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Dienstag 25.02.2052; 07:12 Uhr

Der Regen trommelt gegen die Fensterscheiben. Der Wind fegt draußen über die Straßen. Es ist ein Tag an dem es kühl ist und du dich am liebsten mit einer heißen Tasse Tee in dein Bett setzt und es dir mit deiner Lieblingskuscheldecke gemütlich machst. „Heute ist Weltjahrestag. Vor genau zweiundzwanzig Jahren hat die Weltenregierung beschlossen das uns nur allzu gut bekannte Assassinesystem einzuführen.", spuckt mein altes Reiseradio unter rauschenden und knisternden Geräuschen aus. Die Nachrichtensprecherin spricht voller Ehrfurcht über das Thema, als würde ihr Lebensinhalt daraus bestehen. Ja, es stimmt zwar das durch die Regelung des neuen Systems die Populationszahlen in den letzten einundzwanzig Jahren um bereits vierundzwanzig Prozent gesunken sind, aber das heißt ja nicht automatisch das es die richtige Lösung war.

Täglich höre ich Radio und hoffe jeden Tag wieder, dass unter den Toten keine bekannten Namen genannt werden, kein Bekannter oder noch schlimmer keiner unserer Familie. Ich habe schon genug Personen verloren. Wie zum Beispiel meinen Vater. Er kam vor ungefähr einem Jahr um, als er versuchte sein Ziel auszulöschen. Dabei hatte er sich wahrscheinlich erhofft, nach der Tötung kein Leben in Angst und Schrecken mehr führen zu müssen. Den Hintergedanken im Kopf zu haben, dass hinter jeder Straßenecke sein letztes Stündlein geschlagen haben könnte, hat ihn wohl fertig gemacht.

Das Vertrauen, das ich damals in ihn und das System steckte, war nun gebrochen. Ich war so zuversichtlich, dass er sich nicht für eine Tötung entscheiden würde. Damals hatte ich noch Hoffnung, trotz dieser Lebensumstände ein normales Leben führen zu können. Wie ein ganz normaler Teenager, der sich manchmal mit seinen Eltern streitet, sich in der Freizeit mit Freunden trifft, und abends mal ausgeht. Doch nach seinem Tod war dies nicht mehr möglich. Er hatte Mum und mich durch seine Entscheidung einer aktiven Tötung als Assassine einfach im Stich gelassen. Von diesem Tag an, hatte ich mir geschworen niemandem mehr zu vertrauen, damit ich nie wieder dieses Gefühl des Leids und Verrats ertragen muss. Ich hatte den Kontakt von Freunden abgeschnitten, die Schule gewechselt, selbst meiner Mutter war ich misstrauischer als je zuvor. Das Ganze klingt jetzt vielleicht etwas übertrieben, aber ich hätte nie erwartet, dass jemand wie mein Vater so schnell aufgibt. Und das zeigt mir, dass ich mich in dem Menschen getäuscht hatte, der mir am Nächsten stand.

Ab morgen ist noch größere Vorsicht geboten. Denn morgen werde ich aus dem Register freigegeben. Morgen werde ich meinen 18. Geburtstag feiern. Wahrscheinlich alleine.

Meine Mutter weiß, dass ich mich ein wenig von ihr distanziert habe. Und dennoch gibt sie ihr Bestes. Aufgeben kommt bei ihr überhaupt nicht in Frage. Aktuell hat sie drei verschiedene Teilzeitjobs, weshalb sie morgen auch außer Haus sein wird. Über meinen 18. Geburtstag zu sprechen, vermeidet sie. Sie will, genau wie ich, nicht die Regeln der Regierung akzeptieren, nachdem diese ihr schon meinen Vater nahmen. Wir wollen ihnen trotzen. Wenn auch jeder für sich, auf seine eigene Art und Weise. Und dennoch hat sie Angst, mich auch noch zu verlieren. Für sie bin ich immer noch ihr kleines Mädchen, das nichts vom Leben weiß. Und um ehrlich zu sein, der Gedanke, morgen schon zum Killer werden zu können, spricht mich auch nicht gerade an.

Schleunigst packe ich meine benötigten Schulsachen noch in meinen Rucksack und mache mich auf den Weg in die Küche. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um mir über so etwas meinen Kopf zu zerbrechen. Dort angekommen wartet bereits meine Mutter auf mich. "Ach, auch mal wach Phoebe?", fragt sie mich mit einem spielerischen Unterton. „Dir auch einen schönen guten Morgen Mum", gebe ich mürrisch zurück, doch schenke ihr daraufhin noch ein leichtes Lächeln. Bereitgestellt hat sie, so wie jede Früh, zwei Toast mit meinem Lieblingsaufstrich „Butella". Gedankenverloren esse ich schnell auf und laufe Richtung Flur um mich fertig zu machen. In unserem Eingang hängt ein alter Spiegel, der noch von meiner Großmutter stammt. Gewohnheitsmäßig schaue ich noch kurz zu meinem Spiegelbild, sage zu mir „Du schaffst es, auch diesen Tag ohne weitere Probleme zu überstehen!" und spaziere motiviert aus dem Haus. Meine Mutter ruft mir noch hinterher, ich solle auf mich aufpassen, doch da habe ich das Treppenhaus bereits verlassen.


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