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Montag 07.04.2052; 03:34 Uhr

Schweißüberströmt, die Worte des Alptraums noch auf den Lippen, wache ich auf, und fahre hoch. Immer noch in Schockstarre verweilend, streiche ich mir meine Harre aus dem Gesicht.

Was war das? Ein Traum?

Wie paralysiert greife ich nach meinem Handy um nachzusehen wie viel Uhr wir haben.

03:34 Uhr.

Zu früh um aufzustehen, zu aufgedreht und nervös um wieder einzuschlafen.

Bis ich einen sich schnell bewegenden Schatten an meinem Fenster vage zu vernehmen vermag. Blitzschnell drehe ich mich ihm zu.

Ein Vogel?

Nein, weit gefehlt.

Ich kneife meine Augen kräftig zusammen, während sie sich noch an die Dunkelheit gewöhnen, und versuche die Konturen der Kreatur genauer zu analysieren. Anfangs sind die sie noch unscharf, werden jedoch von Atemzug zu Atemzug deutlicher.

Verdattert weiche ich zurück als ich anfange zu verstehen. Mein Gegenüber scheint genauso perplex zu sein wie ich.

„Du bist noch wach?"

Ich traue meinen Augen nicht.

„Was zur Hölle machst du hier?"

„Ich war gerade in der Gegend."

Entschieden hebe ich eine Augenbraue.

„Ich meine was machst du HIER?"

„Hallo sagen?"

Okay jetzt wird es komisch.

„Rück schon raus mit der Sprach, Liem."

Für einen Moment lang richtet er seinen intensiven Blick auf mich, bis er hinter sich zeigt und meint: „Ich will dir was zeigen. Bist du dabei?"

Okay, die Frage kam unvorbereitet. Immer noch fassungslos sitze ich im Schlafanzug, und durchgeschwitzt vor ihm. Er extrem lässig in meinem Fensterrahmen hockend.

Dabei habe ich das, was auch immer es war, noch längst nicht verarbeitet!

Ein relativ lautes Seufzen entfährt mir. Nachdem ich eh schon wach bin, und die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass das kein Traum ist, ist es doch nun auch egal was ich mache. Ich meine, warum sollte Liem mitten in der Nacht zu mir kommen, und mir etwas zeigen wollen. Oh Gott, was mein Unterbewusstsein sich wieder alles zusammenreimt.

„Gib mir 5 Minuten, dann bin ich unten."

Seinem knappen Nicken zufolge hat er verstanden, und er verschwindet auf demselben Weg, wie er hereinkam. Überrascht wie flink er ist, während er an der Fassade hinunterklettert, schwöre ich mir, dass ich das nächste Mal mein Fenster über Nacht schließe. Und wenn ich es während eines Traumes tun muss!

Rasch ziehe ich mir frische Klamotten an, binde mir meine Harre zu einem Zopf zusammen, und versuche so leise wie möglich mich aus der Wohnung zu schleichen.

Unten angekommen, sehe ich bereits wie Liem, mit einem 2. Helm in der Hand, entspannt an sein Motorrad angelehnt, auf mich wartet.

Als er mich bemerkt, schmeißt er mir den Helm zu. Ungeschickt fange ich ihn, und hätte schwören können, trotz der stockdunklen Nacht, ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen.

„Schön dich zu sehen," wispert er kaum hörbar. Während ich ihm ebenfalls ein schwaches Lächeln schenke.

„Wo geht's denn hin?"

„Lass dich überraschen."

Und somit setze ich mir den Helm auf, nehme hinter ihm Platz und lege sanft meine Arme um seine Taille.

„Du musst schon fester zugreifen, wenn du nicht in der erstbesten Kurve runterfallen willst.", erklärt er mir, seinen Blick nach vorne gerichtet.

Nun etwas unangenehmer und mindestens einen Ticken röter im Gesicht, greife ich kräftiger zu.

Leise höre ich wie der Elektromotor aufsummt, während ich neugierig beobachte wie er die Bremse zieht, und den Gasgriff bedient.

Ein- zweimal lässt er ihn aufsummen, bis er voll Gas gibt.

Der kalte Fahrtwind fegt mir durch die Harre, und zerstört meine gerade eben noch gemachte Frisur. Langsam kriecht die Kälte unter meine Arme und verursacht leicht Gänsehaut. Unbewusst klammere ich mich fester an Liem, um mehr seiner Körperwärme spüren zu können.

Nach etwa einer halben Stunde haben wir den Stadtrand von Morora erreicht. Neben uns ziehen in rasender Geschwindigkeit die letzten Hochhäuser vorbei. Während wir mit Vollgas auf die Kuppel zufahren.

Erst jetzt realisiere ich, dass uns die Kuppel nicht hindurch lassen wird. Wir werden an ihr abprallen, wie ein Vogel der gegen eine Fensterscheibe fliegt.

„Liem, du musst stoppen!", versuche ich mit meiner Stimme gegen den Wind anzukommen. Doch gefühlt dringt sie nicht durch. Er gibt immer mehr Gas.

„Liem-"

„Vertrau mir!"

Und so vertraute ich ihm ein weiteres Mal.

Ich bleibe still, vertraue ihm und lasse ihn machen. Er weiß was er tut, rufe ich mir immer wieder ins Gedächtnis. Ja, er weiß es.

Trust no AssassinWhere stories live. Discover now