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Freitag 02.05.2052; 17:09 Uhr

Dem Gesichtsausdruck von Liem Nummer 2, der mir Gegenüberstehende, nach zu urteilen, scheint er ebenfalls sehr überrascht zu sein ein Ebenbild von sich zu sehen.

Aus dem Augenwinkel bemerke ich wie Liem Nummer 1 langsam die Hände aus den Hosentaschen nimmt, den Kopf hebt und sein Gegenüber prüfend anblickt. Kontrolliert geht er nun auf ihn zu und schiebt sich somit zwischen ihn und mich.

„Und du bist?", frägt er drängend. Mehr wie ein Zischen klingend. „Dasselbe wollte ich dich gerade fragen." Ein Schnauben seinerseits. Der Blick von Liem Nummer 2 kreuzend, versuche ich innerlich alles zu ordnen, um nicht komplett durchzudrehen. Verwirrung spiegelt sich in seinen Augen wieder. Fragend legt er die Stirn in Falten und wendet sich wieder dem bereits eine angsteinflößende Aura ausstrahlende Liem zu.

„Was ist mit ihr passiert?" „Nichts, was dich im Geringsten angeht." Als Antwort legt er den Kopf schief. „Huh? Was hast du gesagt? Es geht mich nichts an? Das musst du als billige Kopie erst recht behaupten." Nun definitiv aufgebrachter schreitet er ebenfalls auf sein Gegenüber zu.

Die Spannung welche aktuell in der Luft liegt, war fast schon spürbar. Sie ist so schneidend, das ich es nicht einmal mehr wage zu atmen.

Die beiden stehen nun keinen Meter mehr voneinander entfernt, während ich von Moment zu Moment sprachlos zurück weiche.

„Fass sie ja nicht an!", droht Liem Nummer 1 mit einem Mal Liem Nummer 2, was dazu führt, das die Todesblicke welche er ihm nun schenkt einen wirklich umlegen könnten.

„Das sagst du mir? Ihrem Freund?" Mittlerweile erkenne ich sogar, dass das Blut von dem in rot getränkten Liem sich ohne Verzögerung weiter auf seinem T-Shirt ausbreitet. Geschockt schlage ich meine Hände vor den Mund.

Was ist passiert, dass er so zugerichtet wurde?

Zaghaft strecke ich meine Hand aus und begebe mich vorsichtig Schritt für Schritt in seine Richtung, dem Bedürfnis ihm helfen zu müssen folgend. Bis ich neben Liem Nummer 1 stehe. Dem Anderen ebenfalls Todesblicke schenkend, hält er mich ohne Zögern ab, indem er abrupt kraftvoll mein Handgelenk umfasst. Erschrocken schaue ich zu ihm auf.

„Keinen Schritt weiter."

Unentschlossen schließe ich meine Augen. Ohne dass ich es bemerke spannt sich mein Arm an und ich entreiße mich seinem Griff.

Überrascht blickt er nun auf mich herab. Den Blick von seinem Gegenüber abwendend. Ein prüfender Ausdruck legt sich auf mein Gesicht, als ich in seine Augen schaue. Ob es Panik oder Unentschlossenheit ist kann ich nicht sagen.

Doch Zeit um mir darüber den Kopf zu zerbrechen habe ich nicht. Den der Gedanken den Moment auszunutzen, als mir die komplette Aufmerksamkeit geschenkt wird, kommt dem Anderen.

Ohne zu zögern schnellt er auf ihn zu, holt aus, und wirft ihn mit einem Schlag zu Boden. Faustschlag für Faustschlag trifft ohne weitere Verfehlung sein Gesicht, bis es aufgeschürft ist, und er Blut spuckend unter ihm liegt. Geschockt schlage ich mir die Hände vor den Mund und halte inne. Unwissend ob ich eingreifen sollte. Geschweige denn, ob ich überhaupt dazu in der Lage wäre.

Liem Nummer 1 versucht sich keuchend zu wehren, doch vergeblich. Sein Gegner hat ihn fest im Griff. Er setzt bereits zu einem nächsten Hieb an, da hält er mitten in der Bewegung inne, als ich ein schwaches Murmeln von des Schwächeren aufgeplatzten Lippen vernehme. Da Liem Nummer 2 immer noch zu zögern scheint, nutzt wiederum der Andere die Chance, sich unter ihm weg zu rollen und sich, wenn auch beschwerlich, aufzurichten.

