-33-

3 1 0
                                    

Freitag 02.05.2052; 16:44 Uhr

All die Geräusche und Wahrnehmungen überfluten mich mit einem Mal. Fast schon zu Stein erstarrt, unfähig mich zu bewegen, versuche ich die Geschehnisse von gerade eben zu verarbeiten. Doch Zeit dazu finde ich nicht. Denn nur einen Moment später höre ich einen dumpfen Ton. Angstverzerrt blicke ich mich um, auf der Suche nach wem oder was dieses beunruhigende Geräusch verursachte. Letztendlich bleibt mein Blick auf dem Regierungsgebäude hinter Liems Rücken hängen. Meine Augen weiten sich panisch.

Das Gebäude.. es sackt zusammen.. Es wird jede Sekunde auf uns herab stürzen!

Hektisch versuche ich Liem auf unser ganz großes Problem aufmerksam zu machen, versuche gegen den Lärm mit meiner Stimme anzukommen, ihn an der Hand zu nehmen, bis er derjenige ist, welcher versucht mich von dem Unfallsort weg zu zerren.

Aber ich halte einen Moment lang inne, als ich ein paar Schritte von mir entfernt einen kleinen verlorenen Jungen in der Menge ausmache.

Er wird jede Sekunde überrannt werden!

„Hast du überhaupt verstanden in was für einer Situation wir uns befinden?! Wir alle! In solchen Momenten ist man auf sich selbst gestellt! Du kannst hier gerade niemandem helfen!"

Es ist als würde die Zeit still stehen, als ich an Liems Worte von dem Anschlag von vor 2 Monaten auf unsere Schule denke. Der Gedanke an das Gefühl, welches sich danach in meiner Brust breit gemacht hat. Das schlechte Gewissen nicht geholfen zu haben, obwohl man hätte helfen können. Das belügen eines selbst!

„Oh, doch. Und wie ich das kann!"

Entschlossen stürme ich vor. Auch wenn ich kaum gegen den Strom an kreischenden Menschen ankomme, einen Versuch ist es definitiv wert! Als meine Hand der von Liems entgleitet, spüre ich wie er verzweifelt versucht abermals nach ihr zu greifen. Doch vergeblich. Als ich einen kurzen Schulterblick wage, trifft mein Blick direkt den seinen Blick.

Angst spiegelt sich in seinen Augen wieder. Das ist es. Angst um mich? Vielleicht.

Doch schneller als gedacht, geht er in der Masse unter.

Meinen Fokus wieder auf den kleinen Jungen gelegt, wate ich zielstrebig in seine Richtung. Je näher ich ihm komme, desto verwirrter und orientierungsloser kommt er mir vor. Von Menschen umhergeschubst, welche keine Rücksicht auf ihn nehmen, nur um ihre eigene Haut zu retten.

„Hey Kleiner, nimm meine Hand!", versuche ich gegen das Getöse zu ihm hin durchzudringen. Er blickt mich mit großen wässrigen Augen an, und scheint kurz zu zögern. Daraufhin versuche ich ihm ein aufgezwungenes Lächeln zu schenken. Doch ob es Sicherheit vermittelt während ich am ganzen Körper zittere, weiß ich nicht.

Unsicher greift er nun doch nach meiner Hand. Entschlossen seine nicht los zu lassen und ihm zu helfen, versuche ich angestrengt in der dichten Menge selbst nicht unterzugehen.

Als ich einen kurzen Blick auf das wackelnde ungesicherte Ungetüm hinter uns erhasche, staut sich Panik in mir an. In meinem Kopf pocht es wie verrückt, nachdem ich erkenne, dass der obere ungesicherte Teil des Gebäudes gerade dabei ist auf uns hinunter zu stürzen.

Einen Ausweg! Wir brauchen einen Ausweg!

Vereinzelte Brocken an Gestein beschießen bereits die Sinnflut aus Menschen. Plötzlich stürzt einer keine 2 Meter von uns herab. Meine Augen weit aufgerissen, verschnellert sich abrupt mein Atem. Panisch ziehe ich den Kleinen noch näher an mich als ich das umherspritzende dunkelrote Blut betrachte. Am Boden. Auf meiner Kleidung. Einfach überall. Meinen Blick dem Jungen zugewendet erkenne ich sein angstverzerrtes Gesicht. Blutverschmiert starrt er wie versteinert die Unfallstelle an.

