Tag 45

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[ Levi // 52 // ]

In der Schule bin ich ruhig. Der Traum heute Nacht hat mich ziemlich mitgenommen. Um es kurz zu beschreiben:

Keith hat mich erneut vergewaltigt. Eren saß daneben und hat zugesehen, sich dabei einen runter geholt und gelacht. Er hat es genossen. 

Heute Morgen habe ich dann ziemlichen Mist gebaut. Ich habe ihn weg geschubst und ihn angeschrien, dass er mich nicht anfassen soll. Dass er krank wäre und ich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen würde. Ich hasse mich so sehr. Wieso mache ich immer wieder alles kaputt? Wieso immer ich?

"Levi, wiederhole das.", meint mein Mathelehrer. "Kann ich nicht. Hab nicht zugehört und ich verstehe den Dreck eh nicht.", murre ich und widme mich weiter meinem Text, der vor mir liegt und wohl nie zu enden scheint. Was genau mich dazu veranlasst hat meinen Traum aufzuschreiben, das weiß ich nicht. Es kam einfach so.

Plötzlich wird mir der Zettel weggenommen und mein Lehrer schaut mich wütend an. Desinteressiert blicke ich zu ihm hoch und sehe lustlos dabei zu, wie sich seine Augen weiten, als er den Text durch liest.

Gestern war doch noch alles gut. 

"Du wirst damit jetzt zu Herrn Hartz gehen und ihm das geben, verstanden?" - "Sie können mich nicht zwingen. Ich werde das niemandem geben.", erkläre ich und reiße ihm den Zettel wieder aus den Händen, ehe ich ihn in meinen Block lege und meine Sachen packe. "Wo willst du jetzt hin, Levi?"

"Mir egal, Hauptsache weg von Ihnen und den ganzen anderen Idioten hier.", zische ich und stehe auf, ehe ich aus der Tür treten will. "Das gibt einen Eintrag ins Klassenbuch Ackerman!", ruft er laut. Ich grinse leicht, erhebe meine Hand und balle sie zu einer Faust. Ich strecke sie nach hinten aus und strecke ihm meinem Mittelfinger hin, ehe ich die Tür öffne und den Raum verlasse.

Der kann mich mal. Dann kriege ich halt einen Eintrag ins Klassenbuch, gibt schlimmeres. 

Aufgelöst lasse ich mich vor der Tür der Halle nieder und ziehe meine Beine an, ehe ich meine Stirn auf meine Knie lege und einfach zu schluchzen beginne. Die Blicke der Menschen, als ich eben durch die Stadt ging, brennen noch immer auf mir. Haben die keine eigenen Probleme?

Ich will das alles nicht mehr! Ich will nicht mehr so leiden müssen. Ich will nicht mehr an die Sache mit Keith denken! Ich will doch nur glücklich sein. Warum darf ich das nicht? Wieso muss ich Depressionen haben? Wieso ausgerechnet ich? Reicht es nicht, dass ich Eren verloren habe? Ich schreie ihn an, weil ich Angst vor ihm habe. Wegen einem Traum. Einem Traum, den meine Depressionen mit verursacht haben. Ich will das nicht mehr. Ich will das alles nicht mehr.

Ich will endlich normal sein können. Ich will einfach nur normal sein. Ohne Suizidgedanken, ohne unbegründete Angst, ohne dieses verschmutze Ich. Ich will das alles nicht mehr. Wieso kann man mir nicht helfen? Ich bin doch schon so lange in Therapie! 

Hatte Mikasa immer Recht, wenn sie sagte, dass ich in eine Anstalt gehöre? Ich will das nicht. Ich will nicht in eine Anstalt. Ich bin nicht verrückt. Ich bin nur traurig. Auf eine der unschönsten Weisen, die man sich überhaupt vorstellen kann. Ich bin bereit diese Traurigkeit mit allen möglichen Mitteln zu vertreiben. Meinetwegen auch mit Suizid. Ich will nur nicht mehr so leiden müssen.

Mein Hals schmerzt, ich weine zu laut. Ich habe heute noch nichts getrunken, mein Hals tut einfach weh. Meine Augen brennen, mein Gesicht ist heiß. Ich will das alles nicht mehr. 

Kann mich jemand retten? Kann Eren mich retten? Kann mich jemand hier raus holen? Raus aus den Depressionen? Kann mir jemand helfen? 

Ich schniefe leise und lege mein Kinn auf meine Knie, schaue mich um. Der Herbst macht sich deutlich bemerkbar. Die Bäume sind zum Großteil kahl. Die wenigen Blätter sind braun und bereit zum Fall. "Ich will das nicht mehr.", wieso kann ich nicht einfach fallen? Fallen wie eines der Blätter von den Bäumen. 

Ich schluchze laut auf und rolle mich in mich zusammen, kippe einfach zur Seite um und schaue weinend auf den Boden vor mir. Die Steinplatte vor der Tür ist unbequem, aber besser als der nasse, mit Blättern bedeckte Boden. 

Ein Auto ist zu hören. Ich will niemanden sehen, aber auch nicht alleine sein. Ich will das nicht mehr. Wieso muss ich gerade jetzt so einen Tiefpunkt haben? Ich werde meinen Freunden nicht mehr gerecht, nie wieder wahrscheinlich. 

Es ist Erens Auto. Er parkt neben Erwins und steigt aus, rennt sofort auf mich zu und nimmt mich in den Arm. "Fass mich nicht an.", weine ich und lege meinen Kopf wieder auf meine Knie, schaue auf meinen Bauch und weine weiter. Tatsächlich lässt Eren mich los, hockt sich aber vor mich. "Komm, wir gehen rein und ich bring dich ins Bett." Ich hebe meinen Blick und sehe ihn mit roten, schmerzenden Augen an. "Ich will nicht mehr Eren. Ich will normal sein.", für dich

Eren seufzt und überlegt kurz, was er tun soll, ehe er mich einfach hoch hebt, mich am Rücken und den Oberschenkeln fest hält und meine Stirn küsst. "Normal ist doch langweilig." - "Aber besser als kurz vorm Zusammenbruch.... oder mittendrin."

Eren öffnet die Tür der Halle, die Musik von Annie hatte ich draußen schon gehört, doch sie hat mich nicht aufmuntern können. Ich will das alles nicht mehr. Ich will nicht mehr so sein. 

Eren trägt mich zu den Betten, legt mich hin und setzt sich zu mir, streicht durch meine Haare und zieht mir meine Hose aus, damit ich es bequemer habe. "In- in meiner Tasche ... deswegen habe ich dich heute morgen angeschrien. Es tut mir leid.", wispere ich schluchzend und folge seinen Bewegungen. 

Er holt aus dem Block den hervorstehenden Zettel heraus und setzt sich damit wieder zu mir, streichelt durch meine schwarzen Haare, liest sich alles aufmerksam durch, ehe er den Zettel zusammen faltet und unter die Matratze schiebt. Er hockt sich vor mich auf den Boden und küsst mich kurz. "Ich würde das niemals machen, Levi."

Ich weine einfach weiter und schließe meine Augen.

Ich bin schwach.

100 Briefe [Ereri/Riren]حيث تعيش القصص. اكتشف الآن