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Freitag 14.03.2052; 14:04 Uhr

„Fünf, sechs, sieben acht, fünf, sechs, sieben, acht.", und das Klatschen, im Takt des wiegenden Liedes, sind aktuell die einzigen Dinge welche ich wahrnehme. In meinen Gedanken gefangen, wirbelt mich Liem in der Sporthalle umher. Das Quietschen unserer Schuhe, und der modrige Geruch, welcher mich umgibt, sind die Ausnahme. „Phoebe?" Überrascht blicke ich nach oben. „Huh?" frage ich leicht abwesend. „Hast du wieder nicht zugehört?", hakt er schmunzelnd nach. „Sorry,.."

Nach zehn weiteren Minuten wendet er sich erneut an mich: „Ist alles in Ordnung bei dir? Du bist seit neulich so.., anders." Fragend legt er den Kopf leicht schief. Stille meinerseits. Unsicher was ich daraufhin antworten soll, gebe ich ihm durch ein Nicken zu verstehen, dass es mir gut geht. Geziert von einem schwachen Lächeln. Mit einer hochgezogenen Augenbraue schaut er mich misstrauisch an. Keine Ahnung ob er es mir abkauft, aber das ist mir auch relativ gleichgültig. Denn aktuell sind meine Gedanken in einer anderen Welt gefangen. In einer Welt in der nur ich selber lebe, und niemand mir etwas anhaben kann.
Nach dem Training war ich gerade dabei mir meine Kopfhörer überzuziehen, um wieder in meine Welt einzutauchen, wäre da nicht eine Stimme gewesen, welche von weitem streng meinen Namen ruft.
Verdutzt drehe ich mich um, und sehe niemand geringeren als Liem hinter mir, wie er auf mich zukommt. Entspannt die Hände in die Hosentaschen gesteckt, blickt er mich ernst an.
Oh Gott was kommt jetzt?
Einmal kräftig schluckend, beobachte ich wie er sich mir langsam nähert.
Doch als er dann vor mir steht, herrscht Stille zwischen uns. Schräg mustert er mich von oben bis unten. „Und du bist dir sicher, dass alles in Ordnung bei dir ist?" fängt er das Gespräch von vorhin wieder an. Ich atme einmal tief ein, und wieder aus.

Nicht schon wieder.

„Ich sagte doch bereits, dass es mir gut geht.", antworte ich ihm dieses Mal sichtlich genervt. „Und warum dann so gereizt?" hakt er nach, und bringt mich damit in Bedrängnis. „Hör mal, ich will nicht darüber reden. Und selbst wenn, dann würde ich schon auf dich zukommen. Schönen Tag noch!", bin ich gerade dabei das Gespräch zu beenden. Oder besser gesagt, aus dem Weg zu gehen.
Da drängt er mich gegen die kalte Betonwand hinter mir, stützt sich mit einem Arm an ihr ab und kommt mir mit seinem Gesicht gefährlich nahe. Mit einem tiefgründigen Blick versucht er mir in die Seele zu schauen. „Und du meinst so werde ich eher reden?" frage ich schnippisch, die Arme über meiner Brust verschränkt. Über meine Stimmungsschwankungen überrascht, mustert er mich mit einem schiefen Grinsen. „Wer weiß, finden wir es heraus." Meine Mundwinkel zucken nach oben. „Ist das eine Herausforderung?" „Wer weiß, finde es heraus." „Okay, es ist definitiv eine Herausforderung.", stelle ich nun schmunzelnd fest.
Aufgemuntert sucht mein Blick den seinen.
„Du machst mich wirklich schwach weißt du das?" Den Kopf leicht schief gelegt, entgegnet er grinsend: „Ich weiß, du bist nicht die Erste die mir das sagt." Daraufhin werfe ich ihm spielerisch einen bösen Blick zu. „Du kennst mich gerade einmal seit fast 3 Wochen. „Du kannst mir nicht erzählen, dass du nie daran gedacht, dass das Alles nur ein Schauspiel von mir war.", stelle ich skeptisch fest. „Ich mein guck uns doch an, wir leben in einer grausamen Welt in der wir jemanden töten müssen um ein einfaches Leben führen zu dürfen."
„Habe ich aber nicht.", unterbricht er mich entschieden. „Denn das Lachen in deinen Augen war echt." Der plötzliche tiefe glaubwürdige Ton in seiner Stimme lässt mich rot werden.
Okay, er lässt echt nicht locker.
Sprachlos blicke ich in seine blauen Augen, welche mich neugierig mustern. Ich seufze. Langsam gebe ich nach.
„Es war Samstag. Ich musste eine Strafe abarbeiten." Als ich den fragenden Blick von Liem bemerke, erkläre ich ihm: „Nein, nichts Schlimmes. Aufjedenfall traf ich dann unverhofft auf Ethan. Wir hatten einen kleinen Zusammenstoß,... wenn man das so nennen kann. Egal, nach einem kurzen Gespräch fing ich an mich an die Arbeit zu machen. Ich putze den Dachboden seines Opas, und räumte ihn auf. Doch dann,.. dann fand ich Dokumente, welche ich besser nie hätte finden sollen." Liem lehnt sich neben mich an die kühle Wand, wird still und hört mir aufmerksam zu.

