100 Briefe [Ereri/Riren]

Tag 48

[ Levi // 55 // ]

Genervt höre ich der Diskussion in Religion zu und frage mich mal wieder, wieso manche Menschen so dumm sind. Wieso muss man noch darüber diskutieren, dass Leute, die die Machenschaften Hitlers gut finden deutlich als Nazis ab zu stempeln sind? 

Ich seufze leise und werde augenblicklich in die Seite gepickt. Das einzige, was mich heute aufmuntert ist die Tatsache, dass ich mit Eren wegfahre. Ich schaue zu Jean, der mich angestupst hat und hebe eine  Augenbraue. Glücklicherweise ist er nicht so dumm, wie er manchmal aussieht und versteht, was ich damit meine, denn er beginnt zu reden.

"Ich weiß ja, dass du mit Eren zusammen bist.", sagt er und muss sich deutlich ein Grinsen verkneifen. "Und?" - "Wie wäre es, wenn es die ganze Schule wissen würde?", fragt er dann und ich seufze ehe ich mit den Augen rolle. "Normal.", erkläre ich dann und widme mich dem Unterricht.

"Wieso ist das für dich so okay? Also, dass alle wissen, wie du bist?" - "Wie bin ich denn?", frage ich dann leise und tue so, als würde ich dem schlechten Judenwitz von Anton die selbe Empörung schenken wie alle anderen hier auch. "Schwul." - "Und das ist jetzt besonders? Es wissen doch auch alle, dass andere hetero sind." 

"Ja schon, aber wie kamst du damit klar, als du es raus gefunden hast?" Ich seufze und drehe mich wieder zu ihm. "Was willst du von mir, Jean?" Er scheint eine Weile nach den richtigen Worten zu suchen und holt dann tief Luft. "Einen Rat."

Von mir? Was stimmt den mit dem nicht? Niemand sollte einen Rat von mir ernst nehmen. "Ich glaube, dass ich mich in Marco verknallt habe." - "Das heißt verliebt.", korrigiere ich und schaue weiter nach vorne. "Dann halt so. Wir waren auf 'ner Party von der Parallelklasse und haben halt dieses Wahrheit oder Pflicht gespielt. Wir haben uns halt geküsst und später dann miteinander geschlafen. Ich weiß nicht, wie ich ihm gegenübertreten soll, weil es mir halt mehr gefallen hat, als bei allen anderen Partnern.", erklärt er. 

"Du solltest anhand von gutem Sex festlegen, ob du mit jemandem wirklich als liiert gelten willst.", murmle ich und höre weiter zu. "Sag ihm einfach, dass dir das gefallen hat und schau, wie er reagiert. Wenn er das auch so sieht, hast du gute Chancen und wenn nicht, dann eben nicht. Das Leben ist hart, Jean. Krieg das in deinen Kopf.", murre ich und in diesem Moment klingelt es, weshalb ich meine Sachen packe und das Gebäude verlassen will. In der Eingangshalle steht jedoch Herr Hartz. Doch nicht nur er erregt meine Aufmerksamkeit, sondern auch Eren, welcher einige Meter neben meinem Sportlehrer steht. 

Sie sehen mich zeitgleich, weshalb beide auf mich zukommen. Da Herr Hartz nunmal mein Lehrer ist und ich ihn auch als diesen mag und respektiere, gehe ich zu erst auf ihn ein, nehme aber Erens Hand. "Levi, dich habe ich gesu- oh, dein Freund nehme ich an." Ich nicke und Hartzi lächelt Eren an. "Sie sind der Sportlehrer?", fragt Eren und reicht Hartzi die Hand. Dieser nickt und wendet sich dann wieder mir zu.

"Ich wollte gerne am Montag mit dir zur Schulleitung.", erklärt er und ich nicke nur. "Außerdem werden noch zwei andere deiner Klasse dazu befragt. Es wäre also nur von Vorteil, wenn du mir ein wenig mehr über Anton und Nicola erzählst. Aber das können wir auch noch Montag machen.", er lächelt schwach und richtet seine Brille. "Okay."

Im Auto schaue ich kurz nach hinten. Eren hatte wirklich nicht übertrieben, als er heute morgen sagte, dass er alles einpackt, was er schön an mir findet. Auf der Rückbank lagen drei Rucksäcke. Zwei davon waren von mir und der andere von Eren. Und im Kofferraum sah ich noch einen Rucksack von mir. "Wir bleiben nur zwei Tage, was hast du alles eingepackt?", frage ich und nehme seine Hand, welche er dafür von der Gangschaltung nimmt.

"Genug. Einen von deinen Rucksäcken brauchte ich selber für meine Klamotten. In meinem Rucksack sind andere Dinge drin.", meint er und grinst dreckig, was auf mich eher seltsam wirkt. Ich nicke nur und mir wird ein wenig mulmig zumute. Doch genauso sehr will ich wissen, was in diesem Rucksack drin ist und ob ich irgendwas damit anfangen kann.