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Mittwoch 26.02.2052; 07:52 Uhr

Mittlerweile ist es schon normal für mich durch die Gegend zu hetzen ob jetzt nach Hause, vor den Fernseher oder halt eben zur Schule. Im Vergleich zu gestern regnet es nicht. Im Gegenteil. Vögel sitzen auf Schwebelichtern und zwitschern ein Ständchen, die Sonne scheint, und es ist nicht einmal eine klitzekleine Wolke an der Kuppeldecke zu entdecken. Ein Wetter welches an jedem Sommertag herrschen könnte, jedoch nicht im Februar, wenn man mit einem dicken Pulli bekleidet zur Schule hetzt. Ob wohl ein technisches Problem vorliegt?

Von weitem erkenne ich schon die Bushaltestelle, wo jeden Tag pünktlich auf die Sekunde ein Bus um zwei vor acht abfährt. Gleich bin ich da. Ich muss nur noch die Kreuzung überqueren und dann hab ich es geschafft. Doch als ich einen Zahn zulege, und geradewegs über die Straße preschen möchte, schaltet die Ampel vor mir auf Rot. Zu meinem Bedauern wartet eine Gruppe von Kindergartenkindern ebenfalls auf das grüne Männchen. Ganz ruhig Phoebe, ein gutes Vorbild abgeben, du kriegst den Bus auch so. Kein Problem.

Das habe ich mir bis vor zehn Sekunden noch gedacht. Doch als dann der Bus, welcher mich eigentlich noch rechtzeitig zur Schule gebracht hätte, an mir vorbei fährt, ist meine Hoffnung wie weg geblasen. Ein Seufzen entfährt mir. Warum muss ich ausgerechnet heute an meinem großen Tag wieder eine so große Pechsträhne haben? Da höre ich das Piepen auf das ich gerade eben noch so ungeduldig gewartet habe. Unmotiviert kreuze ich die Fahrbahn und laufe an einem Blumenladen vorbei. Da kommt mir eine Idee. Vor dem Geschäft steht ein nicht abgesperrtes, altes klappriges Rennrad, und der Besitzer ist, so wie es aussieht, weit und breit nicht zu entdecken. Ich fackle gar nicht lange herum, laufe zum Rad, setze mich hin und will gerade losfahren, als ich eine empörte Stimme hinter mir bemerke. „Hey sie, ja sie da auf meinem Fahrrad, steigen sie gefälligst wieder ab!", höre ich einen älteren Herren fluchen. Shit jetzt oder nie. Ich ignoriere die Ausrufe des ungefähr 70 Jahre alten Mannes und trete in die Pedale. Ich rufe noch ein „Entschuldigung ich bin spät dran." Und ein „Ich bringe es zurück, versprochen!" hinterher bis ich auch schon um die nächste Straßenecke gebogen bin.

Morgen früh werde ich es ihm wiedergeben, und die Konsequenzen tragen müssen. Hoffentlich läuft es nur auf eine Strafpredigt hinaus, bitte lieber Gott. Ich habe keine Lust irgendetwas bei ihm abarbeiten zu müssen. Wie zum Beispiel rasenmähen oder putzen. Ich meine, ich habe es mir ja schließlich nur „ausgeliehen". Kopfschüttelnd dränge ich die Gedanken aus meinem Kopf und konzentriere mich auf den Verkehr.

An der Schule angekommen stelle ich das Fahrrad an einem Ständer ab, richte noch einmal meinen Zopf und streiche mir den Blazer glatt. Der Schultag kann beginnen.

Ich öffne die Tür des Haupteingangs und betrete mit einigen weiteren Schülern, welche den Anschein machen ebenfalls verschlafen zu haben, das Gebäude. Eigentlich hatte ich mir noch vorgenommen etwas als Frühstücksersatz am Kiosk zu kaufen. Doch das muss ich wohl auf die Mittagspause verschieben. Denn obwohl es recht spät ist, scheint die Schlange der anstehenden Mitschüler nicht kürzer zu werden. Ein Tag der ohne Frühstück und verpasstem Bus beginnt, kann doch nur schräg werden.

