Kapitel 40: Entscheidung

5.2K 411 8
                                    

„Was?", platzte es fassungslos aus mir heraus. Carlas Gründe zu lügen konnte ich noch einigermaßen nachvollziehen. Aber dass dieser Mann tatsächlich vor dem König log und dann auch noch so hinterhältig und eiskalt, das konnte ich kaum fassen. „Das ist nicht wahr!"
„Natürlich ist das wahr", erwiderte er nur kühl und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin mir sicher, dass sie nichts Gutes im Schilde geführt hat. Vielleicht ist das auch alles Teil einer größeren Verschwörung, wer weiß."
„Wollt Ihr damit eventuell sagen, dass sich Schneewacht des Verrats verschuldet hat?", hörte ich Rajans scharfe Stimmen von hinten.
Sanners lachte auf und zuckte die Schultern. „Wer weiß? Das wäre doch mal ein Drama. Die ewig treuen Nordmänner als hinterlistige Vorantreiber der Rebellion."

„Ihr bewegt Euch auf sehr dünnem Eis, Lord Sanners!", warnte mein Verlobter. „Lord Braiden hat sich nichts zu schulden kommen lassen!"
„Und? Ich ebenfalls nicht! Ich stehe hier, um einen Fall von Hochverrat aufzuklären und werde permanent kritisiert und angegriffen!"
„Ihr seid in letzter Zeit auch nicht gerade durchweg positiv aufgefallen."
„Oh, aber der verehrte Ragnar natürlich nur", spottete er und ich ballte die Hände zu Fäusten. Wieso sprach er so abfällig von meinem Vater? „Ihr habt doch so ein helles Köpfchen, Lord Thymeris. Sind es denn nicht meistens die tadellosen und unauffälligen die am Ende den Dolch in der Hand halten?"

„Das ist eine äußerst interessante Ansicht, Mylord."
Die bekannte Stimme hallte laut und deutlich durch den Raum, obwohl sie vom hinteren Ende des Saales kam. Ich riss erstaunt die Augen auf, als ich den grauen Turm auf den weißen Wappen der vier Gardisten anstarrte, die sich hinter zwei sehr vertrauten Gestalten aufgebaut hatten.
„Arlisar! Arjon!"
Meine Brüder kamen den Weg zwischen den viele Menschen entlang zu uns, während Arlisar fortfuhr.
„Meinen Vater wird Eure Meinung bestimmt ebenso interessieren. Seid versichert, dass diese das Verhältnis zwischen Schneewacht und Birkenhain ein wenig ändern wird." Er lächelte sein selbstbewusstes, offenes Lächeln, als ob er nicht gerade eine Drohung ausgesprochen hätte.
„Euer Majestät", wandte er sich nun an Odrick und verneigte sich vorschriftsmäßig, Arjon tat es ihm still und leise nach. „Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass wir ungebeten in diese Verhandlung hereinplatzen, doch wir hörten, dass es sich hierbei um eine Anklage gegen unsere Schwester handelt."
Sein Blick glitt zu mir und ich beruhigte mich augenblicklich, als ich in seine grauen Augen blickte. Arlisar war nun da, es würde alles gut werden. Es ist immer alles gut geworden, wenn er da war.
Der König seufzte. „Ja, das ist wohl wahr. Und anscheinend steht Aussage gegen Aussage."
Sanners gab ein ungläubiges Geräusch von sich. „Aussage gegen Aussage? Aber mein Sohn-"
„Euer Sohn sah vielleicht, dass sie miteinander sprachen, aber da er keine Worthandlung bezeugen kann, hilft er uns in diesem Fall nicht besonders weiter. Lord Thymeris, wie viel habt Ihr mitbekommen?"

Es war komisch zu hören, wie Odrick ihn so ansprach, aber da es sich hierbei um einen gesetzlichen Prozess handelte, musste er vermutlich formell bleiben.
Rajan zog knapp eine Augenbraue hoch, als er zu seinem Vetter hoch sah. Er schien zu grübeln, seufzte dann aber. „Ich fürchte ich kann auch nicht zur Lösung dieses Konfliktes beitragen. Als ich eintraf, war Gan Sanners ebenfalls da und bedrohte Lady Aree."
„Inwiefern?"
„Züchtigung. Mit dem Gürtel."
Odrick sah stirnrunzelnd zu Gan, wie er offensichtlich hieß. „Ihr wisst, dass Ihr Euch dadurch strafbar gemacht hättet? Sie ist Angehörige des Hochadels, Ihr habt kein Recht sie zu züchtigen."
„Das war nicht meine Absicht. Ich wollte ihr nur drohen, damit sie von meiner Schwester ablässt."
Ich bezweifelte zwar stark, dass er seine Drohung nicht ernst gemacht hätte, aber trotzdem schwieg ich. Meine Position war glaubhafter, wenn ich nicht permanent dazwischen redete.

„Wieso kamt Ihr Eurer Verlobten überhaupt hinterher?", fragte Sanners lauernd. „Ihr hattet getrennte Gemächer, Ihr konntet gar nicht mitbekommen, dass sie ihr Zimmer verließ."
Rajan warf ihm einen mörderischen Blick zu. „Ihre Gardisten unterrichteten mich davon. Sie sei einer weinenden Frau gefolgt."
„So etwas erwähntet Ihr doch, nicht wahr, Lady Aree? Ihr hörtet jemanden weinend an Eurer Tür vorbeilaufen und hieltet sie für Lady Sanners?"
Ich nickte und versuchte es möglichst selbstsicher und nicht zu eifrig wirken zu lassen. Das war gut, das stärkte meine Position.
„Ach, Schwachsinn!", fauchte Sanners, der ebenfalls bemerkte, dass meine Version begann glaubhafter zu werden. „Das sagt er doch nur, um seine Hexe vor ihrer gerechten Strafe zu bewahren!"
Ich sah wie Arlisar ernst die Augenbrauen hochzog, während Rajan finster lachte.
„Wollt Ihr mich nun auch beschuldigen, Mylord? Ihr macht Euch heute nicht sehr viele Freunde."

Stern des NordensTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon