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Mittwoch 26.02.2052; 09:40 Uhr

„Ich bin mir sicher, dass ihr ein sehr interessantes Gespräch führt, aber etwas dagegen, wenn ich mir Phoebe kurz ausleihe?" ,frägt er die zwei gelassen mit einem provokativem Unterton, und drückt mich noch näher an sich heran, um seine Aussage noch einmal zu verdeutlichen. „N-Natürlich nicht, Klassensprecher!", antwortet die bis gerad eben noch so taffe Cloe, und zuckt zusammen. Im Gegenteil zu Amy. Sie steht immer noch selbstbewusst mit verschränkten Armen vor uns. Doch als sie bemerkt das Ethan und sie dieses Mal nicht auf derselben Seite stehen, gibt sie ein missbilligendes Geräusch von sich, und widmet uns noch einen letzten Blick, welcher töten könnte. Danach dreht sie sich um, wirft ihr orange gefärbtes Haar nach hinten und geht. Die immer noch verdatterte Cloe starrt ihrer Freundin hinterher, bis Ethan sein Wort ein letztes Mal an sie richtet: „Ich hatte schon mit dem schlimmsten gerechnet." Fragend wie weit er wohl gegangen wäre, blicke ich zu ihm hoch. Ein triumphierendes Lächeln liegt auf seinen Lippen. Doch gleichzeitig erkenne ich dass, hinter diesem Grinsen, ein Teufel seine Pläne schmiedet. So wie er Cloe ansieht. Abstoßend. Als würde er sich vor ihr ekeln. Meinen Blick wieder auf sie gerichtet, bemerke ich wie sich Angst in ihren Augen wiederspiegelt. Obwohl sie es sich selbst eingebrockt hat, tut sie mir fast ein wenig leid.

Da ertönt ein Ausruf von weitem: „Cloe! Wo bleibst du?!" Doch Cloe ist zu einer eisigen Statue geworden. Denn sie starrt immer noch geschockt den, selbst mir, angsteinflößenden Ethan an. Als ich mich von ihm lösen will, um ihr zu sagen dass alles in Ordnung sei, scheint sie aus ihrer Starre zu erwachen. Kopfschüttelnd weicht sie zurück, und stolpert rückwärts den Weg aus dem Klassenzimmer hinaus, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwunden ist.

Ethan Parker, neunzehn Jahre alt, und ist obwohl er die einzige Person welcher ich vertraue, kein Freund von mir. Außerdem ist er Klassensprecher unserer Klasse. Und das nicht ohne Grund. Viele Schüler respektieren und bewundern ihn. Genau wie Amy, hat er ebenfalls schon blutbefleckte Hände, und ist gemeinsam mit ihr und ein paar weiteren Mitschülern Mitglied eines Unternehmens, welches für Geld Aufträge annimmt. Mordaufträge. Zumindest geht das Gerücht herum. Doch bezeugen kann es schlussendlich doch niemand. Müsste ich ihn beschreiben, kann man ihn sich am besten als einen typischen „Skater Boy" vorstellen. Dunkelblonde lockige Harre, grüne Augen, ein markantes Gesicht, gut aussehend und ein gepflegtes Auftreten. Da seine Familie viel Geld hat könnte er sich alle möglichen Dinge kaufen. Doch nicht Ethan. Er will lieber auf eigenen Füßen stehen und lebt daher wie er es selbst nennt „simpel". Da er sich hochwertigere Kleidung nicht von seinem eigenen Unterhalt leisten kann, trägt er eher legere Klamotten. Aber selbst die scheinen nicht an seinem guten Aussehen zu kratzen.

„Warum bist du so spät dran Ethan? Normalerweise bist du immer pünktlich zur 1. Stunde da." Mir entfährt ein Seufzer, als ich mich mit verschränkten Armen zu ihm umdrehe. „Ich weiß, ich musste aber bis spät abends gestern noch arbeiten und hab als Resultat heute verschlafen." Immer noch müde unterdrückt er sich streckend ein Gähnen. Vorwurfsvoll mustere ich ihn. „Weißt du was heute für ein Tag ist?" Stirnrunzelnd antwortet er: „Ne, warum? Steht heute etwas Wichtiges an?" Nachdem ich ihn für einen kurzen Moment anschweige, wandert sein Blick hinab zu dem glänzenden Schmuckstück an meinem Handgelenk. „Oh shit dein Geburtstag." Enttäuscht von sich selbst massiert er sich die Stirn und entschuldigt sich daraufhin. „Sag mir bitte, wie ich es wieder gut machen kann. Und-", ein gefährliches Blitzen leuchtet in seinen Augen, „Magst du mir nicht viel lieber verraten wer dein Zielobjekt ist?" Von der Müdigkeit zuvor ist nicht mehr viel zu sehen als sein wissensbegieriger Blick mich nahezu durchlöchert. Nachdenklich komme ich ihm näher. Als ich einen Entschluss getroffen habe, stelle ich mich auf meine Zehenspitzten und flüstere ihm: „Das bleibt mein kleines Geheimnis.", ins Ohr.

„Was bleibt dein kleines Geheimnis?" frägt eine kalte Stimme hinter mir. Mein Herz fängt an zu rasen. Verdattert fahre ich herum. Vor mir steht Liem mit Händen in den Hosentaschen und seinen eisig festen Blick auf mich gerichtet.

