Tag 2

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[ Levi // 3 // ]

"Ey, Ackerman! Was schreibst du da?", lacht einer meiner Klassenkameraden und reißt mir mein kleines Buch aus den Händen. "Jeder Tag eine Last.", liest er vor und lacht. Alle aus der Klasse schauen mich an. Zu meinem Pech sind auch Leute aus der Parallelklasse hier, die sich in der Pause oft mit den Huren aus meiner Klasse vergnügen. Es ist eklig mitanzusehen, wie sie ihre Libido nicht unter Kontrolle bekommen können. Zu meinem Glück jedoch, verziehen sie sich zum ficken auf die Toiletten. Immerhin etwas Gutes. Er knallt mir das Buch wieder auf den Tisch und gesellt sich lachend zu den anderen, mit denen er dann über mich redet.

Wo bist du, Eren?

Es klingelt und unsere Lehrerin kommt herein, sie schickt die Störenfriede aus der anderen Klasse fort und begrüßt uns freundlich, doch als Antwort erhält sie nur ein asynchronistisches Gemurmel. "Wir beginnen mit den Hausaufgaben.", meint sie und die Finger der üblichen Kandidaten schießen in die Höhe. Sie seufzt und schreibt sich hinter ihre Namen im Klassenbuch die heutigen Sechsen.

Während die Hausaufgaben verglichen werden, schreibe ich einen neuen Brief an Eren in der Hoffnung, dass er nicht von den Idioten gelesen wird.

[ Brief // 2 // ]

»Eren,

sie meinte ja, dass es helfen sollte. Und gerade jetzt wäre diese Hilfe schön. Sie lachen mich aus, weil ich krank bin. Und weil ich durch dich noch kranker wurde, kann ich nicht mehr gegen sie angehen. Deine Hilfe wäre in diesem Fall wirklich schön. Doch es scheint wirklich niemanden mehr zu interessieren, dass du nicht mehr hier bist. Irgendwie interessiert es nur mich.

Ich verstehe sie alle nicht. Nur weil sie jetzt 16 sind und einige ihrer Machenschaften nun legal sind, sind sie so seltsam? Ich habe sie ja schon damals nicht verstanden, doch es wird schlimmer und schwieriger.

Sie besprechen gerade die Hausaufgaben. Ich habe sie eh richtig. Trotz dessen, dass du weg bist, bin ich noch gut in der Schule. Keine Ahnung warum. «

[ Levi // 4 // ]

"Levi, könntest du das bitte wiederholen?" Shit! "Nein." Sie steht seufzend auf, nimmt mir den Zettel weg und liest es sich durch. Schon beim ersten Wort werden ihre Augen groß und sie schaut mich unsicher an. Glücklicherweise sitze ich allein, so kann niemand ihren Blick sehen. "Komm nach der Stunde bitte zu mir."

"Oh, Ackerman kriegt Anschiss!", lachen einige der zurückgebliebenen Schweine aus der vorderen Bank. Tch, Idioten.

Nach der Stunde gehen alle, da wir nun Schulschluss hätten, doch ich bleibe, packe meine Sachen langsam ein und schultere meinen grauen Stoffrucksack. Ich stelle den Stuhl auf den Tisch und gehe zum Lehrerpult, wo sie gerade einige Dinge einpackt und das Activ Board (eine elektrische Tafel) herunterfährt.

"Levi, geht es dir gut?" Ich nicke und schaue sie fragend an. Sie setzt sich auf das Pult und legt ihre Hände ineinander verschränkt in ihren Schoß. "Ich weiß, dass du unter seinem Verlust leidest, wer hat dir gesagt, dass es helfen würde ihm zu schreiben?"

"Meine Psychologin. Darf ich jetzt gehen. Ich werde in Zukunft im Unterricht nicht mehr solche Dinge schreiben.", ob ich das wirklich einhalten kann? Ich weiß nicht.

Ich trete den Weg zu unserem kleinen Haus an, will nicht auf den Bus warten. Soweit weg wohne ich eh nicht. Die paar Kilometer kriege ich schon hin. Außerdem interessiert es eh niemanden mehr, wenn ich zu spät komme. Ich war ja schon immer alleine, wenn ich nach Hause kam.

Ich suche meine Kopfhörer in meinem Rucksack, stöpsle sie in mein Handy und stecke die kleinen schwarzen Nupsen in mein Ohr. Wie von selbst wandern meine Finger zu meiner Black Veil Brides Playlist.

Das Geschreie von Andy beruhigt mich tatsächlich etwas und das Gefühl, von den Blicken der anderen Menschen durchbohrt zu werden, schwindet.

Sie reden miteinander und lachen zusammen. Und ich? Ich versuche unauffällig an ihnen vorbei zu gehen, was mir vielleicht gelingt. Ich weiß nicht, ob sie mir noch hinterher schauen. Hoffentlich nicht.

