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Freitag 02.05.2052; 17:55 Uhr

Während Liem mit mir in seinen Armen liegend verbissen den Ausgang anpeilt, verfalle ich derweil immer mehr und mehr meiner Müdigkeit. Meine Augenlider flattern während sie dabei sind sich ganz zu schließen, nur um mich der Dunkelheit und meinen eigenen Gedanken zu überlassen.

Bis sich mir für einen Moment ein Bild zeigt, welches mir den Magen umdreht. Die Augen weit aufgerissen, den Kopf wieder auf Hochtouren laufend, bleibt die Zeit stehen. Mir bleibt die Luft in der Kehle stecken, nicht einmal mehr bin ich in der Lage ein weder auszuatmen. Dennoch kann ich Alles in meiner Umgebung wahrnehmen. Auch Liem hält mitten in der Bewegung inne.

Liebend gerne würden meine Augen gerade den Rotschopf durch die Glasscheibe, welche uns trennt, verfolgen. Doch liegt dies momentan nicht in meinem Bereich des Möglichen.

Nicht nur das. Verzweifelt mache ich zwei weitere Gestalten in dem Nebenraum aus. Doch verschwinden diese geschwind aus meinem Blickfeld.

Niemals im Leben hätte ich gedacht, dass 15 Sekunden viel wären. Rasch ändert sich meine Meinung dazu, nachdem Liem auf die Knie sinkt und hektisch nach Luft schnappt. Auch ich atme erleichtert einmal tief ein und wieder aus. Als sich mein Herzschlag wieder normalisiert, richte ich mich keuchend auf und reiche Liem eine helfende Hand, welche er dankbar ergreift. Mein Blick streift den Seinen. Auch ihm scheint die Szenerie nicht entgangen zu sein.

Erst jetzt bemerke ich, dass wir uns vor dem Raum befinden, in welchem ich kürzlich noch schwächlich vor Jackson kniete. Ehe ich auch nur auf die Idee gekommen wäre, mich in das Geschehen, welches uns nur durch eine Wand trennt, zu stürzen, reißt Liem bereits die Türe auf.

Perplex realisiere ich erst nach wenigen Sekunden was sich gerade vor meinen eigenen Augen abspielt. Scharf ziehe ich die Luft ein. Mein Blick huscht von Ayla und Jackson zu Ethan, welcher machtlos am Boden in einer Blutlache kniet. Ob es sich dabei um sein eigenes handelt weiß ich nicht.

Nicht sonderlich überraschte Augenpaare mustern Liem und mich. Ich meine ein Zucken um Ethans Mundwinkel wahrzunehmen, als er mich entdeckt. Doch Jackson scheint unser Anblick nicht sonderlich zu gefallen. Wieder mit ein und demselben Ausdruck wie vorhin scheint er uns zu mustern. Als würde er sich vor uns ekeln.

Nachdem Jackson sich vom Boden erhoben hat starrt er uns weiterhin wortlos an. Die Stirn in Falten gelegt, bemerke ich, dass er nicht uns sondern explizit Liem anstarrt. Meine Augen wandern hoch zu ihm. Ein verbissener, fast schon verwirrter Ausdruck hat sich auf seinem Gesicht breit gemacht. Seine Anspannung ist zum Greifen nahe. Vorsichtig hält Liem einen Arm schützend vor mich und schiebt mich mehr oder weniger hinter sich.

Ob Liem weiß, dass es sich bei ihm um einen Kobayashi handelt?

Doch war dies nicht nötig. Die beinahe schon unbeteiligt aussehende Ayla, blickt mehr als verunsichert zwischen uns und dem sich momentan die Jacke zu recht richtende Jackson hin und her. Nachdem er dies tat, zaubert er ein weißes Taschentuch hervor, säubert sich die Hände, und lässt das nun in rot gefärbte Tuch gleichgültig zu Boden gleiten.

