Kapitel 22: Über dem Schlossgarten

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Ich wusste nicht so ganz, ob ich etwas sagen oder lieber schweigen sollte, als ich beim König untergehakt war und mich von ihm durch die labyrinthartigen Gänge führen ließ. Ich wagte es nicht ein einziges Mal zu ihm auf zu schauen, spürte aber ab und zu seinen Blick auf mir.
„Wie war Eure Reise, Lady Aree?"
„Annehmlich, aber doch sehr lang." Schüchtern lächelte ich ihm zu . „Ich bin froh darüber, endlich in Goldstern zu sein."
„Ah, ja, es gefällt Euch hier bestimmt. Fühlt Euch wie zuhause, schaut Euch um, genießt das Schlossleben." Er grinste.
„Vielen Dank für Eure Gastfreundschaft, Euer Majestät."
Er neigte nur den Kopf und schwieg.
Eine Weile war nur das leise Scheppern der Rüstungen der Wachen zu hören, die uns in einigen Metern Abstand folgten.
"Wie geht es Ragnar? Hat er es übers Herz gebracht Euch gehen zu lassen, oder musste Rajan Euch ihm entreißen?"
Ich schielte knapp zu ihm hoch und begegnete sofort seinen dunkelbraunen, amüsiert glitzernden Augen. Schnell wandte ich den Blick wieder ab und kratzte innerlich eine passende Antwort zusammen.
"Selbstverständlich. Mein Vater ist sehr überzeugt von dieser Hochzeit."
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich wie er den Kopf schräg legte. "Und Ihr? Seid Ihr es auch?"
War da ein lauernder Unterton auszumachen?
"Natürlich bin ich das." Ich setzte noch ein dezentes Lächeln dazu, um es nicht allzu scharf klingen zu lassen.
Sein forschender Blick entging mir nicht. „Ihr wisst vermutlich, wie wichtig diese Hochzeit ist, nicht wahr?"
„Selbstverständlich."
„Gut."
Ein mulmiges Gefühl überkam mich. Prüfte er mich? Aber meine Zweifel verflogen sofort, als er ein kehliges Lachen hören ließ.
„Rajan ist ein guter Junge. Er ist treu und sehr loyal. Wenn Ihr ihn nur lasst, wird er Euch ein ergebener Ehemann sein."
Ich erwiderte sein Grinsen mit einem krampfhaften Lächeln, aber meine Gedanken irrten sofort zu dem Abend, als Sarameh nur leicht bekleidet, das Zelt des Lords verlassen hatte und zu ihren Worten, wie sie über ihn sprach. Schnell wandte ich den Blick wieder auf den Boden, damit der König meine Unsicherheit nicht bemerkte. Er schien sehr überzeugt von seinem Vetter.

~

Ich hatte ein schönes, geräumiges Zimmer mit vielen Fenstern und einem großen Balkon. Die Vorhänge und auch Teppiche waren in einem zarten Creme gehalten.
Der König hatte mich in mein Zimmer geführt und sich dann breit grinsend und mit einer übertriebenen Verbeugung von mir verabschiedet. Er wurde in zwei Tagen vierzig, verhielt sich aber irgendwie eher wie ein junger Bursche.
Ich schüttelte lächelnd den Kopf und sah mich noch etwas genauer um. Im rechten Teil stand ein breites Bett und ein großer Schrank, sowie eine Kommode mit Spiegel und Waschtisch. Links gab es ein leeres Regal und einen Tisch mit vier Stühlen vor einem großen, einladenden Kamin. So genau wusste ich nicht, wie lange wir in Goldstern bleiben würden, aber bestimmt so lange, dass ich mich hier ein bisschen einrichten konnte.
Direkt gegenüber von der Zimmertür gab es eine weitere, mit Rosenschnitzereien versehene Tür, die – wie ich es mir schon gedacht hatte – auf den Balkon führte. Er war halbkreisförmig und ebenso breit, wie die Fensterfront meines Zimmers. Ich überbrückte die paar Meter bis zur Balustrade und musste erst einmal innehalten.
Direkt unter meinem Balkon befand sich der riesige Schlossgarten. Nahezu bis zum Horizont erstreckten sich weite, saftige Wiesen, durchzogen von Wegen aus Sand oder hellen Pflastersteinen, die gesäumt wurden von großen Bäumen, sodass es beinahe wie kleine Alleen wirkte. Viele kleine Teiche und Brunnen waren durch diese Wege zu erreichen, auf deren Wasseroberflächen sich das Sonnenlicht brach und wie viele kleine Diamanten funkelte. Überall gab es Beete in denen bunte Blumen oder blühende Sträucher wuchsen und Büsche die alle zu perfekten Formen gestutzt waren.
Ich sah einige Bedienstete durch die Gegend huschen, die an den Beeten hantierten oder im Wasser zugange waren, doch was genau sie taten konnte ich aufgrund der Entfernung nicht ausmachen.
Irgendwo in der Nähe musste ein Vogelnest sein, denn ich hörte leises Gezwitscher und das Piepen der Jungtiere.

Ich schloss die Augen und lauschte den Klängen der Natur, während mir die Sonne ins Gesicht schien und mir der zarte Wind ein paar Haarsträhnen ins Gesicht wehte. Vielleicht bildete ich es mir ein, aber ich meinte den entfernten Geruch von salzigem Meerwasser wahrnehmen zu können.

„Wunderschön, nicht wahr?"
Erschrocken riss ich die Augen auf und fuhr herum, nur um direkt erleichtert die Luft auszustoßen.
„Verzeiht, ich wollte Euch nicht erschrecken." Er lächelte zaghaft und kam einige Schritte näher um sich neben mich zu stellen und einen Blick auf die blühende Natur zu werfen. „Der Schlossgarten von Goldstern soll der schönste des ganzen Landes sein."
Ich legte meine Hände wieder auf die Brüstung und sah ebenfalls hinab. „Ich habe gehört, der in Eden ist noch prachtvoller."
Er schnaubte und als ich aufsah betrachtete er mich mit einem amüsierten Glitzern in den Augen, welches mich jetzt irgendwie an seinen Cousin erinnerte. „Aber nur wenn man Kitsch und übertriebenen Prunk mag."
„Nun, das kann ich nicht beurteilen." Ich zuckte die Schultern. „Ward Ihr bereits dort?"

„Ja, und auch den Schlossgarten habe ich gesehen." Mit einem Lächeln lehnte er sich vor und stützte sich auf dem Geländer ab. „Die zwei Söhne von Lord Idle sind ebenfalls hier. Wegen des Turniers. Kennt Ihr sie?"
Kurz dachte ich nach, konnte aber nur den Kopf schütteln. Mein Vater hatte nie viel mit dem Lord von Eden zu tun, obwohl die beiden Lordschaften fast nebeneinander lagen.
„Peyton und Benjamin Idle." Um seine Mundwinkel spielte ein Zug, den ich nicht deuten konnte.
„Ihr mögt sie nicht besonders?", fragte ich deshalb vorsichtig.
Er wandte sein Gesicht wieder zu mir und ich bemerkte, dass es ein Grinsen war, dass er versuchte zu unterdrücken. „Ihr könnt Euch heute Abend selbst ein Bild von Ihnen machen." Damit stieß er sich von der Brüstung ab und richtete sich auf. „Eigentlich kam ich, um ein Versprechen zu halten."
„Hm?" Überrascht legte ich den Kopf schief. Ein Versprechen? Was konnte er meinen? Wann hatte er mir ein Versprechen gegeben und worauf bezogen?
Doch er lächelte nur geheimnisvoll und bot mir seinen Arm an.

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Hallo ihr Lieben, nächste Woche kommt wahrscheinlich kein Kapitel, die Woche darauf geht es aber weiter.  

Deshalb wünsche ich jetzt schon mal allen frohe Ostern ^-^

Stern des NordensWhere stories live. Discover now