„Es war die Auszeichnung für eine Säuberung. Die Säuberung meines Vaters. Ausgezeichnet für Ethan. Ich konnte es anfangs erst gar nicht fassen, doch nachdem er dann vor mir stand und es zugab, habe ich mich gefragt: Warum? Warum hatte er es mir nicht einfach gesagt? Ich meine natürlich war ich sauer und traurig zugleich. Aber es auf diese Art und Weise zu erfahren, war hart. Das Schlimmste an all Dem war nicht einmal der Fakt, dass er es war welcher meinen Vater tötete. Sondern, dass er mir nicht vertraut hat, indem er es mir nicht erzählte. Dabei hatte ich endlich wieder angefangen Vertrauen in die Menschen zu haben. In Ethan." Langsam laufen mir die ersten Tränen die Wangen herunter. „Es fing alles vor ungefähr einem Jahr an. Ich hatte ein glückliches Leben, eine glückliche Familie, mit normalen Problemen. Zumindest dachte ich das. Doch als dann eines Tages mein Dad wie vom Erdboden verschwand und nach drei Tagen tot aufgefunden wurde, wurde mir klar, dass das schöne Leben hiermit geendet hat. Ich glaube es war seine Entscheidung, er hatte es wahrscheinlich nicht mehr ausgehalten, mit dem Druck, der Gefahr jeder Zeit sterben zu können, und der Last des Lebens. Ich dachte ich hätte ihn gekannt, weil er mir am nächsten stand. Doch ich hatte mich getäuscht. Ich hatte mich in ihm getäuscht. Dabei hatte ich ihm vertraut. Er hatte mir versprochen, dass wir eine Familie bleiben, die Nichts trennt, und für immer zusammenbleibt. Doch dann war er es, welcher meine Mutter und mich verließ..."
In meinen Gedanken erscheint ein schwaches Bild von ihm, wie er lachend vor mir steht. Meine innere Stimme ruft mir zu: „Phoebe, bleib stark, wehe du fängst jetzt an zu heulen!"
Und dennoch fallen leise meine Tränen zu Boden. Schnell wische ich mir mit meinem Handrücken über mein verheultes Gesicht, um die Tränen ungeschehen zu machen. Doch zu spät. Mit einer Bewegung steht er wieder vor mir und hebt sanft mein Kinn mit seinen Fingern an, damit er mir in die Augen sehen kann. Meine Wangen nehmen einen leichten rötlichen Ton an. Schüchtern versuche ich seinem Blick stand zu halten.
„Hör mal, ich bin nicht Ethan und ich bin auch nicht dein Vater. Ich meine es ernst." Ich halte für einen Moment inne bis ich ihm entschieden antworte: „Nein Liem.., so wie es jetzt ist, ist es am Besten." Gebe ich kaum vernehmbar von mir. Ein Schnauben seinerseits. „Das glaubst du doch selber nicht", meint er vorwurfsvoll. Unsicher schaue ich beiseite. „Gib mir eine Chance, und ich beweise dir, dass du mir vertrauen kannst Phoebe." Mein Gehirn läuft auf Hochtouren. Jetzt? Hier? Jemandem einfach so mein Vertrauen schenken? Ich weiß ja nicht. Auf der anderen Seite, ich habe ihm schon einmal vertraut. Unentschlossen schaue ich ihm in die Augen. Zuversicht spiegelt sich in ihnen wieder.
Ich seufze einmal hörbar aus, bis ich ihm zögernd antworte: „Eine Chance.., mehr nicht. Wehe du vermasselst es.", bringe ich unter den vielen Gefühlen, welche mich gerade überrollen, hervor. Auf seinem Gesicht bildet sich ein verschmitztes Lächeln. „Du bist ein sehr interessantes Mädchen, weißt du das?"

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