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Unruhig schlug Jimin seine Augen auf. In seinem Blickfeld stand Yoongi, welcher ihn nur still musterte und seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst hatte. Jimin atmete schwer in das Gesicht seines Gegenübers und er war wirklich froh, dass er die Alkoholfahne nicht riechen konnte. »Deine Freunde sind da.«, meinte Yoongi und sah Jimin beim Aufstehen zu.

Mit nackten Füßen lief er zum Badezimmer, putzte sich dort die Zähne und ließ seinen Kopf erschöpft gesenkt. Er konnte sich noch an seinen Traum erinnern. Die Gesichter waren verschwommen aber Jimin wusste noch alles. Und der metallische Geschmack übertönte sogar den des Alkohols in seinem Mund. Es schmeckte beinahe schon schimmelig, alt, verrostet. Und obwohl er die Nacht zuvor nicht allzu viel getrunken hatte, ließen diese Erinnerungen ihn unsicher taumeln, als hätte er sich ins Koma zugeschüttet.

Er schrubbte sich agressiv über seine Zunge, versuchte den Geschmack loszuwerden und er ignorierte Yoongi hinter sich, wie er fragte, ob alles in Ordnung war und ihn mehrmals daran erinnerte, dass Jin und Jungkook schon seit zehn Minuten an der Tür standen. Denn Yoongi wusste, wie vergesslich er war und er wollte ihn auch dazu bringen, wach zu bleiben. Jimin hatte es schwer, sich den Mund auszuspülen und nur träge zerrte er sich wieder ins Schlafzimmer, zog sich um und sprang dann die Stufen des Herrenhauses runter.

Ihm kam die grelle Sonne entgegen und als Seokjin dann zu sprechen anfing, hörte Jimin nur ein dumpfes Brummen, anstatt wirklich die Worte des Gärtners verstehen zu können. »Könnt ihr- also... könnt ihr jetzt bitte einfach anfangen? Ich schaffe es gerade nicht, euch zuzuhören und außerdem muss ich noch dringend weg.«, unterbrach Jimin den Ältesten und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an, woraufhin sie überrascht nickten und dann ihre ganzen Geräte an den Steckdosen steckten.

Jimin ging derweil wieder hoch, saß komplett fertig mit den Nerven auf dem Bett und seufzte erleichtert auf, als er Yoongi's Kälte neben sich spürte, die seine erhitzte Haut abkühlen ließ. »Ich gehe zu Rio, okay?«, murmelte Jimin leise und er vergrub sein Gesicht in die Hände. Yoongi musterte ihn stumm, ließ seine Beine baumeln und legte seinen Kopf schief. »Was möchtest du bei ihr? Trinken?« Jimin lachte bitter auf und ein Strom von Kopfschmerzen schoss durch seine Schläfe.

»Nein, natürlich nicht. Ich hole mir Tabletten und bringe dann noch die Wäsche weg. Sie hat momentan Zeit und sowieso nichts zu tun.«

Er stand auf, lächelte Yoongi leicht an. »Pass' auf, dass die beiden keinen Blödsinn treiben, ja?« Yoongi nickte eifrig. »Mache ich.« Yoongi war ja so lieb und süß und Jimin? Jimin war trotzdem manchmal sehr gemein. So ein Scheiß, dachte er sich, Yoongi hatte sich wirklich in seinen Kopf eingenistet.



Die Fahrt zur Apotheke war unangenehm. Jimin hatte Rio angerufen und sie gebeten, Taxi für ihn zu spielen. Überraschenderweise willigte sie sogar ein, jedoch hatte er zu diesen Zeitpunkt vergessen gehabt, dass sie nun alleine waren. Die Nacht davor hatte Jimin sie keines Blickes gewürdigt und ihr nur kurz und knapp gesagt, was er ihr zu trinken machen sollte. Aber jetzt saßen sie für eine halbe Stunde in einem Wagen gefangen und mussten nun wohl oder übel miteinander reden. Und Jimin gefiel das überhaupt nicht.

»Kannst du mir erklären, was das letztes Mal passiert ist?«

Das letzte Mal? Jimin stellte sich extra dumm, dabei wusste er ganz genau, wovon sie da sprach. Er hatte aber nun wirklich nicht die Kraft dazu, ihr alles zu erklären. »Hm? Was meinst du?« Rio zischte leise.

Sie wusste, dass Jimin nicht mit ihr jeden wollte. Sie wusste auch, dass er einem Gespräch mit ihr noch lange ausgewichen wäre, wären nicht seine Kopfschmerztabletten ausgegangen -die, ganz nebenbei, auch noch von Rio stammten. Es waren zwar nicht viele gewesen, die Jimin sich mitgenommen hatte, aber es waren genug, dass sie sich Sorgen darum machen konnte. In so einer kurzen Zeit so viele Tabletten aufzubrauchen war nun wirklich nicht gesund, egal, ob er sie sich über den Tag hin verteilte oder mehrere auf einmal schluckte.

»Jimin,«, murrte Rio und kratzte mit ihren langen Fingernägeln am Lenkrad herum, »wer zur Hölle war das gewesen?« Yoongi. Offensichtlich sprach sie über ihn, aber Jimin wollte überhaupt nicht erklären, wer oder was er war. Sie hatte doch selber gemerkt, dass er ein Geist war, und mehr hatte er da auch nicht hinzuzufügen. »Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Du spinnst doch!«, begann Rio lauter zu werden und mit Entsetzen in ihrem Gesicht sah sie ihn an. »Ich rede von diesem Typen, der ganz sicher nicht lebendig ist!« Jimin pochte unangenehm der Schädel und genervt massierte er seine Schläfe. Das Geschreie besserte nicht seine Kopfschmerzen, sondern machte sie schlimmer.

»Och komm schon, müssen wir das jetzt-« »Ist es dir denn nicht aufgefallen?«

Jimin hielt inne. Irritiert blickte er aus dem Fenster und sah zu den Häusern, die verschwommen an ihnen vorbei zogen. »Was?« Er konnte beinahe spüren, wie sie ihre Augen verdrehte.

»Die Gärtner können ihn nicht sehen.«, seufzte sie nun und drückte auf die Bremse, als vor ihr die Ampel rot wurde. »Natürlich können sie ihn sehen, er versteckt sich nur und geht nicht einmal raus, besonders nicht, wenn sie da sind.«

»Jimin, einer von den Kerlen ist durch ihn hindurch gelaufen. Als du dich in meinen Wagen gesetzt hast, ist er durch dieses Ding gegangen. Einfach so!«
»Er war aber nicht draußen gewesen.«
»Aber er stand im Türrahmen und hat zu dir geschaut. Die ganze Zeit, bis wir weg waren.«

Jimin schluckte trocken. Was redete sie da? Sie mussten ihn doch sehen. Schließlich konnte es Rio auch und sie war genauso, wie alle anderen. Stinknormal. Oder?
»Nein, das hast du dir eingebildet. Das kann überhaupt nicht sein.«

Rio lachte. »Und was macht dich da so sicher?«

The legend of the Min family ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt