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Samstag 08.03.2052; 13:45 Uhr

„Was machst du da?" frägt Ethan ungläubig, während er Schritt für Schritt näher auf mich zukommt. „Du solltest gar nicht erst hier sein. Und ich Dummkopf bemerke es auch noch viel zu spät.", Redet er weiter, während er mich mit einem fassungslosem Gesichtsausdruck ansieht. „Wie viel, wie viel hast du schon gesehen?" Die Dokumente eng an mich gepresst, bringe ich nur ein dumpfes: „Warum hast du das getan?", zustande.

Seine Gesichtszüge werden augenblicklich starr und gefrieren zu denen einer Statue ein. „Also doch.", entgegnet er meiner Frage. Den Blick auf den Boden gerichtet verdeckt er sein Gesicht mit seinen Händen. Die sonst so freundlichen Augen liegen im Schatten. Doch mein Köper fällt wie in eine Schockstarre, als er seinen durchdringenden Blick auf mich richtet. „Warum frägst du? Warum? Für wen hältst du dich? Ich habe genau wie jeder andere Mensch einfach nur das getan, zu dem ich vorbestimmt war!", mit jedem seiner Worte, wird er lauter, bestimmter, und saurer. Ein beinahe verzweifelter Ausdruck verweilt auf seinem Gesicht. Ein bisher mir Unbekannter. „Das meinte ich nicht. Meine Frage war, warum hast du es mir nicht einfach erzählt?" Daraufhin verstummt er. Seine grünen Augen spiegeln die Worte wieder, welche er nicht wagt auszusprechen. Unsicherheit, Hilflosigkeit, Verständnis.

Schon wieder ist es passiert.

Ein weiteres Mal habe ich mich in einer Person getäuscht, von der ich dachte, dass ich sie halbwegs gut kenne.

Das Gefühl des Verrats beschleicht mich.

Nicht sicher ob mir eher zum Weinen oder zum Lachen zumute ist, lasse ich meinen Emotionen einfach freien Lauf. Über meine eigene Dummheit lachend und über die Enttäuschung und die Wahrheit über den Tod meines Vaters weinend, sitze ich wie ein Kleinkind vor Ethan.

„Ist es dir schwer gefallen ihn zu töten?" frage ich ihn, während ich durch das Dachfenster verloren in den Himmel blicke. Er atmet einmal ein, scheint zu einem Satz ansetzen zu wollen, lässt es dann aber doch bleiben. „Bist du nicht wütend auf mich?" stellt er mir kühl eine Gegenfrage. Der Aufbrausende Ethan von gerade eben, ist schon wieder verschwunden. „Natürlich, bin ich auf dich wütend. Ich meine du hast meinen Vater getötet.", gebe ich stumpf als Antwort. „Aber,... viel mehr bin ich enttäuscht."

Damals, als ich nach dem Tod meines Vaters die Schule wechselte, habe ich mir geschworen niemals wieder jemandem leichtsinnig zu vertrauen. Ich war abweisend und kalt. 'Phoebe Allison.', waren die einzigen Worte die ich an jenem Tag sprach. Ich war neu in der Schule und hatte keinerlei Interesse an irgendetwas. Doch nach der ersten Stunde, kam dennoch ein Schüler auf mich zu. Es war Ethan. Er fragte mich zuerst Fragen, die man jeder Person stellt die neu in der Klasse ist. Etwa wie: „Wo wohnst du?", „Was machst du in deiner Freizeit?" oder „Was für Musik hörst du?". Ich beantwortete jede seiner Frage kühl, aber dennoch ernst. Bis er die Frage stellte weshalb ich die Schule gewechselt habe. Ich hielt einen Moment inne und musste erst einmal überlegen. Letztendlich beantwortete ich seine Frage dennoch wahrheitsgetreu. Doch spätestens in dieser Sekunde, hätte ich wahrscheinlich eine Veränderung in seinem Gesichtsausdruck bemerken sollen.

Ich kann es einfach immer noch nicht glauben, dass das gerade passiert.

„Wirst du mir jemals verzeihen können?", wartet er gespannt ab. Mein Schweigen scheint ihm Antwort genug zu sein. Stille seinerseits. Ich bemerke wie er stumm seinen Blick auf mich richtet. Doch ich schaue weiterhin abgewandt aus dem Dachfenster. Leises Rascheln ertönt. Ich höre wie Ethan dabei ist sich aufzurichten und abzuwenden. „Hey, eine letzte Frage noch." Nun meinen Blick auf ihn gerichtet, schaue ich ihm in seine grünen Augen. „Wer ist das auf dem Bild?", und zeige mit meinem Finger auf eine sehr jung aussehende Person unten rechts im Foto. Er hält für einen kurzen Moment inne, bis er die Augen zusammenkneift, mir einen letzten prüfenden Blick schenkt und antwortet: „Jackson Kobayashi." Somit verlässt er den Raum.

Er war mir vorhin als ich das Foto betrachtete schon ins Auge gefallen. Sein Gesicht kommt mir so bekannt vor, nur weiß ich noch nicht woher. Neben ihm der hochgewachsener Mann. Vielleicht sein Vater? Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen.

Natürlich! Der Kleine ist der Kerl aus dem Supermarkt! Diese Ähnlichkeit, er muss es einfach sein. Doch was hat er auf dem Bild zu suchen? Und was hat er mit meiner Oma zu tun?

In Gedanken vertieft mache ich mich daran den Dachboden aufzuräumen. Darauf bedacht, das Anwesen, die Dokumente, und das Szenario mit Ethan schnellst möglichst hinter mir zu lassen.

Trust no AssassinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt