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Jimin war zum Arzt gegangen. Nein, er wurde geradezu dorthin geliefert als wäre er ein Paket das eine Extrabehandlung benötigte. Wahrscheinlich hatte er damit übertrieben einen Krankenwagen zu rufen und zu lügen das er -von wem auch immer- verprügelt worden war. Aber er wollte doch nur ein mal dramatisch sein und sich nicht die Chance entgehen zu lassen einige Tage weg von dem Horrorhaus zu bleiben. Die Sache mit den Büchern hatte ihm nämlich den Rest gegeben. Gut, dann konnte er eben nie wegen dem Klavier schlafen und hatte, wenn ihm mal die Augen zufielen, gruselige Albträume, aber diese Dinge schadeten ihm körperlich nun wirklich nicht. Zumindest nicht so brutal wie es der Bücherregen getan hatte.

Aber das war die geringste Sache, die Jimin so nervte. Denn Yoongi war die gesamte, restliche Zeit, in der er noch im Haus gewesen war bis der Krankenwagen antrudelte, kein einziges Mal aufgetaucht. Und das verärgerte Jimin ungemein. Yoongi war doch wirklich, wirklich immer da! Jedes Mal wenn er auf stand, beobachtete ihn der Geist vom Rand des Bettes aus, wenn er sich auf den Weg zur Bar oder zum Wäsche waschen machte starrte er ihm aus einem der Fenster hinterher und selbst wenn er sich den Arsch abputzte war Yoongi da und glotzte wie ein Auto! Und dann, ganz plötzlich reagierte er nicht mehr auf Jimin's Rufe und ließ ihn elendig in der Bibliothek zurück, als würden sie sich gar nicht kennen. "Das ist doch dein Haus, du müsstest wissen in welche Räume du rein darfst und in welche nicht!", hätte der Geist ihm sicher gegen den Kopf geworfen und würde sich über den Menschen lustig machen. Sicher, sein Haus. Es lebten aber zu viele ungebetene Gäste mit ihm, als das er es einzig als 'Seins' bezeichnen könnte.



Rio stand vor dem Krankenhaus, wartete ungeduldig auf Jimin und wippte auf ihren Beinen hin und her. Sie hatte sich sehr, sehr große Sorgen um Jimin gemacht als dieser nicht Abends in der Bar aufgetaucht war ohne ihr Bescheid zu geben, dass er nicht vor hatte noch aufzutauchen -Nummern hatten sie schließlich schon lange ausgetauscht, denn Jimin wurde langsam zum Stammkunde und mit Kunden die Geld da ließen freundete sich Rio gerne an. Die Eingangstür sprang auf und ein genervter Jimin trat hinaus, mit dem grimmigsten Blick den er aufsetzen konnte und einem so blassen Gesicht, das Rio kurz dachte er wäre in weiße Wandfarbe gefallen. Sollte er nicht eigentlich wieder komplett gesund aus einem Krankenhaus heraus kommen? Denn Jimin sah noch immer wie sonst auch aus. Gut, er hatte zwar nur eine Nacht dort verbracht, aber trotzdem. Rio fand das schon sehr seltsam.

»Äh, wie siehst du denn aus?«, hob sie ihre Augenbrauen, lief neben Jimin her und führte ihn in Richtung ihres Wagens. Rio war tatsächlich älter als Jimin erwartet hatte und sie besaß ihren Führerschein länger als das Jimin Brüche berechnen konnte. Klar, er hatte auch einen Führerschein und hätte er auch das Geld für ein eigenes Auto, würde er jede Nacht aus dem Land düsen, nur um dieses Horrorhaus nicht sehen zu müssen. Es war auch nicht verwunderlich nach seiner Volljährigkeit direkt seinen Führerschein zu machen, aber als Rio ihm dann erzählt hatte das sie mitten in ihren Dreißigern war, da ist ihm schon der ein oder andere Shot aus der Hand gefallen. »Wurdest du verprügelt?« Geschlachtet trifft's eher. Jimin verdrehte seine Augen, lief um den Wagen zur Beifahrertür herum und wartete bis sie das Auto auf schloss. »Ja, schon.« Rio stieg auf den Fahrersitz, schnallte sich an und richtete ihren Rückspiegel.

Jimin griff nach der Handtasche auf dem Beifahrersitz, schmiss sich ächzend auf diesen und jammerte wegen den Schmerzen am gesamten Körper, vonwegen die Ärzte hätten seine Schmerzmittel zu niedrig dosiert. Sich den Gurt umlegend begann er den Reißverschluss der Tasche zu öffnen, wühlte dann etwas in dieser herum und zog eine Plastikflasche heraus, dessen Inhalt verdächtig blubberte und einen pinken Ton hatte. »Jimin, ich bin ganz ehrlich. Wieso bist du noch immer in diesem Haus? Jeder merkt doch das du deswegen zum Zombie mutiert bist, also wieso tust du dir das weiterhin an?« Ja, wieso tat Jimin das? Er könnte ausziehen, noch viel schwerer auf der Tasche seiner Eltern hocken aber trotzdem weg von dort sein. Er könnte eine erneute Suche nach WG's anfangen oder zurück zu seinen Eltern ziehen, dort so lange bleiben bis er wirklich bereit ist ausziehen und nicht wieder wegen ein paar Geister herum heult, die ihm das Leben zur Hölle machten.

Er könnte Freunde suchen, sich dazu zwingen sozial zu werden und vielleicht, vielleicht fand er dann Gefallen daran Dinge zu unternehmen anstatt immer nur alleine Zuhause zu sein. Es gab so viele Punkte die dafür sprachen einfach ausziehen. Einfach alles zu packen und das Herrenhaus hinter sich lassen. Jimin wusste das dies die beste Entscheidung sein würde, er wusste das er so nicht glücklich werden konnte. Er musste weg von dort. Und trotzdem kam ihm Yoongi in den Sinn. Der gruseliger Geist, der eigentlich gar nicht so gruselig war aber dafür eine umso angsteinflößendere Familie hatte. Yoongi, der ihn immer wie einen unschuldigen Welpen anschaute und sich so sehr für Jimin's Welt interessierte. Yoongi, der Jimin nur die ganze Zeit verfolgte um sicher zu gehen das er nicht einfach so abhaute. Denn Jimin war ihre letzte Hoffnung Frieden zu finden und die ungelöste Vergangenheit ruhen zu lassen.

The legend of the Min family ✓Where stories live. Discover now