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Mittwoch 26.02.2052; 10:30 Uhr

Gerade noch konnte ich den fast schon stalkerischen Blicken meiner Nachbarin mit dem ADHS-Dobermann im Treppenhaus aus dem Weg gehen, als ich außer Puste unsere Haustür erreiche. Als die Tür in ihr Schloss fällt, schmeiße ich erschöpft meine Schultasche in die Nächstgelegene Ecke, ziehe meinen Blazer aus und lege ich ihn über den Kleiderhacken.

Da macht sich mein Magen mit einem lautstarken Grummeln bemerkbar. Erst jetzt bemerke ich was für einen großen Hunger ich habe. Seufzend öffne ich den Kühlschrank, nur um zu erkennen, dass er so gut wie leer ist. Das Einzige was mir ins Auge fällt ist ein abgelaufener Joghurt, ein gammliges Stück Käse und ein halber Liter Milch. Unmotiviert schließe ich ihn daraufhin wieder. Ich hoffe Mum geht nach der Arbeit noch einkaufen. Mit schweren Schritten schleppe ich mich nach oben in den 1. Stock. Vorbei an alten Familienfotos und dem Badezimmer. In meinem Zimmer angekommen ziehe ich die Türe hinter mir zu, und rutsche erschöpft an ihr herunter. Was für ein beschissener Tag. Mir war zwar klar das der Tag, an dem ich in einen Anschlag verwickelt sein werde, kommen mag, aber an meinem Geburtstag? Ich hatte mir das Ganze irgendwie anders vorgestellt. Nicht ganz so stressig. Und erst recht nicht mit nem hübschen Typen an der Seite. Ich schließe meine Augen, und lasse mir noch einmal alles im Kopf durchgehen.

Zuerst ging der Alarm los. Und bevor ich überhaupt reagieren konnte, zog Liem mich schon mit sich. Danach stolperte ich über diesen Jungen der am Boden lag. War es eine richtige Entscheidung ihn dort liegen zu lassen?

Anschließend verkrochen wir uns in dem Treppenhaus. Beinahe wären wir drauf gegangen, doch dann stoßen die beiden Mädchen auf den Terroristen. Nur dank ihnen konnten wir fliehen. Eigentlich hatten wir sie, ohne es zu wissen, ausgenutzt. Wir hatten es doch nicht gewusst oder?

Zweifel machen sich in mir breit. Ich glaube ich habe einige falsche Entscheidungen getroffen. Aber was hätte ich den machen sollen? Es ging Alles so schnell.

Ein bedrückendes Gefühl macht sich in meiner Brust breit, und ich habe das Gefühl, dass ich das ganze Gewicht meines Lebens mit einem Mal auf meinen Schultern trage.

Meine Beine anziehend, lasse ich missmutig meinen Kopf in meinem Schoss versinken. Ich versuche mich zu zwingen, nicht über all die Dinge nachzudenken.

Um mich abzulenken nehme mir das alte Reiseradio meines Vaters zur Hand. Stumm und leise lausche ich der Stimme, welche Name für Name die neuesten Todesfälle bekannt gibt. „Und nun zu den News. Durch den gestrigen Regen kam es in einigen Distrikten wie: Distrikt 2, 7, 13 Mororas zu einigen Überschwemmungen. Die Ursache ist ein aktuelles technisches Problem. Des Weiteren wurde heute den 26.2, ein Anschlag auf die Oberschule Paraffinum in Morora ver-" Verärgert schalte ich mein Handy auf stumm. So viel zum Thema Ablenken. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und starre minutenlang meine Zimmerdecke an. Das Sonnenlicht, welches sich in der Fensterscheibe und der Vase mit den Ringelblumen bricht, spiegelt sich dort wunderschön ab. In Rot, Grün, Gelb und Blau.

Und schon wieder versinke ich in meinen Gedanken. Schließe erneut meine Augen, und genieße die Wärme der Sonne auf meinen Wangen.

Warum nur, muss das Leben so kompliziert sein?

Da werden meine Augenlider schwerer, und schwerer, bis sie ganz zu fallen. Langsam aber sicher bin ich dabei einzunicken.