Als ich an unserem kleinen Haus ankomme, wundere ich warum ein Auto in der Auffahrt steht. Mama müsste doch auf der Arbeit sein. Ich schließe die Tür auf, stoße sie mit meiner Hüfte auf und hätte sie am liebsten direkt wieder geschlossen. Denn kaum öffnete sich die Tür, höre ich unangenehme Geräusche von oben. Wiese habe ich eben meine Kopfhörer rausgenommen?! Und wieso schläft meine Mutter immer dann mit jemandem, wenn ich zuhause bin?

Ich seufze und knalle die Tür demonstrativ laut zu, woraufhin die Geräusche kurz verstummen. Hoffentlich sind die jetzt fertig. Genervt beginne ich etwas für mich zu kochen. 

Gerade als mein Essen fertig ist und ich es mir aufgefüllt habe, knarzt die Treppe und meine Mutter kommt in ihrem Bademantel gekleidet herunter stolziert. Hinter ihr ein Mann, den ich noch nie gesehen habe. Typisch. Ich möchte nur ungern sagen, dass meine Mutter eine Hure ist, aber manchmal habe ich den Verdacht, dass es so wäre.

"Setz dich doch Keith.", meint meine Mutter und er Glatzkopf setzt sich mir gegenüber. Der ist mir jetzt schon unsympathisch. Ich esse stumm weiter und achte nicht auf die beiden, die sich immer wieder ihre scheiß verliebten Blicke zuwerfen. 

Warum macht sie das? Sie weiß genau, wie sehr mich diese Blicke an Eren erinnern. Sie hat gesagt, dass sie dafür sorgen wird, dass es mir auch ohne ihn gut geht. So schafft sie das nicht gerade.

Sie setzt sich neben den Kerl, welcher mich anstiert. Noch nie einen Jungen gesehen, Drecksack? "Levi Schatz, das ist mein neuer Freund.", lacht meine Mutter glücklich und schmiegt sich an den Mann. Ich schaue zu ihr hoch und hebe eine  Augenbraue. "Und?"

"Sei nicht so frech, junger Mann!", zischt er und tritt unter dem Tisch nach mir. "Von Ihnen habe ich mir gar nichts sagen zu lassen.", murmle ich und trete zurück. Arschloch. "Wir sind schon seit einiger Zeit zusammen und es fehlte immer der Moment, in dem wir es dir hätten sagen können." - "Aha." Er schaut mich hasserfüllt an. Ganz meiner Seits Keith.

"Wenn ihr euch so gut versteht und kennt, dann tut das. Aber ohne mich. Ich kann auf gespielte Freude und Familie verzichten, danke. Ich hoffe ich sehe Sie nicht so schnell wieder, alter Sack."

Damit stehe ich auf, räume meinen Teller in die Spülmaschine und verschwinde nach oben in mein Zimmer. Ich werfe mich samt Rucksack auf mein Bett und starre die Decke an. Idioten. 

Kurzerhand entschließe ich mich den Brief von heute fortzusetzen und setze mich an meinen Tisch, wo ich die kleine Lampe einschalte und weiterschreibe.

[ Brief // 2 // ]

»Keine Ahnung warum.... 
Ich bin jetzt zu Hause. Meine Mutter ist auch hier. Seltsam aber egal. Sie hat einen neuen Freund. Ich mag ihn nicht. Du hättest jetzt bestimmt gesagt, dass ich mich nicht so anstellen und das Gute in dem Kerl suchen soll, aber das ist mir nun egal, denn du sagst es nicht mehr. 

Ich finde ihn abstoßend, er sieht aus, als wäre er sechzig und hat eine Glatze. Und noch größere Augenringe als ich. Dass das überhaupt geht, das wusste ich nicht. Ich fühle mich seltsam, wenn ich ihn sehe. Ich habe das Gefühl, dass er mich anstarrt. Auf die unschönere Weise, als es die anderen Menschen tun. Er starrt mich nicht so an, als würde ich ihn faszinieren oder anekeln, nein, er starrt mich so an, als würde er über mich herfallen wollen. Es ist eklig und ich will das nicht. Ich will, dass er weggeht. Ich will nicht, dass meine Mutter wieder auf so jemanden hereinfällt.

Ich glaube ich war eben sehr unhöflich, aber das wärst du auch gewesen.

Ich werde jetzt Hausaufgaben machen und dann versuchen zu schlafen. Aber, weil ich dir in jedem Brief eine Sache sagen wollte, die ich dir noch nicht sagen konnte:

Ich brauche dich gerade wirklich, Eren.

Dein Levi «

100 Briefe [Ereri/Riren]Where stories live. Discover now