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Freitag 28.02.2052; 14:32 Uhr

„Madam, dürfte ich sie zu einem Tanz auffordern?" Überfordert mit der Situation blicke ich seitlich zu Liem hinüber. Einmal nach links und nach rechts schauend um mich zu vergewissern das er auch wirklich mich meint, blicke daraufhin in seine klaren blauen Augen. „Meinst du mich?", frage ich zögerlich und zeige auf mich. Seine Antwort darauf ist deutlich. Er verdreht einmal aussagekräftig seine Augen, und antwortet eintönig: „Ne, die alte Dame die am Eingang steht." Nun komplett verwirrt schaue ich in Richtung Eingang. „Aber, da ste-" „Natürlich meine ich dich.", meint er lächelnd wie aus dem Nichts, und schnippst mir spielerisch gegen die Stirn. Nachdem bei mir der Groschen fiel, und ich bemerke, dass er es nur ironisch meinte, hatte ich schlussendlich keine große Wahl mehr. Die meisten Paare haben sich bereits zusammengefunden, weshalb ich schlecht ablehnen kann, ohne letztendlich ohne Partner dazustehen. Also stimme ich, wenn auch noch sehr verwirrt, zu.

„Fünf, sechs, sieben, acht, fünf, sechs, sieben, acht.", klatsch Frau Smirnow im Takt des vor sich her säuselnden Liedes mit. „Fünf, sechs, sieben, acht. Kontrolliert bitte ob eure Haltung auch stimmt, ja? Denkt daran, Aufrechter Stand und Position von Schultern und Füßen sind das A und O im Tanzen."

Mal hier mal da schaut sie sich die Paare an und gibt Verbesserungs-Tipps, dann klatscht sie wieder im Takt mit, oder zeigt uns eine neue Stellung. Doch gerade bin ich dabei das Alles auszublenden. Hochkonzentriert achte ich darauf, dass meine Schritte und Fußstellung stimmen, und mir kein peinlicher Ausrutscher passiert. Geschweige denn ich Liem auf den Fuß trete. „Dein linker Arm muss höher." Verbessert mich mein Tanzpartner. Aus meinen Gedanken gerissen schaue ich überfordert zu ihm hoch: „Wa-was?" Und natürlich muss es passieren. Wie ein Trampeltier das nicht ganz genau weiß wohin mit seiner Ganzen Masse, steige ich ihm auf seinen Fuß. Ein leises Zischen seinerseits. Augenblicklich weiche ich einen Schritt von ihm zurück. „Oh Gott, entschuldige bitte, das war nicht meine Absicht.", Gestikuliere ich wild mit meinen Händen und bin mir unsicher wie ich mich verhalten soll.

„Ist nichts passiert.", antwortet Liem, den Schmerz hinter einem verhaltenen Lächeln versteckend. Betreten schaue ich zu Boden, und tapse nervös von einen auf den anderen Fuß.

Er scheint kurz zu zögern, bis Liem mir plötzlich seine Hand auffordernd anbietet. „Vertraust du mir?", waren seine einzigen Worte, welche er daraufhin an mich richtet. Meine Augen weiten sich. Unsicher erhasche ich einen Blick auf sein Gesicht. Seine glasklaren Augen ziehen meine magisch an. Sie verströmen ein Gefühl von Geborgenheit, aber auch Etwas was ich noch nicht recht deuten kann. Dieses unergründliche Etwas bei Seite geschoben, antwortete ich knapp und nur für uns verständlich, "Ja, dieses eine Mal."

Doch das es bei diesem einen Mal nicht bleiben wird, war ich mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.

Vorsichtig schiebt er seinen Arm um meine Taille und hebt den anderen um sanft nach meine Hand zu greifen.

Den Rahmen unserer Arme nun höher angesetzt, unsere Fußstellung in eine andere Position gebracht und seine rechte Hand nun etwas weiter oben auf meinem linken Schulterblatt. Alles geschieht in urplötzlichem Tempo. Unser Zusammenspiel fühlt sich sicherer und stabiler an, und meine Hände scheinen auf einmal da zu liegen, wo sie sein sollten. Ich selber weiß nicht genau wie mir geschieht. Unsere Blicke treffen sich für einen kurzen Moment. Selbstsicher und voller Ehrgeiz sieht er auf mich herab. Das helle blau seiner Augen immer noch in Gedächtnis, wende ich gekonnt meinen Blick ab.

Sachte und graziös vollziehen wir Drehung für Drehung im Takt der Musik. Obwohl wir nur Standards tanzen, fühlt sich das Alles so anders an. Als ob wir noch zwanzig verschiedene Figuren in unseren Tanz einbauen würden. Nein, eigentlich ist es nur Liems Tanz. Ich mache nämlich rein gar nichts. In dem jetzigen Moment gebe ich mich nur einzig und alleine Liem und dem Klang der Melodie hin. Den Rest meistert er ganz von selbst. Ohne irgendwelche Anstrengungen.

Nachdem die Musik verstummt, sind wir gerade dabei die letzte Drehung zu vollführen. Wie als hätte ich die ganze Zeit über angestrengt die Luft angehalten, atme ich plötzlich schneller ein und wieder aus. Ich hätte nie gedacht, dass Tanzen so anstrengend sein kann. Und dennoch hat es ein wenig Spaß gemacht.

Ich bemerke wie der Blick von Liem auf mir liegt, und schaue lächelnd nach oben. Auch er blickt mich mit einem schiefen Lächeln an. Ich blicke in diese unglaublichen eisigen Augen und bin fassungslos darüber, wie er mich so zärtlich halten konnte.

Erst jetzt bemerke ich, dass ich all meine anderen Mitschüler ausgeblendet hatte. Klatschend kommen Frau und Herrn Smirnow auf uns zu. „Ochen' zdorovo, ich bin beeindruckt. Das habt ihr sehr gut gemacht meine Täubchen, sehr gut, sehr gut." Sie kann gar nicht mehr aufhören unsere Vorführung in den höchsten Tönen zu loben. Auch ihr Mann kommt auf uns zu und schenkt uns einen Blick der Anerkennung. Natürlich ist es schön von so guten Tänzern wie ihnen gelobt zu werden, aber wie bereits erwähnt, es war nicht mein Verdienst.

Ich bemerke wie Liem gerade dabei ist sich abzuwenden, halte ihn aber davon ab, indem ich kurzerhand nach seiner Hand greife. Daraufhin sieht er mich mit einem überraschten Gesichtsausdruck an. Nachdem ich begriff was ich gerade getan hatte, hätte ich mir für meine unüberlegte Aktion selber Eine schellen können.

Da mich aber wirklich interessiert warum er hier ist, obwohl er doch so gut tanzen kann, wende ich mich unsicher erneut an ihn. „Warum bist du wirklich hier?" Als Antwort darauf zieht er einfach nur eine seiner Augenbrauen hoch und schaut mich fragend an: „Das sagte ich doch bereits. Um tanzen zu lernen." Er schenkt mir noch ein einen seltsamen Gesichtsausdruck, gefolgt von einem leichten Zucken um seine Mundwinkel, bis er sich von mir abwendet und in der Jungenumkleide verschwindet.

Stehen gelassen schaue ich Liem mit einem wissensbegierigen und doch misstrauischen Blick hinterher.

Trust no AssassinWhere stories live. Discover now