Er widmet uns einen letzten missbilligenden Blick, bevor er mit Anlauf, so schnell kommt mein Auge überhaupt nicht mit, aus dem geschlossenen Fenster springt. Mit einem lauten Klirren zerspringt die Scheibe und zerfällt in tausend Einzelstücke, welche klimpernd auf den teuer aussehenden Fließen Boden fallen. Ohne eine weitere Minute zu zögern folgt ihm ebenfalls Ayla.

Entgeistert weiten sich meine Augen.

Wir befinden uns hier im 6. Oder 8. Stock!

Mit einem Satz sprintet Liem in Richtung Fenster, aus welchem die beiden gerade gesprungen sind. Auch ich spute mich dorthin, bis mir einfällt, dass Ethan wahrscheinlich dringend ärztliche Versorgung benötigen könnte. Ein Blick über die Schulter bestätigt mir meine Vermutung. Röchelnd kniet er immer noch auf dem Boden und spuckt Blut.

Rasch eile ich zu ihm, um ihn zu stützen. Ich spüre wie eine warme Flüssigkeit meine Hände bedeckt, als ich ihm helfe sich aufzusetzen.

„Verdammt! Wie schlimm hat er dich erwischt?", frage ich ihn zischend. Ein Hauch an Besorgnis ist meiner Stimme zu entnehmen. Fluchend versuche ich seine Wunde durch Druckaufbau zu stillen. Doch scheint er dennoch weiterhin Blut zu verlieren. Ein Rinnsal der Angst läuft mir mittlerweile über den Rücken.

„Phoebe..", keuchend wendet er sich an mich." Besorgt sucht mein Blick den seinen. Seine giftgrünen Augen spiegeln Zuversicht wieder.

„Hör mir jetzt gut zu.." „Nein, du brauchst deine Kraft noch. Sag also nichts.", entgegne ich ihm. „Es wird bestimmt bald Hilfe kommen." „Nein! Du verstehst nicht.", vergreift er sich nun in einem bissigeren Tonfall. Was nur dazu führt, das er wieder Blut spuckt. „Du musst mir jetzt gut zuhören. Verstanden?" Der ernste Ausdruck welcher währenddessen auf seinem Gesicht liegt entgeht mir nicht.

. . .

Eine fast schon bedrohliche Aura erfüllt den Raum, als ich mich bedacht erhebe. Den Geräuschen nach zu urteilen, hat Liem dem Fenster den Rücken zugewandt und richtet seine Aufmerksamkeit nun auf mich.

„Was habt ihr beiden besprochen?" Ich zögere einen Moment bis ich ihm antworte: „Nichts. Er hatte nur etwas das mir gehört." Ein hörbares Seufzen seinerseits ertönt. „Dann lass uns schnell von hier verschwinden. Von den beiden von eben ist keine Spur mehr zu sehen." Als ich mich zu ihm umdrehe, deutet er mit einem Nicken auf Ethan. „Er muss dringend in ein Krankenhaus seinem Blutverlust nach zu urteilen."

Ich mustere Liem für einen kurzen Moment. Ein dunkler Schatten liegt über seinem Gesicht. Außerdem sieht er müde aus.

„Das ist nicht mehr nötig. Ethan ist bereits von uns gegangen."

Überrascht weiten sich seine Augen. Er scheint zu einer Antwort ansetzen zu wollen, doch bleiben ihm die Worte in der Kehle stecken.

Betrübt blicke ich zu Boden. Mit jeder weiteren Sekunde scheint die Luft noch erdrückender zu werden. Schwer liegt das Gefühl auf meinen Schultern, weshalb ich den ersten Schritt in Richtung Ausgang wage. Nachdem Liem mir folgt und vor mir die Türe passiert, blicke ich ein letztes Mal vorwurfsvoll auf die leblose Hülle von Ethan zurück. Die Hände zu Fäusten geballt, umklammere ich die Gegenstände in meiner rechten Hand ganz fest.

Entschuldige Ethan. Es war naiv von mir zu denken, dass die Dinge so einfach wären.

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