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Freitag 18.04.2052; 14:44 Uhr

Nach 2 Wochen kam es nun auch dazu, dass meine Mutter von uns erfuhr. Jedes Mal wenn er mich abholt schaut sie mich mit einem neugierigen "Ich-weiß-was-bei-euch-abgeht" Blick an. Anscheinend hat unsere stalkerisch veranlagte Nachbarin wirklich etwas ausgeplaudert.

Vorgestern hatten wir abgemacht, dass wir auch heute etwas nach unserem Nachmittagsunterricht unternehmen wollen. Doch wenn ich Liem so betrachte, während er mich sachte im Arm hält und durch die Turnhalle führt, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es nicht doch eine bessere Idee wäre das Treffen zu verschieben.

Er gibt mir das Gefühl, als würde er sich gerade in einer komplett anderen Welt befinden, nicht hier bei mir. Als wäre er total gestresst und zu gleich abwesend.

„Hey, alles in Ordnung bei dir?", versuche ich das Gespräch vorsichtig zu beginnen. Doch keine Reaktion. „Hallo, Liem?", frage ich nun etwas deutlicher. Wie als hätte ich ihn aus seinem Jahrhundertschlaf von Dornröschen wach gerüttelt, guckt er mich nun fragend an.

„Ich habe dich gefragt, ob alles okay bei dir ist.", wiederhole ich meine Frage erneut.

„Jaja, alles okay. Es ist nur.. " Er scheint für einen kurzen Moment zu überlegen, bis er den Kopf schüttelt und mir eines seiner verschmitzten nur allzu vertrauten Grinsen schenkt.

„Mir geht es gut, du brauchst dir keine Sorgen machen." Vielsagend hebe ich meine Augenbrauen bis zum Haaransatz. „Wirklich nicht.", versichert er mir abermals.

Für den Moment glaubte ich ihm. Doch der darauffolgende angespannte Zug um seine Lippen war mir nicht entgangen.

Als sich unsere Tanzstunde dem Ende neigt loben Frau und Herr Smirnow unsere Vorführung, so wie jeden Freitag, und geben mir hier und da noch ein paar Verbesserungs-Tipps.

Als ich danach aus der Umkleide trete, wartet Liem bereits auf mich. Lässig lehnt er an der Wand. Die Hände in die Taschen unseres Schulblazers gesteckt. Sein Hemd, welches er darunter trägt, ist oben leicht aufgeknöpft. Meine Augen bleiben an seinen dunklen Wimpern hängen, nachdem er seinen Blick vom grauen Schulflur löst, und auf mich richtet.

Für einen kurzen Augenblick starrt er mich, wortwörtlich genommen, mit einem bohren Blick an, welcher regelrecht irritierend ist. Doch, weicht dieser sofort einem liebevollen, warmen.

Was ihm wohl auf dem Herzen liegt?

„Können wir?", frägt er und deutet dies zusätzlich mit einem Nicken Richtung Ausgang an.

Gemächlich schlendern wir übers Gelände bis zum Parkplatz, auf welchem er sein Motorrad abgestellt hat, entlang.

Bis ich die Frage stelle, welche mir bereits seit 2 Wochen im Kopf rumschwirrt.

„Du sag mal, es gibt da etwas was ich dich schon die ganze Zeit lang fragen wollte."

„Mhh?"

Flüchtig beiße ich mir auf die Unterlippe, unsicher ob ich wirklich fragen soll.

„Wo hast du eigentlich den Pass für die Barriere her?"

Jetzt ist es raus. Ich habe nachgefragt.

Ich hätte schwören können, aus dem Augenwinkel zu erkennen, wie Liem sich für einen kurzen Moment lang versteift.

Nach einem tiefen Seufzen setzt er endlich zu meiner lang ersehnten Antwort an.

„Es ist so, der Ausweis war geliehen. Von meinen Eltern."

„Und weiter?"

„Tja..."

Es scheint so als würde er zögern. Angespannt fährt er sich mit seiner Hand durch die Haare.

„Meine Eltern sind relativ bekannte Politiker. Von daher ist es natürlich, dass sie einen Pass nach draußen haben."

