Tag 10

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[ Levi // 17 // ]

Endlich letzter Schultag. Endlich ist die Schule aus. Endlich kann ich mal eine kleine Pause haben. Endlich. Überglücklich - was ich mir jedoch nicht anmerken lasse - trete ich aus dem Schulgebäude. Um mich herum die Massen der Schüler, die es kaum erwarten können nach Hause zu gelangen. 

Ich erinnere mich an vorletztes Jahr. Eren stand am Baum und hat auf mich gewartet. Als ich ihn gesehen habe, bin ich sofort zu ihm gerannt und habe ihn angesprungen. Eine Zeit lang habe ich jedes Mal, wenn ich das Gebäude verließ zu diesem Baum geschaut. Manchmal stand er da, manchmal nicht. 

Warum auch immer schaue ich nun zu diesem Baum. Tatsächlich steht da jemand. Doch ich kann sein Gesicht nicht sehen. Dass es ein Typ ist erkennt man aber eigentlich recht schnell an der Statur. Er trägt eine Kapuze, da es leicht regnet. Wieso mache ich mir eigentlich Gedanken darum? Das ist er eh nicht. 

Wie auch? Er ist schließlich weg. 

Ich trete den Weg zur Halle an. Was soll ich auch schon zu Hause? Meiner Mutter sagen, dass ich die Ferien gerne mit ihr und ihrem Kerl verbringen würde? Nein, danke. 

Ich schließe die Tür hinter mir. Das erste was mir auffällt ist, dass niemand hier ist. Eigentlich müsste irgendwer schon da sein. Aber weder im Essraum, noch im Schlafraum oder in der eigentlichen Halle ist jemand. Und die Badezimmertür steht auch offen. Schulterzuckend nehme ich meine Kopfhörer raus, die Klänge von Nirvana verstummen und ich bringe meine Sachen unter mein Bett. 

Ich schließe mein Ladekabel an mein Handy an und verziehe mich in den Schornstein, welchen ich hinauf klettere und mich oben auf den leicht feuchten Stein setze. Der Wind, der mir um die Ohren pfeift, beruhigt mich etwas. Warum auch immer. 

Ich muss wohl die Zeit vergessen haben, denn als ich den Turm wieder verlasse und auf mein Handy schaue, ist es bereits 17:37. Wo sind die nur? Da fällt mir ein, dass ich die Antidepressiva noch in eine Kaugummidose packen wollte, damit es nicht so auffallen würde.

In diesem Moment höre ich die Eisentür und ich seufze. Ich höre keine Stimmen - seltsam. Sie kommen immer zu zweit. Dass sie dann schweigen ist unwahrscheinlich. 

Verwirrt trete ich in den großen 'Flur' und stocke. Das kann doch nicht wahr sein.

Irgendwie passiert alles in Zeitlupe. 

Meine Finger lösen sich von der Tablettenpackung. Diese fällt zu Boden. Das einzige Geräusch, was man in diesem Moment hört. Das Plastik knirscht etwas, als es auf den Steinboden fällt. "Le-" Ich lasse ihn nicht aussprechen, sondern gehe direkt auf ihn zu und ziehe ihn an seinem Kragen zu mir herunter. 

"Was willst du hier?!", zische ich und merke, wie mir die Tränen in die Augen steigen. "Ich- ich habe euch vermisst. Ich wollte zurück kommen. Ich hab deine Briefe gelesen und bin sofort hier he-"

Ein lautes Klatschen hallt durch das alte Gebäude und ich schubse ihn von mir weg. "Du hättest die ganze Zeit zurück kommen können! Ich habe über ein Jahr wegen dir gelitten! Weil du einfach abgehauen bist! Du wusstest von Anfang an, wie scheiße es mir geht! Wie kannst du es wagen jetzt erst hier einfach aufzukreuzen?! Einfach so!?"

Nun kann ich nicht mehr. Ich lasse mich kraftlos auf den Boden sinken und beginne lautstark zu weinen. Wie kann er mir das antun? Er weiß doch, dass ich leide. Warum ist er erst jetzt hier?! Warum, verdammt?!

Vorsichtig hockt er sich vor mich und streicht durch meine Haare. "Ich hab dich so vermisst." Warum ist er einfach gegangen? Was sollte das? Wieso hat er mich allein gelassen? Wieso hat er mich ein Jahr lang leiden lassen? Wieso hat er mir das angetan?!

100 Briefe [Ereri/Riren]Onde histórias criam vida. Descubra agora