Kapitel 17: Spaziergang bei Mondschein

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  Schon nach ein paar Schritten unter dem Nachthimmel fiel mir auf, dass ich den Umhang eigentlich gar nicht benötigte. Der Frühling war bereits vorangeschritten und hierzulande war es generell wärmer als in Schneewacht. Lord Thymeris hatte von Anfang an den Mantel weggelassen. Vermutlich war er froh der Kälte des Nordens entkommen zu sein.
Eine Weile liefen wir schweigend nebeneinander her, ich hatte brav meine Hand in seine Armbeuge gelegt. Der Vollmond erhellte die üppige Landschaft um uns herum beinahe taghell, sodass der Lord keinen Soldaten mit einer Fackel hatte mitkommen lassen.
„Lady Aree, darf ich Euch eine Frage stellen?"
Ich sah zu ihm auf, doch er blickte stur gerade aus. „Sicher."
„Sie erscheint Euch eventuell etwas seltsam..."
Jetzt hatte er meine Neugier geweckt. Ich blieb stehen und da ich seinen Arm festhielt, war er gezwungen ebenso stehen zu bleiben.
Er erwiderte mein Lächeln etwas verschmitzt. „Sagt...Habt Ihr Angst vor mir?"
„Was?" Ich spürte wie das Lächeln aus meinem Gesicht wich und ich ihn verdutzt anstarrte. Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Wie kommt Ihr darauf?" Hatte er mein Verhalten wirklich so falsch gedeutet?
„Wie Ihr mir entgegen tretet, wie Ihr mit mir redet... Irgendwie hatte ich den Eindruck, ich würde Euch... Nun ja, verängstigen? Ich weiß nicht ob es das richtige Wort ist."
Bei seinem Herumgestottere musste ich jetzt doch wieder lächeln. Sein Blick huschte unruhig zwischen meinem Gesicht, dem Horizont und dem Boden hin und her, er schien nervös.
„Mylord, ich...", setzte ich an, doch ich fand nicht wirklich die richtigen Worte. Also atmete ich noch einmal aus und ein und versuchte es erneut. „Es ist nicht so, dass Ihr mir Angst einjagt. Wirklich nicht. Es ist eher so, dass Ihr mich... verunsichert. Doch ich denke, dass das normal ist, schließlich kenne ich Euch erst wenige Wochen."
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, seine Augen wirkten ebenso schwarz wie der Nachthimmel über uns. Doch dann wurde er wieder nachdenklich. „Ich muss zugeben, in letzter Zeit habt Ihr mich ebenso verunsichert. Eure abweisende Haltung hat es mir wirklich nicht leicht gemacht."
Betroffen senkte ich den Blick. Wäre mir doch nur früher aufgefallen, wie kindisch ich mich benommen hatte. Es war unangemessen und entgegen all meiner Erziehung, noch dazu hatte ich Lord Thymeris augenscheinlich beschämt.
Ich schrak leicht auf, als er meine Hand in seine nahm. Er bedachte mich mit einem warmen und aufrichtigen Blick, der mich irgendwie vergessen ließ, was ich eben noch gedacht hatte.
„Schämt Euch nicht", sprach er mit leiser Stimme. „Es ist meine Schuld. Ich habe Euch in Verlegenheit gebracht mit meiner Unbedachtheit am Lagerfeuer. Es hätte mir bewusst sein müssen, dass Ihr Euch noch viel zu fremd bin. Eure Ablehnung daraufhin war vollkommen nachvollziehbar." Er lächelte mich an, doch ich war außerstande es zu erwidern. Dachte er doch immer noch, dass ich ihm diese Annäherung übel nahm.
„Das war es nicht", murmelte ich leise, doch ich wusste, dass er mich hörte. Ich merkte wie er verwirrt seinen Griff um meine Hand lockerte und versuchte Blickkontakt mit mir aufzunehmen, doch ich wandte meinen ab und starrte auf einen großen dunklen Fleck am Horizont, vermutlich ein Waldrand.
„Was war es dann?", fragte er ebenso leise, der Griff um meine Hand jetzt wieder fester.
Meine Gedanken flogen kreuz und quer durch meinen Kopf. War es jetzt soweit? Sollte ich mit ihm über Sarameh sprechen? Ihn nach seinem Verhältnis mit ihr fragen? Doch wie würde er reagieren? War es unangemessen? Ich versuchte mir vorzustellen, was Meister Devid mir jetzt raten würde, doch leider wusste ich es nicht. Ich war hier gerade im Begriff meinen Verlobten auf seine Liebschaft mit meiner Zofe anzusprechen, vermutlich ziemte sich das nicht für eine Lady.
Ein Schauer jagte mir über den Rücken, als ich seine Finger an meinem Kinn spürte er und er meinen Kopf sanft in seine Richtung drehte. Verdammt, war er eben auch schon so nah?
„Aree." Er flüsterte fast, sein Stimmklang ließ mich erneut erschaudern. So warm, so... zärtlich. „Alles was ich will ist, dass es Euch gut geht, dass Ihr Euch wohl fühlt bei mir. Ich möchte eine Frau an meiner Seite, der ich vertrauen kann und die mir ebenso vertraut. Bitte, egal was es ist, Ihr könnt mit mir sprechen."
Unfähig überhaupt irgendetwas zu sagen oder zu denken, starrte ich ihm in die Augen. Wenn man genau hinsah, konnte man seine Pupille noch von der Iris unterschieden, obwohl es von dem seltsamen Licht des Mondes eigentlich nur schwarz schien. Seine Finger lagen noch immer an meinem Kinn, mit der anderen Hand hielt er meine. Auch wenn es nicht kalt war, war die Wärme die von im ausging sehr angenehm.
Ich nahm gar nicht richtig wahr, wie sich meine noch freie Hand nach oben bewegte. Vorsichtig strich ich mit den Fingerspitzen über seine Brust, bis zu seinem Hemdkragen, wo ich ich kurz ein bisschen mit dem weichen Stoff spielte.
Ich hörte wie er etwas lauter ausatmete und dachte, es klänge ein bisschen zittrig. Er ließ meine Hand los und legte sie an meine Taille, während meine Finger höher glitten und am Hals schließlich seine Haut berührte. Ein kleiner Schauer schien ihn zu erfassen und er zog mich mit einem Mal näher an sich, während meine Hand ihren Weg über seinen Hals fortsetzte. Unter meinen Fingerspitzen spürte ich seinen Puls, schneller, als ein normaler Herzschlag, aber bei weitem nicht so rasend wie meiner.
Er war mir nah, sehr nah. Unsere Gesichter trennten nur noch wenige, unscheinbare Zentimeter, die man ganz schnell hätte überbrücken können, aber noch tat es keiner von uns.
Sein Arm lag fest um meine Taille, während meine eine Hand auf seiner Brust lag und die andere langsam anfing seinen Kiefer zu erkunden. Er hatte eine schöne Linie, markant, aber nicht zu hart.
Wollte er nicht eigentlich noch eine Antwort haben? Egal, es schien vergessen zu sein.
Ich spürte seinen Daumen, der sanft über meine Wange strich und als ich meinen Blick von seinem Kiefer löste, stellte ich fest, dass seiner auf meine Lippen gerichtet war.
Meine Atmung ging stoßweise, aber auch dass nahm ich kaum war, als ich mich langsam auf die Zehenspitzen stellte.
„Aree", hauchte er. Der Griff um meine Taille wurde noch fester und er senkte den Kopf, kam mit seinen Lippen meinen entgegen...



Stern des NordensWhere stories live. Discover now