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Donnerstag 22.05.2052; 19:33

Passend zu meinem roten samtigen Abendkleid, trage ich sorgfältig ein letztes Mal den rotfarbigen Lippenstift auf. Normalerweise würde ich mich mit solch einer knalligen Farbe nicht aus dem Haus trauen. Doch heute ist ein anderer Tag. Ein Besonderer. Wenn auch in vielerlei Hinsicht. Dennoch unsicher betrachte ich mein Spiegelbild. Mein gepflegtes Auftreten passt überhaupt nicht in die Umgebung einer Schultoilette. Keine 3 Stunden zuvor, hatte ich mir meine brünetten Harre mühselig hochgesteckt. Nur damit jetzt bereits wieder ein paar Strähnen ungebändigt aus der Reihe tanzen. Wortwörtlich genommen. Denn heute ist der Abschlussball meines Jahrgangs.

Vor ungefähr 3 Wochen gerieten Liem und ich in den Anschlag am Keesinger Platz. Es stellte sich heraus, dass eine Gruppe an Terroristen sich aus der Außenwelt alten Explossionsstoff besorgte. Doch was genau ihre wahren Absichten waren, und wie sie an den Ausweis zum Passieren der Barriere kamen, ist bis heute ungeklärt. Auch, dass es sich um Jackson Kobayashi handelte, welcher anscheinend der Kopf der Gruppe ist, wurde der Öffentlichkeit verschwiegen.

Vorsichtig fahren meine Finger über meine Stirn. Die Wunde welche er mir zufügte, hatte sich nun als Narbe für immer dort verewigt.

Nachdem Liem und ich damals das Gebäude verließen, wurden wir von dem örtlichen Rettungsteam abgefangen und schnellst möglichst in Mororas Krankenhaus befördert. Nach wenigen Tagen Aufenthalts wurden wir entlassen. Natürlich war der Vorfall Gesprächsthema Nummer eins in den Nachrichten, weshalb wir beide uns dazu entschieden eine Weile lang Auszeit von der Schule zu nehmen.

Ein hörbares Seufzen entfährt mir als ich mich endlich dazu aufraffe, mich zu all den anderen Leuten dazuzugesellen. Einen letzten entschlossenen Blick schenke ich meinem Spiegelbild, das Medaillon meiner Großmutter umfassend.

Während ich den Flur entlang schlendere, höre ich bereits von weitem die sanften Klänge eines Streichorchesters. Nun etwas motivierter versuche ich mich unter die Leute zu mischen. Suchend blicke ich mich um. Bis ich ihn in der Menge ausmache. Ebenfalls entschlossen guckt er mir tief in die Augen. Ich erwidere seinen Blick nickend, bis ich eine mir nur allzu bekannte Stimme hinter mir ausmache. Ich wirbele um meine eigene Achse und blicke Liem in sein Gesicht. Seine stechend blauen Augen beäugen mich lustvoll von oben bis unten, während er mir mit jedem Schritt näher kommt.

„Hatte ich erwähnt, dass Rot meine Lieblingsfarbe ist?", frägt er schmunzelnd. „Nicht das ich wüsste.", antworte ich ihm belustigt. Er trägt einen schwarzen Smoking ohne Krawatte, welcher nur noch mehr seine ordentlich zurechtgemachten schwarzen Harre betont. Das weiße Hemd darunter trägt er, wenn auch unüblich für ihn, zugeknöpft.

Vorsichtig beugt er sich zu mir hinab, nähert sich meinem Gesicht und haucht mir vielsagend in mein Ohr: „Wie gut, dass du sonst nicht die Farbe Rot trägst. Sonst würdest du mich noch verrückt nach dir machen."

Ein leichtes Lächeln zaubert sich auf meine Lippen, als ich verlegen zu Boden schaue. Den Blick nun wieder ihm zugewendet entgegne ich ihm neckend: „Vielleicht wollte ich ja genau das vermeiden."

Ein überraschter Ausdruck macht sich auf seinem Gesicht breit. Die Augenbrauen erstaunt bis zum Haaransatz hochgezogen mustert er mich für einen kurzen Moment. Bis sich sein Schmunzeln zu einem breiten Grinsen verwandelt.

Erst jetzt bemerke ich, dass die Musikanten zu Spielen aufhörten. Den Blick über meine Umgebung schweifen lassend, sehe ich, wie sich die Tanzpartner zusammenfinden.

„Würden sie mir die Ehre erweisen mit mir zu tanzen my Lady?" Mit einem spielerisch einladenden Knicks reicht Liem mir seine Hand. Amüsiert ergreife ich diese. „Aber natürlich."

In einer eleganten Bewegung zieht er meine Hand, die fest in seiner liegt, nach oben auf seine Schulter, und schließt somit die Lücke zwischen uns. Seine Hände die jetzt auf meiner Taille liegen, ziehen mich sanft noch näher an sich. Ich spüre nun jeden Zentimeter von Liems Körper gegen den Meinen. Seine Brust an meiner. Sein Atem in meinem Nacken. Die Wärme seiner Hände läuft über meinen Rücken bis nach oben. Mein Herz beginnt zu rasen. Ich atme tief ein.

