Kapitel 4: Sarameh

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  Gegen Mittag machte die Kolonne eine kurze Pause, um die Pferde zu tränken und sich die Beine zu vertreten. Ich war froh über den Halt, denn in der Kutsche war es langweilig und ich war allein und um zu lesen ruckelte und wackelte es zu sehr.
Ich kannte niemanden, also lief ich alleine ein kleines Stück den Bach entlang, aber nur soweit, wie sich die Südländer verteilt hatten. Alle lächelten sie freundlich und verneigten sich, aber niemand sprach mich an.
Zurück an der Kutsche warteten zwei junge Frauen auf mich. Es waren meine Zofen.
Die eine stellte sich als Roya vor, sie war dunkelhäutig, mit kurzgeschorenen Haaren und stammte wahrscheinlich aus dem Südwesten, ihrem Akzent nach zu urteilen aus einem anderen Land.
Die andere hieß Sarameh. Sie war groß und schlank, hatte langes, glänzendes braunes Haar und tiefblickende graue Augen. Um ihre Lippen spielte stets ein neckisches Lächeln.
"Rajan bat uns, uns um Euch zu kümmern, Mylady", sagte Sarameh mit leiser Stimme. "Wir werden Eure Bediensteten und Freundinnen sein."
Es war das erste Mal, dass ich hörte, wie jemand Lord Thymeris beim Vornamen nannte. War es im Süden Sitte, das Bedienstete ihre Herren beim Vornamen nannten? Allerdings fiel mir auf, das Roya über ihn mit 'Lord' sprach. Ich schrieb es ihrer anderen Herkunft zu.
Als wir weiter fuhren leisteten mir die beiden Frauen Gesellschaft und erzählten mir einiges über den Süden und über die Königsstadt. Auch erzählten sie mir, dass es eine Besonderheit war, dass in der Kolonne alle beritten waren. Normalerweise mussten die normalen Gefolgsleute zu Fuß gehen. Lord Thymeris wollte schnell voran kommen und seine Lordschaft verfügte über viele Pferde.
Als es Abend wurde und die Kolonne erneut anhielt, musste ich feststellen, dass wir uns irgendwo auf der großen Landesstraße befanden und weit und breit kein Gebäude zu sehen war. Roya erklärte, dass wir uns nicht nach Gasthäusern richten, sondern immer dort Pause machen würden, wo Lord Thymeris es an der Zeit dafür fand.
Es wurden nur zwei Zelte aufgebaut. Eines für mich und eines für den Lord. Normalerweise wurden keine Zelte errichtet, erfuhr ich, denn was man nicht aufbaute, musste am nächsten Morgen auch nicht wieder abgebaut werden. Lord Thymeris erschien mir immer mehr suspekt. Er verhielt sich nicht so, wie andere Lords und stellte sich in vielen Hinsichten nicht einmal über seine Dienerschaft.
Mein Zelt war ganz nett eingerichtet und durch die vielen Kerzen wirkte es recht gemütlich. Mein Nachtlager bestand aus einem leichten Bettgestell aus Holz und vielen edel aussehenden Kissen und Decken, wahrscheinlich aus südländischem Tuch. Der Boden war komplett ausgelegt mit verschiedenen Teppichen. Drei Stühle und ein kleiner runder Tisch standen in der Mitte und am Rand vier große Truhen, die ich als die mit meinen Sachen erkannte, und ein kleiner Tisch mit einer Waschschüssel. Neben meinem Bett stand ein kleiner Kohleofen, der bereits entfacht war.
Seufzend ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. Der Tag war anstrengend gewesen, auch wenn ich nur in der Kutsche gesessen hatte. Oder gerade deswegen.
"Mylady?", erklang eine Stimme vor dem Zelt. Schnell setzte ich mich grade hin und strich meinen Rock glatt, so gut es nach einem Tag sitzen eben ging.
"Tretet ein."
Sarameh kam ins Zelt und lächelte mich geheimnisvoll an. "Rajan bittet Euch, ihm die Ehre zu erweisen und mit ihm zu speisen."
