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Dienstag 11.03.2052; 08:53 Uhr

Nach dem Vorfall zwischen Ethan und mir sind jetzt genau zwei Tage vergangen. Ich hatte niemandem etwas davon erzählt. Nicht einmal meiner Mutter hatte ich es gesagt, dass er es war, welcher meinen Vater tötete. Wer weiß was sie sonst getan hätte.

Gedankenverloren lasse ich meinen Blick durch die Klasse schweifen. Ethan ist nicht zu sehen. Er kam schon gestern nicht zur Schule. Starr aus dem Fenster schauend, erkenne ich mein blasses Spiegelbild darin. Der wolkenbedeckte Himmel lässt Alles nochmal deprimierender wirken, als es eh schon ist. Diese trübe Stimmung im Klassenzimmer, das Knirschen der Kreide auf der Tafel, und der starke Geruch des Parfums, welches den Zigarettengeruch meiner Lehrerin überdecken soll. Der Tag kann nicht mehr wirklich schlimmer werden. Nach Stundenende richte ich meine Schulutensilien für unser nächstes Fach Mathematik heraus.

Aus dem Augenwickel heraus, bemerke ich, wie Frau Lang bereits das Klassenzimmer betritt. Gelangweilt schaue ich nach vorne, den breiten Rücken von Liem in meinem Blickfeld. Stimmt ja, auch er weiß nicht über Ethan Bescheid. Doch nach der Sache bezweifele ich, dass ich jemals wieder jemandem so leichtsinnig vertrauen werde. Ihn mit eingeschlossen.

Als sich unsere Lehrerin uns zuwendet, bekomme ich plötzlich ein mulmiges Gefühl im Magen. Etwas stimmt nicht. Meinen Blick nun direkt auf sie fokussiert mustere ich sie für einen kleinen Moment. Sie sieht anders aus als sonst. Teilnahmeloser. Ruhiger. Distanzierter. Außerdem trägt sie ihren pinken Rock mit Katzen. Das tat sie nie wieder, nachdem man sie deshalb auslachte. Diese eine Person hatte danach auf jeden Fall ordentlich Ärger kassiert, so viel weiß ich noch.

Leise steht sie vor der Tafel, und wartet darauf, dass Ruhe in die Klasse einkehrt. Nach dem dies geschah, atmet sie einmal tief durch, und blickt uns alle mit einem wehmütigem Blick an.

„Mir wurde Tragisches gestern Abend zugetragen,", fängt sie langsam an „dass einer unserer Schüler von uns gegangen ist. Und zwar Ethan Parker.", beendet sie ihren Satz. Schluchzend holt sie ein Taschentuch hervor, um sich die aufkommenden Tränen wegzuwischen.

Mir bleibt die Luft weg. Meine Augen weiten sich, und mein Körper fällt in einen Schockzustand. Ethan? Ethan soll tot sein? Der Ethan mit dem ich vorgestern noch sprach? Das kann nicht sein, das ist unmöglich.

„A-angeblich, soll er Selbstmord begangen haben.", Redet unsere Lehrerin weiter. „Und nicht nur das, seit vorgestern wird auch Amy Schmidt vermisst."

Langsam bin ich dabei all das zu verarbeiten.

Ethan soll Selbstmord begangen haben? Ist es wegen mir? Wegen dem was geschah? Nein, das passt nicht zu ihm. Er ist nicht der Typ, der wegen solchen Kleinigkeiten Selbstmord begehen würde. Zumindest dem nach zu urteilen, wie ich ihn eingeschätzt hatte. Doch nach der Sache von Samstag, würde ich ihm Alles zutrauen, nachdem ich mich schon einmal in ihm getäuscht habe. Dennoch, da stimmt doch was nicht.

Abgesehen davon, ist mir überhaupt nicht aufgefallen das Amy fehlt. Aber jetzt wo sie es sagt. Ihr Platz ist leer, und Cloe sieht aus, als hätte sie Nächte nicht durchgeschlafen.

Immer noch fassungslos schweige ich vor mich hin. Meinen Gedanken nachhängend.

„Seien wir so gut, und widmen ihm eine Schweigeminute." Diese eine Bitte hätte sie gar nicht erst aussprechen müssen. Denn sie hat nicht nur mich sondern die ganze Klasse mit diesen Infos überrumpelt. Alle schauen sie überrascht, fassungslos und entgeistert drein.

Leise konnte man unsere Lehrerin unsinnige Stoßgebete aussprechen hören, wie: „Bitte lieber Gott, lass dies einen Einzelfall gewesen sein."

Nach dem Unterricht schlendere ich nach draußen, auf dem Weg nachhause. Ist es möglicherweise meine Schuld gewesen, dass er gestorben ist? Nein, ich sollte mir keine Schuld geben. Ich habe nur die Wahrheit erfahren, das ist Alles. Und wenn er sich deswegen schlecht gefühlt hat, dann kann ich doch überhaupt nichts dafür. Oder?

Während ich dabei bin das Schulgelände hinter mir zu lassen, habe ich das Gefühl, ... beobachtet zu werden. Als würden sich zwei eisige Augen feste in meinen Rücken bohren. Doch als ich mich umdrehe, bemerke ich niemanden auffälligen, der mich gerade zu stalken würde. Nur Schüler die aus dem Eingangstor heraus strömen, und zwei Polizisten die davor stehen. Verwirrt setze ich meinen Weg fort.

Abrupt stoppe ich. Da war es wieder. Dieses Gefühl, als hätte es jemand auf mich abgesehen. Ist es.., ist es etwa Mordlust!? Nervös fange ich an mit meiner Kette zu spielen. Doch auch beim zweiten Mal umdrehen erkenne ich niemanden auffälligen. Angespannt und unruhig beeile ich mich schnell hier weg zu kommen.

Trust no AssassinWhere stories live. Discover now