Tag 24

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[ Levi // 32 // ]

In der Halle geht es drunter und drüber, als wir ankommen. Erwins Vater hatte sich spontan für einen Besuch angemeldet, welcher uns jetzt schon testen soll, laut Erwin jedenfalls. Seit wir heute Morgen wieder hier angekommen sind, sind wir am putzen. Ich mache die Küche und das Bad, da das wohl die saubersten Plätze sein sollen und ich am besten putze, Annie macht die Flure, Isabel, Hanji und Mike räumen unseren Schlafraum auf und Erwin und Farlan organisieren ein achtes Bett, falls Mr. Smith fragen würde, wer sich hier mit wem ein Bett teilen würde. 

Genervt lasse ich den Putzlappen auf die Tischplatte knallen und seufze auf. Ich habe keine Lust mehr. Warum muss man für so einen Menschen solch einen Aufwand betreiben? Wäre es ein wichtiger Mensch, könnte ich das ja vielleicht noch etwas nachvollziehen, aber Erwins Vater ist und bleibt ein ignorantes Arschloch. Ich mache das ganze nur mit, weil ich hier nicht weg will. Hier ist meine Familie.


"Bist du soweit?", haucht mir Eren leise ins Ohr und ich lasse mein Shirt über meinen Bauch sinken. Erwin meint, dass wir uns normal kleiden sollen. Das heißt, dass ich eine schwarze Jeans, ein schwarzes T-Shirt und schwarze Chucks trage. Normalerweise würde ich nun mit einem Kapuzenpullover hier stehen und mich wohler fühlen. 

"Fast.", murmle ich, drehe mich zu ihm um und küsse ihn nochmal, bis ich höre, wie die große Eisentür geschlossen wird und ich mich deshalb von Eren entferne, der mich verträumt anlächelt. Ich stelle mich zu Annie und Farlan in den Flur und betrachte den großen Mann, welcher mich an Donald Trump erinnert.

Erwin umarmt ihn kurz und ich schaue mir die Kleidung seines Vaters an. Anzug - wie zu erwarten. Mike kommt zu uns und schleppt Hanji, Isabel und Eren hinter sich her. Erwins Vater mustert uns alle kritisch und reicht dann allen die Hand. 

"Annie.", sagt die Blondine freundlich um sich vorzustellen. Bis auf Mike hat noch niemand von uns unseren Vermieter gesehen. "Farlan."

"Levi.", der Mann mustert mich und grinst dann. "Besonders groß bist du ja nicht." Am liebsten wäre ich ihm an den Hals gesprungen und hätte ihn erwürgt. Aber dann würde er uns nicht mehr den Großteil der Miete abnehmen. Ich lächle nur gefaked und antworte, dass das die Gene wären. 

"Hanji." - "Eren." Wortlos geht er an den beiden vorbei, reicht Mike auch einfach die Hand und schaut sich dann Isabel an. Sie stellt sich ebenfalls kurz vor und er nickt, geht zu seinem Sohn und sagt laut, dass er einen Kaffee erwarten würde. Ich will gerade losgehen, als ich von Annie zurück gehalten werde. Achja, das machen ja die Mädchen.

Hanji übernimmt das schnell, während wir uns alle bei dem großen Esstisch versammeln und uns immer Geschlechter abwechselnd hinsetzen. Das war zwar mehr Zufall als gewollt, aber dennoch effektiv, da Erwins Vater uns freundlich anlächelt, während er Hanjis Kaffee genießt. 

"Nehmt es mir nicht übel, dass ich spontan her gekommen bin. Ich wollte mir ein Bild von euch schaffen, bevor ich euch in mein Haus lasse.", lacht er und von uns kommt nur ein gekünsteltes Gelächter. "Das ist hier ja alles auf Hochglanz poliert. Wer von euch putzt denn hier?"

Kurzes Schweigen, welches Hanji bricht. "Levi ... s Freundin Isabel.", lächelt sie. Gerade noch so gerettet. Ich schaue kurz zu Isa, die beschämt nickt und sehe im Augenwinkel, wie Eren nur stumm auf den Tisch starrt. "Freundin, ja?", Erwins Vater schaut zu mir und schaut mich skeptisch an. "Ja, seit einigen Monaten.", lüge ich und schaue ihn kalt an. "Wieso sitzt sie am anderen Ende des Tisches, wenn ihr doch liiert seid?"