"Oh", entfuhr es mir nur. So etwas wie ein gemeinsames Abendessen hatte ich irgendwie vergessen.
Sarameh lächelte nur und ging an mir vorbei zu den Truhen mit meiner Kleidung. "Wascht Euch, Mylady, ich werde Euch etwas passendes zum Anziehen suchen."
Völlig überrumpelt nickte ich nur, rappelte mich auf und lief zur Waschschüssel. Mit einem Blick zu meiner neuen Zofe nahm ich den Lappen, tunkte ihn ins Wasser und wusch mir mein Gesicht und mein Dekolleté.
Sarameh schaute auf und sah mich skeptisch an. "Wie wascht Ihr Euch denn? Die Reise war anstrengend, erfrischt Euch etwas!" Sie trat hinter mich, löste die feinen Bänder meines Kleides und half mir hinaus, bis ich nur noch im Unterkleid da stand. Als sie mir das auch noch ausziehen wollte sprang ich einen Schritt zurück. "Halt."
Doch Sarameh lachte nur und kam hinterher. "Ach, Mylady, Ihr müsst wirklich keine Scheu haben. Ich denke nicht, dass Ihr etwas habt, was ich nicht habe. Seht ihr." Mit ein paar Handgriffen löste sie ihr Oberteil und warf es zu Boden, sodass sie nun mit entblößtem Oberkörper vor mir stand. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen und versuchte überall hinzugucken, nur nicht auf ihre Brüste. Nicht einmal, als sie mir mein Unterkleid auszog und begann mich von oben bis unten zu waschen, sah ich sie an. Irgendwie hoffte ich jeden Moment aufzuwachen, in meinem Bett in Schneewacht zu liegen und immer noch ein kleines Mädchen zu sein, bei dem niemand auf die Idee kam es zu vermählen. Doch ich wachte nicht auf, denn das hier war die Realität.
"Schaut, Mylady, dieses Kleid ist bezaubernd."
Sie hielt ein hellblaues Kleid mit silbernen Bestickungen in der Hand. Tatsächlich eines meiner Lieblingskleider.
"Es hat beinahe dieselbe Farbe, wie Eure Augen." Sie lächelte mich kokett an. "Rajan wird sich an seiner Zunge verschlucken."
Ich zuckte nur die Schultern und nickte. Immer noch stand ich nackt da. Neben Saramehs exotischer Schönheit war ich total eingeschüchtert und fühlte mich wie ein tölpelhaftes Bauernmädchen.
Als sie mit mir fertig war, sah ich eher aus, als würde ich auf einen Ball mit dem König gehen, als dass ich kurz mit irgendwem zu Abendessen sollte.
Kritisch betrachtete sie mich noch einmal von oben bis unten und trat noch einmal auf mich zu, um eine blonde Locke herauszuziehen. Auch das ließ ich einfach über mich ergehen. Aber als sie dann anfing an meinen Brüsten herum zu fummeln, erwachte ich aus meiner Trance. "Was..."
"Keine Sorge, Mylady." Sorgsam bauschte sie meinen Busen etwas auf und zog den Ausschnitt des Kleides etwas tiefer. "Ich richte Euch nur passend her."
"Aber meinst du nicht, dass es etwas... offenherzig ist?" Unsicher betrachtete ich mich im Spiegel.
Sie lachte ihr glockenklares Lachen. "Nicht doch, Mylady. Er soll doch sehen, was er an Euch hat. Was ihn erwartet. Lasst ihn lauern, nach Euch lechzen." Wie eine Raubkatze schlich sie um mich herum, blieb schließlich hinter mir stehen und sah mich im Spiegel an. "Rajan mag es gerne etwas... wilder." Sie biss sich kokett auf die Unterlippe und zwinkerte.
Bis ich mich wieder gesammelt hatte und fragen wollte, was diese Anspielung bedeuten sollte, zog sie mich mit sich.
"So, jetzt aber eilig. Rajan erwartet Euch bestimmt bereits."


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