Wie? Wie? Wie konnte er das verstehen? Hat er etwa ein so gutes Gehör? Unmöglich.

Ein ebenfalls verwirrter Ethan frägt mich: „Phoebe? Wärst du so freundlich uns bekannt zu machen? „Äh- ja, natürlich, klar. Wenn ich vorstellen darf. Ethan das ist Liem Brown der Neue. Frau Lang sprach gestern bereits über ihn. Erinnerst du dich? Liem das ist Ethan Parker. Er ist unser Klassensprecher. Doch da er heute verschlafen hat kam er erst gerade eben. Was natürlich sehr vorbildlich als Klassensprecher ist, wenn ich das mal so nebenbei erwähnen darf." Und mustere Ethan vorwurfsvoll. „Ja, ist ja gut Phoebe, ich hab es ja verstanden es reicht wenn du es einmal erwähnst.", kritisiert er mich genervt.

„Aber du hast doch heute ebenfalls verschlafen, wenn ich mich richtig erinnere.", meldet sich Liem zu Wort. Meine Mimik ändert sich von der einen zur nächsten Sekunde und ich schaue ihn mit einem durchdringenden Blick an. Nur um zu merken das er mich immer noch so intensiv mustert. Auf meine Reaktion hin hält er entschuldigend die Hände hoch. „Habe ich was Falsches gesagt?" frägt er entschuldigend in die Runde. Ethan und ich antworten gleichzeitig. „Ja!" „Nein." ... Der nun nur noch verwirrtere Liem schaut mich fragend an. „Phoebe?" Daraufhin antworte ich gereizt: „Ich glaube wir müssen mal kurz unter vier Augen reden. Wenn du so freundlich wärst uns kurz zu entschuldigen Ethan?", ich warte seine Antwort gar nicht ab, schnappe mir meine Schultasche, da wir jetzt Sport haben, und zerre Liem, am Arm festhaltend, mit mir in den Schulgang. Dabei bemerke ich aber nicht den skeptischen Blick Ethans, welcher nahezu stechend auf uns gerichtet ist.

Meinen Gedanken nachhängend, könnte ich schwören dass meine Wangen rot sind. So sehr wie sie glühen. Mist! Schon das zweite Mal an diesem Tag. Und dann auch noch wenn der Neue anwesend ist. Mit der einen Hand immer noch Liem hinter mir her ziehend, scheuche ich ihn durch die Gänge. Einfach nur weg von unserem Klassenzimmer. Mit der anderen Hand bedecke ich mein Gesicht. Zumindest sofern das in dem ganzen Trubel möglich ist. Erst jetzt realisiere ich, dass ich seine Hand halte. Für einen Moment halte ich inne um mir der ganzen Situation bewusst zu werden. Ich, seine Hand haltend, ihn hinter mir her schleifend, wie in einem Liebesdrama. Vor Aufregung vor dem mir noch Unbekannten breitet sich Wärme in mir aus, meine Hände fangen an zu schwitzen und das Ganze fängt an unangenehm werden. Um nicht auf komplett falsche Gedanken zu kommen, lasse ich seine Hand genauso schnell wieder los, wie es mir in den Sinn kam überhaupt erst nach ihr zu greifen. Da drängt sich jemand zwischen uns beide, und ich verliere den Kontakt zu Liem. Ich drehe mich um, meine Augen nach ihm suchend. Doch meine Sicht ist unglücklicherweise eingeschränkt, weshalb es mir nicht möglich ist ihn in der Menge auszumachen.

Naja egal dann klären wir das halt eben wann anders.

Aber als ich mir meinen Weg weiter, Richtung Sporthalle, durch die Menschenmasse bahnen wollte, greift eine kräftige Hand nach der meinen, und zieht mich zu sich. Meinen Blick nach oben gerichtet erkenne ich die markanten Gesichtszüge von Liem. Ein leichtes Zucken regt sich um seine Mundwinkel. Ich glaube einen Funken an Neugier in seinem starr auf mich gerichteten Blick erkennen zu können. „Alles okay bei dir? Du wolltest mir doch noch etwas unter vier Augen sagen." Ich stocke. Wenn er so weiter macht läuft mir noch Sabber aus meinen Mundwinkeln. Und so viel zum Thema Abstand halten Phoebe.

Das Einzige was ich auf seine Frage hin zustande bringe ist ein verwirrtes Lächeln und ein Satz wie dieser: „N-Nicht so wichtig" Dennoch scheint er sich mit der Antwort zufrieden zu geben. Erst da realisiere ich meine Lage. Ich in seinen Armen. Sein Körper wie mein Schutzwall. Seine Muskeln unter meinen Händen. Sein lieblicher Duft. Er bringt mich noch um den Verstand!

Wir beide stehen einfach unbeteiligt mitten im Gang und halten eigentlich alle auf. Doch das war in dem Moment einfach egal. Denn obwohl es sich so unbekannt anfühlt, ist es trotzdem irgendwie richtig. Ein leises Gefühl, er würde mich fester an sich drücken, beschleicht mich. Doch das könnte auch nur Einbildung sein. Leider ging dieser Moment viel zu schnell vorbei. Denn als die Alarmglocke, welche einen Anschlag ankündigt, bimmelte, war die Hölle los.

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