zur dunklen Zimmertür und zog seine Beine an die Brust.

Die Töne wurden lauter, gröber, panischer. Jimin wusste, dass es vom Klavierraum kam. Denn die Melodie war dieselbe, die ihn am Tag zuvor in die Flucht geschlagen haben. Diese laute Musik, welche seine Ohren zum klingeln gebracht hatte und ihm fast sein Kopf deswegen geplatzt war. Er legte das nicht begonnene Telefonat auf, schob seine Beine vom Bett und stellte sie auf den staubigen Boden ab. Er griff nach der leeren Glasflasche Alkohol, rieb sich über seine pochende Schläfe und musste sich etwas zusammenzureißen, nicht etwas zu schwanken und gegen ein Möbelstück zu stoßen.

Das Telefon hielt er fest in seiner Hand, schaltete die Taschenlampe an und schritt langsam mit der Flasche bewaffnet zur Zimmertür. Er öffnete sie, woraufhin sie protestierend quietschte und den Flur freigab. Durch das Licht konnte Jimin den ganzen Staub umher tanzen sehen, wie die Flocken langsam zu Boden sanken und den Boden damit bedeckten.

Tief atmete Jimin durch, ging aus dem Schlafzimmer direkt zur gegenüberliegenden Tür und hörte seine Ohren wegen der lauten Melodie klingeln. Er würde sie sich so gerne zu halten, um wenigstens ein bisschen verschont zu werden aber dafür hatte er keine Hand frei. Schnell drehte er die Klinke um, leuchtete sauer und voller Angst in das Klavierzimmer und begann mit zitternder Stimme gegen die lauten Töne zu schreien: »Lass mich gefälligst schlafen, es ist mitten in der Nacht!« Jedoch schien seine Stimme in der Musik unterzugehen.

Zitternd stapfte er über den staubigen Boden, die kleinen Splitter des Holzes unter ihm stachen leicht in seine nackten Füße. Jedoch sorgte das Adrenalin dafür das er nichts davon verspürte. »Hey!« Seine Stimme war fast schon piepsig und gleichzeitig auch brüllend, er hatte es langsam satt sich sich diesen möchtegern Geistern so verarschen zu lassen. Und außerdem war das Haus nicht verflucht! Rio hatte Unrecht!

Jimin stand nun am Klavier, welches seitlich von ihm abgewandt stand und schlug mit der Flasche gegen das Instrument. Er schlug und schleuderte das dicke Glas gegen den Rücken des Klaviers und dann hörte es auf zu spielen. Aber Jimin hörte nicht auf. Zwar richtete er keinen so extremen Schaden an, aber nach seinem Wutausbruch hatte das Klavier noch mehr Dellen und Beschädigungen als davor. Die Flasche war noch ganz, ein Glück, denn Jimin war noch nicht fertig.

Er schob mit seinem Bein den Klavierhocker weg, sah auf die blutigen Tasten und schlug mit der Flasche auf die Tasten, bis sie auseinander brachen und stückweise zu Boden fielen. Bei jedem Schlag ertönte ein schiefer Ton, der durch den Raum hallte und aus dem Fenster des halben Erkers nach draußen entwich. Schwer atmend trat er zwei Schritte zurück, als er beinahe alle Tasten zerstört hatte, genauso wie die Alkohol Flasche. Er schmiss das restliche Glas in seiner Hand weg, wischte sich über seinen Mund und sah zur Tür. Und dort stand eine dunkle Gestalt, welche an dem Türrahmen gelehnt war und Jimin eine Gänsehaut verpasste. »Und wer bist du?«

The legend of the Min family ✓Where stories live. Discover now