Perplex halte ich für einen kurzen Moment lang inne.

„Warum hast du mir nie davon erzählt.", hake ich ein wenig verletzt nach, da ich davon nichts wusste.

„Das liegt daran, dass ich nicht gerne darüber rede."

„Da hast du was mit Ethan gemeinsam.", flüstere ich mehr zu mir selbst.

Es ist offensichtlich, dass ihm das Thema unangenehm ist. Einerseits tut es mir leid, dass ich nachgefragt habe. Andererseits hat kaum ein Normalsterblicher, den ich kenne, solch einen Pass. Da ist es natürlich, dass man neugierig wird. Außerdem stelle ich wieder einmal fest, dass ich kaum etwas über ihn weiß.

Meinen Gedanken noch nachhängend, wechselt er bereits das Thema.

„Warum warst du während unseres Trips außerhalb letzten Endes eigentlich doch noch so überzeugt, dass es sich um keinen Traum handelt?"

Kurz bin ich überrascht, dass er wirklich diese Frage stellt.

„Beschäftigt dich das?", frage ich belustigt.

Daraufhin schenkt er mir einen provokanten kurzen Seitenblick.

„Das lag daran, dass mir niemals im Traum eingefallen wäre dich zu küssen."

„Aber genau genommen habe ich dich doch geküsst."

„Das ist dasselbe in grün."

„Ach echt?"

„Ja."

„Na wenn das so ist, küss mich."

Überrumpelt halte ich inne und bleibe wie angewurzelt stehen. Das kam eindeutig zu plötzlich.

„Wa-Warte mal. Jetzt?"

„Ja klar. Du hast doch behauptet, es sei dasselbe." Amüsiert verziehen sich seine wohlgeformten, zum Küssen einladenden Lippen zu einem Schmunzeln. Erwartungsvoll beugt er sich zu mir herunter und schaut mir mit einem herausfordernden Blick in die Augen.

Rasch sammele ich mich, ordne meine Gedanken und trete ihm näher.

Langsam schließe ich meine Augen und näher mich ihm. Vorsichtig und unsicher legen sich meine Lippen auf die seine. Nach und nach zieht er nach, und lässt mich machen. Während seine Hände mich an der Taille halten, platziere ich meine um seinen Hals.

Meine Sinne werden von seinem intensiven Geruch vernebelt, als sich der Griff seiner gut trainierten Arme verfestigt und er mich besitzergreifend an sich zieht.

Nachdem wir uns wieder voneinander lösen, schauen wir uns tief und eindringlich in die Augen. Ich spüre, wie mein Gesicht, vor Verlegenheit, wieder einmal heiß und rot wird.

Phoebe! Reiß dich zusammen!

Meinen Gedanken nachhängend muss ich schmunzelnd und zugleich erleichtert daran denken mir keine weiteren Sorgen bezüglich meiner Frage zu machen. Plus Punkt für mich ist, dass ich etwas Neues über seine Familie erfahren habe.

Kurz darauf kommen wir auch schon am Parkplatz an. Er meint entschuldigend, dass wir unseren Nachmittagsausflug leider verschieben müssen. Und er mich heute auch nicht mitnehmen könnte. Da er noch etwas Wichtiges zu erledigen hätte. Mit einem Lächeln winke ich ab. Und antworte: „Ich komme auch alleine Nachhause. Also Alles im grünen Bereich.", und zeige ihm zusätzlich noch zwinkernd einen Daumen nach oben.

Als ich kurz davor war mich abzuwenden, um den Bus aufzusuchen, höre ich noch rechtzeitig wie er meinen Namen ruft. Abrupt drehe ich mich um.

„Ich liebe dich!", ertönt von weitem. Überrascht weiten sich meine Augen. Nach sekundenlangem Überlegen antworte ich: „Ich denke, ich dich auch!"

„Wie charmant. Kannst du nicht einfach ehrlich zu dir selbst sein, und sagen, dass du mich liebst?"

Daraufhin grinse ich wie ein Honigkuchenpferd, winke ihm ein letztes Mal zu, und wende mich ab.

Trust no AssassinWhere stories live. Discover now