Als ich aufwache, erkenne ich verschwommen, dass ich auf dem Teppich an der Tür eingeschlafen sein muss. Die Schatten wurden länger, und das Abendrot breitet sich bereits auf dem, bis gerade eben noch blauen, Himmel aus. Wie viele Stunden mögen wohl vergangen sein? Müde reibe ich mir die Augen und muss ein Gähnen unterdrücken. Vorsichtig versuche ich mich aufzurichten.

Mist! Hätte ich nicht wenigstens im Bett meinen Geburtstag verpennen können? Warum auch noch auf dem steinharten Dielenboden?

Genervt und recht verspannt schaffe ich es zum Glück doch noch aufzustehen, und muss mich, unter vielen Anstrengungen, erst einmal strecken. Da fällt mir ein, ich habe ja noch ungemachte Hausaufgaben zu erledigen! Vielleicht habe ich ja Glück und ich muss nach dem heutigen Tag, erst einmal überhaupt keine Englisch Hausaufgaben mehr machen. Kopfschüttelnd verwerfe ich den Gedanken wieder ganz schnell. Oh Gott worüber denk ich bloß nach? Wie skrupellos und eigennützig von mir

Total demotiviert sitze ich nun vor meinen Aufgaben, den Kopf auf meiner Hand abgestützt, und weiß nicht so recht weiter. Muss ich da das „Simpel Past", oder das „Past Perfect" anwenden? Vor mich her grübelnd kaue ich auf meinem Bleistift, in der Hoffnung das mir so das Wissen zufliegt. Nur leider klappt das nicht so recht. Da ich an den Aufgaben in Englisch komplett scheitere, widme ich mich lieber den Rechnungen in Mathe von gestern. Möglicherweise kommt mir da eine Sinneseingebung. Obwohl ich auch dem sehr optimistisch gegenüber stehe.

Als ich mein Mathebuch herausholen will, kommt unter anderem ein kleiner Zettel mit herausgeflogen.

Sachte wie eine Feder schwebt er unter meinen Schreibtisch. Ist das nicht der Zettel, den ich heute früh, noch rasch in all der Hektik, mit in den Rucksack einsteckte? Der von meiner Mutter? Jetzt ist mein Interesse geweckt. Die Hausaufgaben links liegen gelassen, bücke ich mich und krieche unter den Tisch. Geschwind greife ich ihn mir, und setzte mich wieder aufrecht hin. Neugierig beäuge ich ihn zunächst einmal. Was wohl so Wichtiges geschrieben steht, das meine Mutter ihn mir zum Geburtstag zukommen lässt? Ein Familiengeheimnis, das sie mir bis heute vorenthalten hat? Oder doch nur Glückwunsche? Als ich ihn öffne, bin ich auf Alles gefasst. Nur nicht auf das, was wirklich drinnen steht.

Ein Einkaufszettel? Ihr Ernst?!

Hallo Liebes,

Alles liebe zum Geburtstag. Ich weiß zwar das du wahrscheinlich groß am feiern deines Geburtstages sein wirst, bitte dich aber dennoch einkaufen zu gehen. Da ich heute ein neues Angebot reinbekommen habe, werde ich Überstunden machen.

Hab dich lieb, Bussi

PS: Auf der Rückseite steht die Liste

Ich glaube ich kann meinen Augen nicht trauen! Jetzt? Noch einkaufen gehen? Kann sie nicht wie jeder andere normale Mensch mir ein Chat schicken? Wir leben im 21. Jahrhundert. Hätte ich gewusst dass ich heute noch einkaufen gehen muss, würde ich nicht hier sitzen, und mir hoffnungslos die Zähne an meinen Hausaufgaben ausbeißen. Abgesehen davon, klar, ich und feiern. Mit wem den?

Unmotiviert verdrehe ich die Augen. Ich komme wohl nicht drum rum. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es bereits halb sieben ist. Wenn ich mich nicht beeile schließt der Laden noch bevor ich ihn überhaupt erreichen kann. Alles stehen und liegen gelassen, befinde ich mich auch schon im Flur. Schnell schnappe ich mir unseren Einkaufsrucksack, als auch etwas Geld aus der Haushaltskasse. Rucksack, check. Geld, check. Zettel, check. Handy, check. Fahrradschloss, check. Passt! Es kann losgehen.

Trust no AssassinWhere stories live. Discover now