Keinen Moment später, trifft der Hieb von Liem Nummer 2, die Stelle an der sein Gegner bis gerade eben noch lag. Sein Blick nun empor gerichtet, stellt auch er sich schwerfällig auf. Der rote Fleck auf seinem Shirt hat sich mittlerweile immens vergrößert.

Doch hat er nicht damit gerechnet, dass sein Gegenüber sich bereits wieder gefangen hat, und nun mit anderen Mitteln den Kampf bestreitet. Mit beiden Händen umfasst, hält er einen kleinen Dolch. Die Miene zu einer Grimasse verziehend.

Er wird doch wohl nicht...

Doch plötzlich rast er mit einem hohen Tempo auf seinen Gegner zu, als hätte er die Schläge mit links eingesteckt. Als hätte ihn nie jemand verdroschen. Trotz dieser Geschwindigkeit, schafft es sich Liem Nummer 2 zu fangen, um rechtzeitig reagieren zu können.

Verbissen umgreift er mit bloßen Händen die schneidend scharfe Klinge, welche geradewegs auf sein Herz zielt. Blut tritt durch seine frischen Wunden und tropft auf den Boden. Es ist ein Kräftemessen zwischen Stärke und Durchhaltevermögen.

Panisch erkenne ich wie die Arme von Liem Nummer 2 langsam aber sicher nachgeben. Krampfhaft wehrt er sich, doch hat er bereits zu viel Blut durch seine andere Wunde verloren.

Während meine Augen dieses fast schon unrealistische Szenario verfolgen, muss sich mittlerweile das pure Entsetzten auf meinem Gesicht wiederspiegeln.

Es ist nicht mehr als ein Wispern, als ich die Worte: „Hört auf...", über meine trockenen Lippen bringe. Wie am Laufband wiederhole ich sie immer und immer wieder. Jedes Mal ein wenig lauter. Bis sie den kompletten Raum zu füllen scheinen. Doch durchdringen zu den beiden tuen sie nicht.

Inzwischen sind auch die Hände von Liem Nummer 1 in rot gefärbt. Die rote Flüssigkeit seines Gegenübers schlängelt sich ihn Bahnen träge die Klinge hinab.

Ein lauter markerschütternder Schrei ertönt, als die Hände von Liem Nummer 2 dank all seinem Blut von der Dolchklinge abrutschen, und sie sich in sein Fleisch bohrt.

Langsam sackt er auf die Knie. Der Schrei weicht nicht mehr als einem Stöhnen, als der Attackierende den Dolch unsanft rauszieht. Begleitet von einem ekeligen Geräusch. Schnaufend weicht er von ihm zurück, und lässt die blutüberströmte Waffe auf den Boden fallen. Ein hoher Ton erklingt, welcher mich aus meiner Schockstarre holt. Mein Kopf brummt als sich ein stechender Schmerz dort breit macht.

„Wa-Was hast du getan?", wende ich mich fassungslos an den stehenden Liem.

„Einen Gefallen getan. Und zwar dir."

„Was für einen Gefallen? Du hast gerade jemanden tödlich verletzt!", werfe ich ihm nun lauter vor.

Ohne einen weiteren Kommentar, welcher seine Taten entschuldigen würde, richtet er keuchend seinen kühlen Blick auf mich und wischt sich mit dem Handrücken Blut aus dem Gesicht. Rasch geht er plötzlich einen großen Schritt auf mich zu und packt mich grob am Arm. Panik breitet sich in mir aus als ich bemerke, dass er dabei ist mich vom immer noch am Boden knienden, röchelnden Liem weg zu zerren.

Um mich schlagend bemühe ich mich gegen seinen kräftigen Griff zu wehren, doch vergebens.

Verzweifelt versuche ich ihm zu erklären, dass wir ihn nicht da liegen lassen können, dass er sterben würde. Doch scheint ihn das nicht im Geringsten zu interessieren.

Bevor wir um die nächste Ecke biegen, bemerke ich noch wie Liem schwächelnd seine Hand nach mir ausstreckt, um die meine um mich schlagende zu ergreifen.

Trust no AssassinWhere stories live. Discover now