"Wir haben hier eine feste Sitzordnung. Erwin ist Disziplin hier sehr wichtig. Diese Sitzordnung entstand, bevor wir zusammen kamen.", erkläre ich schlicht. Ich sehe, wie Erwin, welcher neben seinem Brocken von Vater sitzt, mich dankend anlächelt und ich erwidere diesen Blick nur kalt.

"Tja, mein Sohn eben. Lernt nur das beste von mir.", sagt er stolz und trinkt weiter seinen Kaffee, bis er uns weiter nach irgendwelchen Dingen ausfragt. Familienstand, Alter, Wohnort, Schulbesuch oder Arbeitsplatz. Neugieriger Typ.


Endlich ist er weg. Als Erwin die Eisentür schließt, seufzen wir alle erleichtert auf und schweigen eine Minute mindestens. "Ich geh mich jetzt betrinken, kommt jemand mit?", bricht Mike dann die Stille. Während so ziemlich alle zustimmen, lehne ich ab und Eren schließt sich mir an. Ich will nicht schon wieder betrunken irgendwo herum liegen.

Sie gehen alle gemeinsam in eine Bar und ich und Eren bleiben hier, setzen uns in die Halle, kuscheln etwas und höre uns die Musik aus dem Radio an. Nichts besonderes, dennoch schön, da ich diesen Moment mit ihm verbringen kann.

"Weißt du, selbst wenn das nur eine Lüge war, die Vorstellung, dass du mit jemand anderem zusammen sein könntest, tut wirklich weh.", murmelt er und spielt damit wohl auf die Geschichte mit Isabel an. Ich lächle schwach, lehne mich mehr an ihn und schließe meine Augen, während er durch meine Haare fährt.

"Wie weit wärst du gestern gegangen, Levi?", fragt er leise und ich zucke mit den Schultern. "Ich weiß es nicht wirklich. Vielleicht soweit, wie ich mich getraut hätte? Soweit, wie du es mir zugetraut hättest? Ich weiß es nicht, Eren. Und ich muss das auch nicht wissen. Wenn gestern der Tag gewesen war, an dem wir wieder miteinander hätten Schlafen können, ohne, dass ich eine Panikattacke bekommen hätte, dann ist das so. Aber der Tag war eben gestern. Ich will mir das nicht aufzwingen, weißt du?"

"Mh-hm.", macht er und streichelt meinen Rücken, da ich rücklings an seine an seine Brust gelehnt bin. Ich verschränke meine Hand mit seiner freien, die einfach auf seinem Oberschenkel rum liegt und streiche über seine weiche Haut.


✘ "Geht es dir momentan gut, Levi?", fragt sie und ich zucke mit den Schultern. "Was ist denn passiert, dass du so abweisend bist? Deine Mutter und dein Onkel machen sich große Sorgen um dich." - "Reden Sie bitte nicht mit mir, als wäre ich ein Kleinkind. Ich weiß, dass sie sich Sorgen machen. Deswegen bin ich ja auch hier. Meine Mutter hat mich nicht umsonst wieder hier abgesetzt."

"Wieso so schlecht gelaunt?", fragt die Psychologin erneut und lächelt mich freundlich an. "Weil der Sinn meines Lebens weg ist. Ist vielleicht schwer zu verstehen, aber für einen Suizidgefährdeten gibt es kaum noch einen Grund zu bleiben. Meiner ist letzte Woche gegangen. Ohne etwas zu sagen.", murre ich und schaue auf meine Hand. Ich trage noch das Armband, welches er mir geschenkt hat. "Eren ist einfach so gegangen und ich weiß nicht ob ich heulen oder schreien sollte." ✘


"Flashback?", fragt Eren und ich nicke leicht. Er muss nicht wissen, worum es ging. Er soll es nicht. Sonst fühlt er sich wieder schlecht. Das will ich auch nicht. 

"Wir sitzen schon seit Stunden hier, Levi. Mein Hintern tut weh.", lacht er und wir entschließen uns dazu aufzustehen und uns ins Bett zu legen, da wir vom heutigen Tag auch recht müde sind. Doch einschlafen kann ich nicht. Selbst als die anderen von ihrer Sauftour wieder kommen, liege ich immer noch wach im Bett und auch als Erwin und Mike entschließen Sex im Badezimmer zu haben, höre ich jedes kleine Detail, weil ich nicht schlafen kann.

Es geht einfach nicht.

100 Briefe [Ereri/Riren]Where stories live. Discover now