Als ich den Gang entlang eile, gehe ich der Reihe nach die Räume durch. Raum einunddreißig, Raum zweiunddreißig, ah Raum dreiunddreißig. Das ist der Richtige. Außer Atem reiße ich die Tür auf. Mein Blick schweift durch die Klasse auf der Suche nach dem mir nur allzu gut bekannten Gesicht meiner Klassenleitung. Er bleibt am Pult hängen. Dort sitzt sie und schaut mich mit einem leicht entsetzten als auch genervten Gesichtsausdruck an. Ich will ihr gerade meinen Grund aufdrängen warum ich zu spät bin da unterbricht sie mich auch schon. „Phoebe Allison! Weshalb sie zu spät sind höre ich mir nach der Schule gerne im Lehrerzimmer an. Doch jetzt seien sie doch bitte so freundlich und weißen sie wenigstens ihrem neuen Mitschüler ein wenig Respekt auf, wenn sie schon keinen mir gegenüber haben Und setzen sie sich gefälligst hin!" Da erst, wird mir bewusst, dass ein mir unbekannter junger Mann vorne an der Tafel steht und geduldig darauf wartet mit seiner Vorstellung fortfahren zu können. Während ich meinen Kopf hebe, bemerke ich sein mir zugewandtes Gesicht, das Verwirrung wiederspiegelt. Plötzlich durchfährt mich ein eisiger Schauer, als mein Blick den seinen kreuzt. Denn hinter den vereinzelten Strähnen, welche ihm verspielt ins Gesicht fallen, verstecken sich kalte glasklare blaue Augen. Etwas Undefinierbares blitzt in diesen auf. Etwas, das ganz offensichtlich ein Geheimnis verbirgt und nur darauf wartet gelüftet zu werden. Schwerfällig versuche ich mich des anziehenden Blickes zu entreißen, doch etwas hält mich davon ab. Ihm scheint es nicht anders zu ergehen, denn verblüfft mustert mich der Unbekannte daraufhin eindringlich.

Magisch von seinen Augen angezogen, hätte ich ihn wahrscheinlich noch Stunden anstarren können, wäre da nicht ein drängendes Räuspern gewesen, welches mich aus meiner Starre reißt. Beinahe hätte ich vergessen etwas darauf zu antworten. Doch das einzige was aus meinem Mund kommt ist ein Haufen an Gestotter. „I-ich.. ähh ja n-natürlich.. bitte v-ver-verzeihen sie." Peinlich berührt tapse ich an meinen Sitzplatz, verberge mein Gesicht hinter meinen Händen, da die Wahrscheinlichkeit, dass mein Gesicht rot angelaufen ist ziemlich hoch ist.

Frau Lang entschuldigt sich nochmal bei ihm und bittet ihn sich noch einmal von vorne an vorzustellen. Mit einem kurzen Nicken stimmt er ihr zu.

„Also dann halt eben nochmal, dank Unterbrechung." Meint er schmunzelnd und wirft mir einen Blick zu. Verlegen schaue ich beiseite. Wenn er lächelt sieht er ja noch besser aus! Ich glaube ich mache jetzt wirklich einer Tomate Konkurrenz. Als er sich von mir abwendet beginnt er sich vorzustellen. „Ich bin Liem. Liem Brown. 18 Jahre alt, meine Hobbys sind Motorrad fahren,..." weiter höre ich ihm nicht zu. Den ich bin viel zu sehr damit beschäftigt sein Äußeres abzuchecken. Er hat wunderschöne blaue Augen, schwarze gut gestylte Harre, scheint teilweise asiatischer Abstammung zu sein, und besitzt einen guten Körperbau. Doch das Auffälligste an ihm ist definitiv sein Style. Neben ihm würde ich in meinem alten Strickpulli und den unterschiedlichen Socken, wie ein Stück Nichts aussehen. Denn unter seinem dunkelblauen Schulblazer trägt er ein leicht aufgeknöpftes Hemd und passend dazu eine schwarze Hose. Den Klamotten nach zu urteilen stammt er definitiv nicht aus schlechtem Hause. Als ich genauer hinblicke, meine ich sogar einen Ohrring an seinem rechten Ohr aufblitzen zu sehen. Zu meinem Missfallen muss ich ganz ehrlich zugeben dass er unbestreitbar gut aussieht. Würde mein Leben ein Film sein, wäre er wahrscheinlich der Typ welcher mit nur einem Lächeln die Herzen jeder Mädchen erobern könnte.

Meinen Gedanken noch nachhängend, bemerke ich ihn erst, als er auf direktem Weg auf mich zukommt. Überfordert von der aktuellen Situation weiß ich nicht recht wie ich mich verhalten soll, und versuche unbeteiligt aus dem Fenster zu schauen. Zur Seite schielend beobachte ich wie er sich auf den Platz vor mir setzt, und seine Sachen beiseitelegt. Überraschender Weise dreht er sich zu mir um und frägt, als wäre es Alltagssituation für ihn, nach meinem Namen.

Ist ja nicht so dass unsere Lehrerin mich vorhin vor der kompletten Klasse ermahnt hat, und dann reinzufällig meinen Namen mal so nebenbei erwähnte. Nein natürlich nicht.

Von dem Gedanken genervt, das er ihn bereits wieder vergessen haben könnte, gebe ich mürrisch: „Phoebe" zurück. Missbilligend weiche ich seinem Blick aus, und schaue genervt aus dem Fenster. Leicht schielend erkenne ich, wie er daraufhin nur eine Augenbraue hochzieht, und mich mit einem überheblichen Gesichtsausdruck ansieht. „Challenge accept.", ist seine einzige Antwort auf meine Reaktion.

Was ein Arsch. Die Fassade täuscht eindeutig.

Trust no AssassinWhere stories live. Discover now