Kapitel 5 (x)

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„Fahr vorsichtig, ja? Noah, tue mir bitte den gefallen und fahr hinter ihr her. Ich will nicht, dass etwas passiert", sagte mein Dad. Er fand es nicht gut, dass ich ein Motorrad besaß. Noch viel weniger mochte er es, wenn ich damit fuhr. Für ihn war es die erste Fahrt, aber ich hatte aufgehört zu zählen. Ich hatte das Motorrad lange bevor jemand davon erfahren hatte, aber irgendwann kam es raus und ich hatte eine wochenlange Diskussion mit meinen Eltern. Beide waren dagegen, aber das David sich irgendwann auf meine Seite gestellt hat, hatte sie wohl umgestimmt. David wollte auch nicht, dass ich es behalte, Er meinte, es sei zu gefährlich für ein kleines Mädchen wie mich, aber ich hatte ihm erzählt, das einen großen Wert für mich hatte und ich damit vieles verband. Ich hatte ihm zwar nicht den wahren Grund erzählt, aber es scheint gereicht zu haben. So konnte ich wenigstes, das einzige Stück das mich an ihn erinnert, behalten.

„Ja Dad, ich fahr' langsam und passe auf mich auf. Ich schreib' dir, wenn ich an der Schule angekommen bin, in Ordnung?" Ich lächelte ihn aufmunternd an und umarmte ihn kurz, bevor ich dann mit Charlie und Noah das Haus verließ. Und da stand es. Genauso wie es damals immer dastand und nur darauf gewartet hatte, dass ich mich darauf setze und losfuhr. Obwohl ich so oft in den Nächten in die Garage ging, fühlt es sich so an, als hätte ich es seit damals nicht mehr gesehen. Vorsichtig strich ich über die Griffe und den Sitz. Das Motorrad war ganz in Schwarz nur vorne, unterhalb des rechten Griffes, stand ich Neon Grün C&L. Langsam fuhr ich mit meinen Fingern über unsere Initialen. Ich merkte, wie sich tränen in meinen Augen sammelten. Warum fühlte sich etwas so schwer an, was mich damals hat so frei fühlen lassen? Es gab kein schöneres Gefühl, als dieses. Und jetzt fiel es mir so schwer, mich überhaupt daraufzusetzen. Mein Herz schrie danach, dieses Gefühl wieder zu spüren, aber mein Kopf weigerte sich, auch nur noch einen Millimeter vorwärts zugehen. Ich atmete einmal tief ein und aus und setzte meinen Helm auf. Ich wusste, dass es das Richtige war und er gewollte hätte, das ich wieder fuhr. Vielleicht nicht mehr wie früher, aber ich sollte es nicht ganz aufgeben.

Als ich mich drauf setzte und den Motor anschaltete, vibrierte der Motor durch meinen Körper. Mit dem Sound kamen alle Erinnerung hoch, jedes tolle Ereignis und jedes unbeschreibliche Gefühl, das ich gespürt hatte. Ich ließ den Motor aufheulen. Meine Atmung beruhigte sich und ich atmete regelmäßiger. Langsam gab ich Gas und rollte die Einfahrt hinab zur Straße. Die Anspannung ließ langsam nach. Ich bremste ab, schaute, ob rechts und links alles frei war und fuhr auf die Straße. Schnell schaltete ich die Gänge hoch und die Anspannung war weg. Ich fühlte mich wieder wie früher. Frei und glücklich. Und ich wusste, das er bei mir war.

*

Als ich an der Schule ankam, standen die beiden bereits angelehnt an Noahs Auto und warteten. Noah war nicht, wie mein Dad wollte, hinter mir her gefahren. Er war zwar erst nach mir vom Hof gefahren, aber ich hatte ihn kein Mal hinter mir gesehen. Langsam rollte ich über den Parkplatz und parkte schließlich auf dem letzten freien Platz in dieser Reihe. Ich zog den Helm ab und ging lächelnd auf die beiden zu, die ein paar Autos weiter geparkt hatte. „Ich freue mich ja, das du glücklich bist, aber vielleicht solltest du deinen Parkplatz wechseln." „Warum?", fragte ich und drehte mich verwirrt zu dem Parkplatz um. Und erst jetzt stellte ich fest, dass ich auf der Fläche stand, auf der Damian immer parkte. „Weil du sonst ein Problem bekommst. Ich denke nicht, dass er sehr erfreut ist, gerade heute wo hier die Hölle los ist." Ja, sie hatte recht, heut war mehr los als sonst, aber ich war zu glücklich, um mich davon runterziehen zu lassen. Ich wollte nicht, dass dieses Gefühl sofort wieder verschwand. „Ich sehe kein Namensschild hier, also ist es theoretisch nicht sein Parkplatz."

