Kapitel 37: Kasgarth

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„Beinahe hättet Ihr mich vor der gesamten Hofgesellschaft blamiert", flüsterte Demian in mein Ohr und lachte leise. Ich machte mir nicht einmal die Mühe mir ein höfliches Kichern abzuzwingen. Stattdessen hatte ich eisern den Kopf weggedreht und versuchte alles so gut wie möglich zu ignorieren, seine Nähe, die vielen Blicke auf uns und ganz besonders den Blick eines einzelnen Augenpaares.
„Ich muss zugeben, ich war etwas enttäuscht, dass Ihr bei meinem Sieg nicht mehr anwesend wart."
„Verzeiht, ich musste nach meinem Verlobten sehen."
Er lachte wieder. „Sehr löblich! Hat er sich denn schwer verletzt?"
„Nein, er ist wohlauf."
„Das ist erfreulich."
„Ja", meinte ich nur noch knapp. Zur Antwort bekam ich ein leises, belustigtes Schnauben, dann schwieg er endlich.
Kaum hatte ich mich auf die Tanzfläche führen lassen, hatte mich auch schon das schlechte Gewissen überkommen. Ich hätte mit Rajan tanzen sollen, er war mein Verlobter. Ich fragte mich, was jetzt wohl in ihm vorging. War er wütend? Aber eigentlich hatte er keinen Grund dazu. Demian hatte mich zum Tanz aufgefordert und da er der Gewinner des Turniers war, hatte ich ja wohl schlecht ablehnen können. Daher entschloss ich mich, zu meiner Entscheidung zu stehen und diese Sache zu Ende zu bringen.

Ich hatte das Gefühl, dass sich Demians Blick in meine Seite einbrannte, aber ich weigerte mich stur, ihn anzusehen. Meiner Ansicht nach war er etwas aufdringlich und auch etwas unverschämt. Wir kannten einander nicht, und obwohl er oberflächlich höflich blieb, lachte oder grinste er über alles was ich sagte und nahm meine Versuche, Abstand von ihm zu halten, kein Stück ernst. Er nannte mich 'Lady', tat aber ansonsten so, als seien wir alte Bekannte. Er hielt den Mindestabstand zwischen uns beim Tanz ein, hatte seine Hand aber so eisern an meinen Rücken gepresst, dass ich nicht die Chance hatte, ihm etwas zu entwischen. Was, bitte, stimmte nicht mit diesem Mann? Ich hoffte nur, dass er mich danach endlich in Ruhe ließ.
Die Zeit verging schleppend. Ich bildete mir ein, dass jeder Blick, der meinem begegnete, ein finsterer und vorwurfsvoller war. Die Ecke in der Rajan und Odrick standen ignorierte ich geflissentlich.
Grade als ich schon dachte, die Musiker würden nie eine Ende finden, spielten sie die letzten paar Töne und mit einer abschließenden Drehung kamen wir zum Stehen. Mit einem leisen, erleichterten Seufzer wollte ich von Demian wegtreten, doch er verfestigte den Griff um meine Hand und drückte mich am Rücken wieder zu ihm. Er grinste und seine hellen Augen funkelten frech. Er öffnete den Mund und schien etwas sagen zu wollen, als er den Blick plötzlich von meinem Gesicht riss und etwas hinter mir anstarrte. Ich spürte eine Berührung an der Taille und augenblicklich nahm Demian die Hand von meinem Rücken, hielt meine Finger aber immer noch fest.
„Ob ich Euch wohl ablösen darf, Demian?"
Bei dem Klang der bekannten, tiefen Stimme lief mir ein Schauer über den Rücken, bei welchem ich selber nicht ganz deuten konnte, ob er vor Freude oder Schreck war. Ich wandte den Kopf und sah Rajan neben mir. Er hatte die Lippen zu einem leichten Lächeln verzogen, doch seine Augen waren hart und unberührt.
Demian setzte das Grinsen, welches er kurz verloren hatte wieder auf. „Aber selbstverständlich. Ich hatte nie die Absicht Euch Eure Verlobte vorzuenthalten, Mylord." Er wandte sich an mich, verbeugte sich elegant und gab mir einen Kuss auf die Hand, die er festgehalten hatte, wobei er schelmisch zu mir aufsah. „Ich danke Euch vielmals, dass Ihr mir diesen Tanz geschenkt habt, Lady Aree." Damit zwinkerte er noch einmal, wandte sich um und verschwand zwischen den Leuten, die sich mittlerweile auf der Tanzfläche verteilt hatten.

Vorsichtig sah ich wieder zu Rajan, der mit zusammengezogenen Augenbrauen an die Stelle starrte, an der Demian soeben verschwunden war. Der Sohn von Lord Kasgarth hatte mit keinem Wort etwas gegen meinen Verlobten gesagt, dafür war dieser anscheinend überhaupt nicht begeistert von ihm.
„Hat er irgendetwas getan?"
„Was?" Irritiert schob ich meine Gedanken beiseite und sah zu Rajan, der ernst auf mich herabschaute.
„Kasgarth. Ist er dir irgendwie zu nahe gekommen?"
Er war hartnäckig, ja. Aber zu nahe gekommen?
„Nein..."
Er musterte kurz mein Gesicht, dann seufzte er und rieb sich den Nasenrücken. „Hör zu, Aree. Du magst es eventuell nicht verstehen, aber ich möchte, dass du dich von ihm fernhältst. Weder dein Vater, noch Odrick oder ich hegen irgendwelche Sympathien zu Lord Kasgarth und seiner Familie. Er ist ein Hoher Lord, deshalb hat er das Recht auf Anwesenheit in der Königsstadt, aber es existiert keinerlei vertrauliche Bindung. Es ist schwer, das zu erklären, deswegen... bitte, halte Abstand."
Seine braunen Augen schauten mich fast schon flehend an, während er sich unruhig eine entwischte Locke zurück strich. War mein schlechtes Gewissen also doch berechtigt gewesen.
„Es tut mir leid", murmelte ich leise. „Das wusste ich nicht."
„Das konntest du auch nicht." Er bemühte sich um ein Lächeln und es erreichte auch tatsächlich wieder seine Augen. Ich hätte es wissen können. Hätte mein Vater mich nicht von jeglicher Politik ferngehalten.
Therisa hätte es gewusst.
„Tanzt du mit mir?" Sein Lächeln wurde noch ein Stück breiter und die Grübchen zeigten sich.
Ich konnte nicht anders, als ebenfalls zu Lächeln und ergriff seine Hand.

Stern des NordensWhere stories live. Discover now