Kapitel 18: Reiter aus Norden

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„Sire!"
Ich sprang so hastig zurück, dass ich fast gestolperte wäre und es vermutlich nur einem Adrenalinstoß zu verdanken hatte, dass ich mich noch fangen konnte.
Ein Wachsoldat mit einer Fackel kam auf uns zu. Etwas irritiert sah er zwischen uns hin und her. „Oh, äh.... verzeiht, Mylord, ich wollte nicht..."
Ich vermutete, dass der junge Mann errötete und auch mir stieg das Blut ins Gesicht. Zur Hölle, wir waren verlobt, ich brauchte mich doch eigentlich nicht zu schämen, wenn man uns so erwischte, oder?
„Was ist?", knurrte der Lord, er klang fast schon aggressiv.
Die junge Wache zog den Kopf ein, sprach aber. „Mylord, die Späher haben eine Gruppe von Reitern aus Richtung Norden gesichtet. Sie steuern vermutlich das Gasthaus an."
So schnell wie mir eben das Blut in die Wangen geschossen war, wich es auch wieder aus meinem Gesicht. Reiter aus Norden. Was wenn Lord Sanners... Schließlich dürften sie mich für eine Saboteurin aus einer feindlichen Verschwörung halten, die versuchte die Lordschaft durch Spaltung der Familie zu schwächen.
Lord Thymeris wandte den Kopf und sah mich scheinbar endlose Sekunden an. Ich starrte zurück, wahrscheinlich sah ich aus wie ein verschrecktes Häschen. Er musste wissen, was ich dachte.

„Führen sie ein Banner?"
~
„Sie sind bereits eingetroffen, Mylord", raunte eine Wache Lord Thymeris zu, da ich an dessen Arm hing, hörte ich es. Wir befanden uns auf dem Hof vor dem Gasthaus.

Ich sah noch, wie junge Burschen ein paar verschwitzte Pferde in den Stall führten, bevor uns ein Soldat die Tür aufhielt und wir den Schankraum betraten.
Im Inneren herrschte trotz – oder gerade wegen – der vorangeschrittenen Uhrzeit muntere Stimmung. Alle Tische waren vollbesetzt, die Männer mit ihren vollen Bierkrügen unterhielten sich kreuz und quer durch den Raum und verschütteten bei wilden Gestikulierungen die Hälfte ihrer Getränke, was sie aber nicht weiter scherte, sie bestellten einfach neues. Mitten im Getümmel huschten einige prallbusige Schankmägde mit vollen Tabletts durch die Gegend. Mir wurde fast übel, wenn ich sah, wie die Kunden ihnen mit gierigen Blicken hinterher gafften oder auch ab und zu mal einen beherzten Griff wagten. Dennoch war mir sehr wohl bewusst, dass das zum Geschäft gehörte und den Verkauf ankurbelte.
Mein Blick huschte unruhig durch den Raum, durchsuchte die vielen Gesichter nach einigen bekannten, was jedoch gar nicht so einfach war, bei dem Ansturm dort.

Der Lord neben mir beugte sich gerade zu mir herunter, um etwas zu sagen, da erklang bereits eine andere Stimme.
„Aree! Herrgott, bist du es wirklich?"
Ich wandte mich in die Richtung, aus der gerade jemand gesprochen hatte und sah in ein breit grinsendes Gesicht, das Gesicht, dass ich hoffnungsvoll gesucht hatte. Automatisch musste ich auch Lächeln.
„Janus!" Ich streckte ihm freudig meine Hände entgegen, doch er ignorierte sie und schloss mich einfach in eine stürmische Umarmung.

„Gott, wie ich dich vermisst habe", nuschelte er in meine Haare.

Ich erwiderte die Umarmung, trotzdem fühlte ich mich unwohl, in dem Wissen, dass mein Verlobter direkt neben uns stand und zusehen musste, wie ich von einem ihm fremden Mann so innig gehalten wurde. So schnell es ging und Janus es zuließ, schob ich ihn von mir, um in sein Gesicht zu sehen.

Sein rot-blondes Haar stand zerzaust in alle Richtungen ab und sein Gesicht war vermutlich von dem Ritt und der Aufregung gerötet. In seinen blauen Augen stand das fröhliche Glitzern, dass dort immer zu finden war. Ich lächelte. Er hatte sich kaum verändert, er war immer noch der schlaksige Junge, den ich zuletzt vor einem dreiviertel Jahr gesehen hatte.

Als mir Lord Thymeris wieder in den Sinn kam schob ich eilig Janus' Hände von meiner Hüfte, die er wider meines Willens dort platziert hatte und sah zu meinem Verlobten auf. Dieser hatte einen undurchdringlichen Blick aufgesetzt, mit dem er Janus aufmerksam musterte.

„Mylord, das ist-", setzte ich an, wurde jedoch so gleich von ihm unterbrochen.

„Janus Bogard von Fjordhaven , nehme ich an." Seine Stimme klang neutral, er streckte dem Jungen die Hand hin.

Janus wandte seinen Blick von mir zu ihm und so gleich verschwand sein Lächeln. „Sehr wohl", antwortete er trocken und ergriff die Hand.

Dann trat eine unangenehme Stille ein. Natürlich wurde es nicht wirklich still, die Männer im Schankraum interessierten sich gar nicht für uns sondern plapperten fröhlich weiter, aber die Atmosphäre zwischen Janus und Lord Thymeris war eiskalt.

In der Hoffnung noch irgendetwas retten zu können, räusperte ich mich. „Mylord, Janus war für zwei Jahre ein Mündel meines Vaters. Lord Bogard ist ein Lehnsmann meines Vaters, sie sind gut befreundet."

Lord Thymeris wandte den Blick seiner braunen Augen zu mir, ich lächelte vorsichtig. Er erkannte meine stumme Bitte.

„Nun", brummte er. „Suchen wir uns einen Tisch, es gibt wohl einiges auszutauschen."



Stern des NordensWhere stories live. Discover now