Langsam fangen wir an uns im Takt zu bewegen, die Augen ineinander verschlungen, während wir uns einander hin und her wiegen. Dem Rhythmus des Orchesters, welches nun wieder zu spielen begann, folgend schweben wir über den Parkett, unfähig uns voneinander zu trennen.

Ich wünschte ich könnte den Moment anhalten, doch muss ich mich der Realität entgegen stellen.

Nachdem die Tanzpartner mehrmals wechselten, sitze ich nun erschöpft außerhalb des Treibens und gönne mir eine kleine Verschnaufpause. Meinen Gedanken nachhängend, bemerke ich nicht wie Liem sich mir mit 2 gefüllten Prosecco Gläsern nähert.

„Woran denkst du?", erkundigt er sich plötzlich. Erschrocken erwache ich aus meiner Trance. Den Blick auf ihn gerichtet, sehe ich erst jetzt wie er mir eines der Gläser auffordernd unter die Nase hält.
Neugierig zieht er die Augenbrauen hoch, so dass seine Stirn in Falten liegt.
Verwirrt nehme ich das Glas an mich und antworte ihm: „An nichts Bestimmtes." Bedrückt wende ich mich ab, meine Aufmerksamkeit nun auf die Feier vor mir gerichtet.
Dennoch spüre ich seinen Blick weiterhin auf mir ruhen während, er ruhig an seinem Drink nippt. Den Meinen starre ich jedoch nur desinteressiert an.

„Du bist mir vorhin, während dem Tanz mehrmals auf den Fuß gestiegen. Das hast du nicht einmal die Wochen zuvor im Training mehr getan.", überstimmt er in einem scharfen Tonfall meine zu vorige Aussage.
Ein langer Seufzer entweicht meinen Lippen.
"Ist es denn so offensichtlich?"
"Was? Das du nicht tanzen kannst?"
Bei dem Gedanken, dass er mich aufmuntern möchte, legt sich ein zärtlicher Ausdruck auf mein Gesicht.
„Ey, beschwerst du dich grade über meine mühselig erlernten Tanzkünste?", entgegne ich ihm, begleitet mit einem spielerischen Seitenhieb.
„Das würde ich niemals!" Grinsend legt er liebevoll einen Arm um meine Taille und zieht mich näher an sich. Meine Sinne werden von seinem intensiven Geruch vernebelt. Ohne weiter nachzudenken lehne ich mich in die Umarmung und schmiege mich enger an seinen Wärme ausstrahlenden Körper. Seine Finger streicheln meine Wange und zerstreuen meine Gedanken.

Er scheint darauf zu warten, dass ich zu einer Erklärung ansetze, doch behalte ich meine plagenden Gedanken für heute für mich. Noch möchte ich den Abend in vollen Zügen auskosten.

Ich hole tief Luft und nehme einen großen Schluck von dem Drink, welcher immer noch in meiner Hand verweilt. In der Hoffnung er könnte all meine Sorgen und Probleme hinfort spülen.

Liem scheint zu bemerken, dass ich momentan nicht detaillierter darauf eingehen will, den skeptischen Seitenblick seinerseits entgeht mir jedoch nicht.

„Phoebe." „Hm?" „Du weißt, dass ich immer für dich da bin? " Vorsichtig nimmt er seinen Arm von meiner Taille. „Das weißt du doch, nicht wahr?", fragt er abermals nach. Doch dieses Mal in einem besorgteren Tonfall.
„Natürlich, immer und zu jedem Zeitpunkt," setze ich schmunzelnd zu einer Antwort an, „Dasselbe gilt aber ebenfalls für dich."

Ein Zucken um seine Mundwinkel macht sich bemerkbar und ein zufriedenes Leuchten spiegelt sich in seinen eisblauen Augen wieder, als er seinen Blick von mir abwendet und mich wieder in eine innige Umarmung zieht.

Vorsichtig wandert meine Hand an meine Brust. Nur um wieder festzustellen, wie schwer mein Herz, der Schmerz und die kreisenden Gedanken wiegen.

Die Party ist im vollen Gange. Das Musikgenre wird von alten Klassikern zu Modern-Pop gewechselt, das Volumen wird aufgedreht und bunte Lichter begleiten nun die Tänzer auf der Tanzfläche.

Ich spüre, wie mich ein unwohles Gefühl übermahnt, während die Menschenmenge sichtlich zunimmt und sich die zuvor entspannte Atmosphäre in einen tosenden Lärmpegel verwandelt. Schutz suchend, lehne ich mich mehr und mehr in Liems Umarmung. Die Situation lässt mich an unsere erste Umarmung zurück denken.

Mit einer Geste inRichtung Ausgang frägt Liem mich: „Was hältst du von einer kurzen Pause?" Raschantworte ich ihm mit einem aussagekräftigen Nicken.

Trust no AssassinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt