Kapitel 7: Ein tiefgründiges Gespräch

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Ein Wachsoldat kam strammen Schrittes auf mich zu, in der einen Hand eine Fackel, die andere auf seinen Schwertknauf gelegt. Er kniff die Augen zusammen und reckte die Fackel in meine Richtung, um etwas erkennen zu können.
Ich stand einfach nur da, rührte mich nicht und sagte auch keinen Ton.
Als er mich offensichtlich erkannte, entglitten ihm die Gesichtszüge.
"Mylady! Was... Holt den Lord!", rief er einem anderen Soldaten zu, der gerade herbei kam.
Es dauerte nicht lange bis Lord Thymeris da war. Er erschien nur bekleidet mit einem einfachen Leinenhemd, einer Hose und Stiefeln. Seine Locken waren aus dem Gesicht gestrichen, aber nicht wirklich geordnet.
"Geht", sagte er zu seinen Wachen, ohne sie anzusehen. Sie verneigten sich knapp und entfernten sich dann strammen Schrittes, das Licht der Fackeln ging mit ihnen.
Ich schluckte und richtete meinen Blick auf Lord Thymeris. Dieser sah mich ebenfalls an und näherte sich ein paar Schritte.
"Friert Ihr, Mylady?", fragte er mit leiser Stimme, während er schon die Decke ausbreitete, die er offenbar mitgebracht hatte, und sie mir um die Schultern legte.
"Danke", murmelte ich leise und sah zu Boden.
Eine Weile schwiegen wir. Ich spürte seinen Blick auf mir Ruhen, sah aber nicht auf. Irgendwann wandte er sich ab und starrte auf die weite Ebene hinaus.
"Der Norden bewahrt eine wundersame Schönheit", begann er. Ich hob den Blick und betrachtete ihn von der Seite, wie er nachdenklich in die Ferne schaute. "Die Landschaft scheint so karg und trostlos, irgendwie... kalt und abweisend. Aber auf den zweiten Blick entdeckt man hier soviel Schönes." Kurz sah er mich an. "Das erste Mal, dass ich hier war - vor zwei Jahren, vielleicht erinnert Ihr Euch noch." Er stockte kurz, vielleicht erwartete er, dass ich antwortete, doch ich blieb still, bis er fortfuhr. "Bei einem Ausritt von der Feste Schneewacht sahen wir einen zugefrorenen Wasserfall. Ich war so fasziniert..."
Ich wusste von welchem Ort er redete. Es war ein schmaler Fluss, der den Fall hinabstürzte, an dessen Fuß ein kleiner See lag. Im Sommer waren Cathleen und ich dort immer heimlich Baden gegangen. Gut, wir haben es nie weiter geschafft, als bis zu den Knien, weil Temperatur und Wasser dann doch zu kalt waren, aber Spaß hatten wir immer. In besonders kalten Wintern fror sogar manchmal der Wasserfall zu und wenn dann die schwachen Strahlen der Sonne darauf fielen war es immer ein unglaubliches Schauspiel von Farben und Glitzern.
Jetzt erst bemerkte ich, dass Lord Thymeris mich stumm beobachtete, während ich in Erinnerungen versunken war. Etwas beschämt starrte ich wieder auf den Boden.
"Lady Aree, der Süden ist dem Norden nicht in allen Hinsichten so unähnlich", meinte er leise. "Natürlich haben wir nie richtig Winter und es hat auch noch nie geschneit in der Provinz, aber auch bei uns entdeckt man so viel Schönheit, wo niemand sie vermutet. Es wirkt kahl und unwirtlich, aber es kann so viel Anmut und Eleganz darin liegen."
Dann schwieg er und auch ich wagte es nicht, ein Wort zu sagen.
Ich weiß nicht genau, wie lange wir noch dort im Mondschein standen, aber irgendwann entschied Lord Thymeris, dass es für mich nun an der Zeit wäre zu schlafen, da uns morgen wieder ein anstrengender Ritt bevorstand.
Er begleitete mich bis zur Kutsche zurück, öffnete mir die Tür und half mir hinein.
"Ich wünsche Euch eine angenehme Nacht, Lady Aree."
"Vielen Dank, Mylord, ich Euch ebenso."
Bis ich die Tür geschlossen hatte stand er noch da, dann ging er davon.
Als ich auf meinem Nachtlager lag, dachte ich noch lange darüber nach, was der Lord zu mir gesagt hatte. Mit seinen Worten im Kopf schlief ich irgendwann seelenruhig ein.

  Die Tage vergingen, der Frühling zog langsam ins Land und mit ihm gelang unsere Kolonne immer weiter nach Süden. Wir kamen durch Städte, durch die die Nord-Süd-Straße führte, vorbei an Dörfern und Gasthäusern, in denen wir manches Mal nächtigten.
Tagsüber, während wir kontinuierlich der Straße nach Süden folgten, bekam ich nun des öfteren mit, wie der Lord mit einigen Gefolgsleuten die Kolonne verließ, um zu jagen. An solchen Tagen wurde ich dann abends zum Essen eingeladen und es gab Hirsch oder auch Eber, den Lord Thymeris eigens erlegt hatte.
Noch öfter aß ich mit Lord Thymeris zu Abend, aber wirklich näher kamen wir uns nicht. Die Gespräche waren sehr karg und blieben oberflächlich, manchmal sprachen wir gar nicht miteinander, außer zur Begrüßung und zum Abschied.
An einem scheinbar ganz normalen Tag, seit unserer Abreise aus Feste Schneewacht, tauchte wie aus dem Nichts Lord Thymeris' großer Hengst an Lumis Flanke auf. An seinem Sattel baumelten einige tote Hasen und Eichhörnchen.
"Die nächste Stadt gehört bereits zur Lordschaft Birkenhain", erklärte mir der Lord knapp. "Morgen Abend werden wir bei Lord Sanners zu Gast sein."
Lord Willard Sanners war mir bekannt. Mein Vater hatte mich vor Jahren zur Hochzeit des Lords mitgenommen.
Birkenhain war eine der kleinsten Lordschaften des Landes. Meister Devid hatte mir einmal erzählt, dass die Wälder dort fast ausschließlich aus Birken bestanden, ob es tatsächlich so war, wusste ich nicht mehr.  





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