Verzweifelt weiche ich zurück. Meine Augen zucken wild von links nach rechts auf der Suche nach einem Ausweg.

Einen Ausweg. Einen Ausweg!

Plötzlich fallen mir Liems Worte wieder ein.

„Allein die Wände dort bestehen aus stabilstem Titanium."

Das heißt wenn der obere Teil zerstört wurde, müsste der untere Teil des Gebäudes dennoch weiterhin bestehen bleiben und sicher sein!

Ohne lange zu zögern schnappe ich mir den Jungen nehme ihn auf den Arm und renne gegen den Strom von Menschen an. Je näher ich dem Regierungsgebäude komme, desto leerer wird der Platz. Bis schlussendlich sich niemand mehr um uns herum befindet.

In Windeseile sprinte ich in Richtung Eingang, drücke die schwere Glastür auf und falle vor Erschöpfung auf die Knie. Das Kind immer noch im Arm haltend. Mein Atem geht schnell. Mein Herz rast.

Keuchend setzte ich es ab, während ich mir den Schweiß und das Blut aus dem Gesicht wische.

„Alles Okay bei dir?", frage ich erschöpft. Er blickt mich mit großen Augen an und nickt stumm. Erleichtert lege ich den Kopf in den Nacken.

Wenigstens Etwas..

„Phoebe? Was machst du hier?"

Diese Stimme!

Überrascht blicke ich empor. Rotes Haar macht sich in meinem Blickfeld bemerkbar. Mit raschen Schritten kommt sie auf mich zu, reicht mir eine helfende Hand um aufstehen zu können. Ein breites Grinsen umspielt ihre Lippen. Schätzend ergreife ihre und richte mich tief einatmend auf. Dankbar versuche ich ihr ebenfalls ein Lächeln zu schenken, doch wird dieses wahrscheinlich eher einer Grimasse ähneln.

„Hey Ayla, schön ein bekanntes Gesicht zu sehen.", begrüße ich sie erschöpft, dennoch zugleich auch verwirrt. „Du kamst wohl auf dieselbe geniale Idee wie ich Phoebe, dass es im Regierungsgebäude am sichersten ist, nicht wahr?" „Ja, zum Glück. Wenn auch ein wenig spät.", gestehe ich nicht sehr selbstüberzeugt. „Und der Junge? Wer ist er?" „Ich weiß nicht. Er wirkte draußen in der Masse so verloren, da dachte ich.." „Das du ihm helfen musst?", nickend bejahe ich ihre Frage. Die Hände in die Hüfte gestemmt, nickt sie ebenfalls. „Glaub mir, das war die richtige Entscheidung. Du hättest es sonst Jahre später noch bereut."

Dass ich dieses Gefühl der Reue bereits kenne, behielt ich für mich.

Motiviert kniet sie sich zu dem Jungen auf den Boden, welcher mittlerweile schüchtern Schutz hinter meinen Beinen sucht. „Na du? Wie heißt du denn? Mein Name ist Ayla schön dich kennenzulernen.", strahlt sie ihn breit Grinsend an.

„J-Jorie.." „Ahh, welch ein schöner Name! Hat ihn dir deine Mama gegeben?" Wieder nickt er. Doch dieses Mal selbstbewusster. „I-Ich möchte zu meiner Mama." „Keine Sorge, wir bringen dich nachher zu deiner Mama.", zwinkert sie ihm aufmunternd zu.

Nachdem sie sich aufrichtet blickt sie mir bereits ernster in die Augen.

„Es sind noch ein paar Weitere, welche Zuflucht in dem Gebäude gesucht haben. Liem ist übrigens auch unter ihnen."

Liem? Woher kennt sie Liem?

„Wenn du magst bringe ich dich zu den Anderen." Verwirrt runzele ich die Stirn. Ohne eine Antwort zu geben richtet sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Jungen, nimmt ihn bei der Hand, und läuft ohne weiteres los.

Trust no AssassinWhere stories live. Discover now