Nur, weil er immer dort stand, war es nicht automatisch sein Parkplatz. Ich zog mir meine Jacke aus und legte sie in Noahs Auto. Ich hörte das Geräusch eines Motorrads, das bedeutete, dass Damian kam. Er fuhr geradewegs zu dem Parkplatz und blieb davorstehen. Sein Blick ging von dem Parkplatz zu den umliegenden, vermutlich suchte er nach dem Besitzer, denn es kam ja nicht gerade oft vor, dass jemand anderes Motorrad fuhr. Damian sah überhaupt nicht glücklich aus und das erkannte ich, obwohl er seinen Helm noch trug. Es war doch nur ein Parkplatz. „Wir sollten dann auch mal reingehen", sagte ich und schloss Noahs Wagentür. „Ja, ich hab keine große Lust darauf, dass er weiß, dass es deins ist", sagte Charlie und zog mich lachend mit sich.

*

Da Noah länger Schule hatte, konnte ich nicht sofort meine Jacke aus seinem Auto holen, sondern musste auf Charlie warten, die das Auto aufschloss und danach wieder abschloss. Ich ging zu meinem Motorrad und nahm mein Handy in die Hand und scrollte durch die verschiedenen Social Media Seiten, bis sich ein Schatten über mich legte. Ich schaute auf. Damian und seine Freunde standen vor mir. Upsi. Seine Stimmung schien sich seit heute Morgen nicht gebessert zu haben. Vorhin hatte ich keine Angst davor, ihm zu begegnen, aber jetzt, wo er so vor mir stand und mich mit diesem Blick anschaute, wurde ich unsicher. Aber es war keine Angst, also schluckte ich unauffällig und stellte mich aufrechter hin. Mein Ziel war es, selbstbewusster zu wirken. Ich schaute mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihm hoch. Mir war nie aufgefallen, dass er so viel größer als ich war.

„Gehört das dir?", fragte er und zeigte auf mein Motorrad. Ich nickte gleichgültig. „Und was tust du hier?", fragte er mich kalt. „Ich stehe und warte?", erklärte ich das Offensichtliche, achtete darauf, so zu klingen als wüsste ich nicht, wovon er redete. „Was tust du hier?", fragte er erneut mit mehr Druck in seiner Stimme. „Ich stehe und warte", antwortete ich ihm das Gleiche wieder. „Sagte ich doch bereits." Er seufzte. „Ok. Ich frage anders, du scheinst es ja sonst nicht zu verstehen. Ich habe keine Ahnung, wer du denkst, wer du bist oder was du denkst tun zu können, aber das hier ist mein Parkplatz", fuhr er fort und betonte deutlich, dass es sein Parkplatz sei. Ich glaubte, er erkannte mich gar nicht, er wusste nicht wer ich war. Er erkannte die Schwester eines guten Freundes nicht wieder.

„Ok." Ich holte einmal tief Luft und lächelte ihn dann an. „Da du es anscheinend auch nicht verstehen willst, erkläre ich es noch mal ganz langsam. Mir ist es egal, ob es dein Parkplatz ist oder dem Papst gehört, wie du siehst, stehe ich nun hier. Und heul' nicht rum, immerhin hast du ja einen anderen Parkplatz gefunden, oder?", fragte ich und deutete mit meinem Kopf auf sein Motorrad. Als sich die Frage in meinem Kopf noch mal wiederholte, wusste ich, dass ich eine Grenze überschritten hatte, die ihm nicht gefiel. Aber es war ein Parkplatz, auf einem öffentlichen Gelände. Ich verstand nicht, warum er sich so anstellte. Irgendwie wünschte ich mir in dem Moment, dass ich wieder die Leah vom letzten Jahr war, die die jetzt schon fast zu Hause wäre und nicht vor einem wütendem Damian stand. Er trat einen Schritt näher und sah zu mir runter; sein Kiefer war angespannt. Er öffnete seinen Lippen, um mir eine Antwort zu geben, als mein Bruder hinter ihm auftauchte.

DamianWhere stories live. Discover now