Kapitel 59

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Heute war Noah's Footballspiel und ich würde danach bei Charlie schlafen. Gedanklich ging ich noch einmal alles durch. Zahnbürste, Schlafsachen, frische Kleidung für morgen, Haarbürste, Sachen zum Anziehen bei dem Footballspiel, Schlüssel, Handy, Geld. Ich glaube, ich habe alles.

„Wo gehst du denn schon wieder hin?" Ich drehte mich um und schaute David an. Er stand mit einer Flasche im Türrahmen meines Zimmers. „Zu Charlie." Ich drehte mich wieder zu meinem Bett und zog den Reißverschluss meiner Tasche zu. „Ich schlafe dort." Ich schultere die Tasche und ging zur Tür. Wir haben seit einer Woche nicht mehr miteinander geredet. Nach dem ich ihn auf das Mädchen angesprochen hatte und gefragt hatte, was mit seiner Freundin wäre, hatten wir mal wieder einen Streit. Er wollte mir nicht sagen, wer sie war und was es zu bedeuten hatte. Hat er angst, dass ich ihn verurteile? Wenn es mit seiner Freundin vorbei ist, dann ist das eben so und er kann tun, was immer er für richtig hält. Ich bin die Letzte, die ihn verurteilen würde.

„Kannst du mich bitte durchlassen?" Er trat einen Schritt zur Seite. Augenblicklich war die Hoffnung verschwunden. Ich dachte wirklich, dass er sich erklären möchte, mir sagen würde, was los ist, aber da hab ich mich getäuscht. „Was interessiert es dich überhaupt? Es ist dir doch sowieso alles scheiß egal geworden. Ich. Dad. Sogar du bist dir egal geworden." Von der Enttäuschung, die ich bis eben gespürt habe, ist nicht mehr da, stattdessen bin ich einfach nur noch wütend auf ihn. Kopfschüttelnd sah ich ihn an. Da er keinen Anschein machte mir zu antworten, ging ich an ihm vorbei. David hielt mich am Arm zurück. „Pass auf dich auf." Dann ließ er mich los und ging in sein Zimmer. „Hab dich auch lieb großer Bruder." , murmelte ich leise vor mich hin und ging.

*
„Muss das wirklich sein? Ich habe doch schon die Farben der Schule an, reicht das nicht?", fragte ich Charlie und sah mir das ganze Make-up auf dem Boden an. Laut Charlie ist es Pflicht, unser Team so gut es geht zu unterstützen und dazu würde auch gehören, wenn wir uns mit den Farben der Schule – Schwarz und Rot- anmalen würden. Ich trug eine schwarze Jeans und einen dünnen roten Schulpullover. Das sollte doch reichen. „Dann werde ich unser Team halt alleine anfeuern." Ich setzte mich auf ihr Bett und sah ihr dabei zu, wie sie sich fertigmachte. „Hast du eigentlich noch mal mit Elias gesprochen?", fragte ich sie. Sie brummte zustimmend. Zu mehr war sie gerade nicht in der Lage, denn ihre volle Konzentration galt ihrem Eyeliner. Als sie fertig war, drehte sie sich zu mir um. „Wir haben ein paarmal telefoniert. Er hat sich für sein Verhalten entschuldigt." „Und was bedeutet das für euch?" „Ich weiß es nicht. Ich weiß auch gar nicht, ob ich mir noch was Ernstes mit ihm vorstellen kann." „Und was ist mit Justin?" Als sie sich von mir wegdrehte, grinste ich sie an. „ Er ist ganz nett."

*

Als ich die Schlange vor dem Eingang des Stadions sah, wusste ich wieder, warum ich solche Veranstaltungen immer vermieden habe. Die ganze Schule traf zusammen und auch einige Schüler der anderen Schule. Unsere Schule war in Schwarz und Rot und die Schüler der anderen trugen alle Grün. Immerhin passen die Farben unsere Schule mehr zu mir.

„Cole hat mir vorhin geschrieben, dass er uns Plätze freigehalten hat." „Sehr gut. Wenn das so weitergeht, hätten wir eh keine mehr bekommen." Die Schlange ging nur sehr langsam voran. Immer wieder drängelten sich Cheerleader an uns vorbei und rempelten uns dabei an. Hoffentlich wird es noch besser.

*

Wir haben Cole erst kurz vor dem Start gefunden. Er hatte uns Plätze etwas außerhalb geholt, von denen man aber eine super Sicht auf das Feld hatte. Aber das ist mir eigentlich egal, ich verstehe sowieso nicht was da passiert. Unser Cheerleader Team stand am Spielfeldrand und sprang hin und her. Die Jungs der Ravenswood High standen in einem Kreis zusammen, vermutlich um Spielzüge zu besprechen.

Auf einmal fing unser Block an laut los zuschreien und im nächsten Moment rannten die Jungs aus unserem Team aufs Feld. Ohne das ich jemals zuvor bei einem Spiel dabei war oder jemanden gefragt hatte, wusste ich das die Nummer 1, die ganz vorne lief, Damian war. Seine aufrechte Haltung, seine Schritte und sein Blick gerade aus, ohne einmal nach rechts oder links zu schauen, verrieten ihn. Jeder aus seinem Team riss die Arme nach oben, schrie oder lachte.

Ein Pfiff ertönte und beide Team stellten sich auf. Laute rufe ertönen und der Ball wurde quer über das Spielfeld gekickt, der Ball wurde gefangen und beide Team stellten sich wieder auf.

Der Ball wurde nach hintern geworfen und Damian fing ihn ohne Probleme. Noch bevor er den Ball richtig in der Hand hatte, lief er mit schnellen Schritten nach hinten und warf im letzten Moment den Ball weiter, bevor er von zwei Jungs der anderen Mannschaft zu Boden gerissen wurde. Jemand mit der Nummer 65 half Damian aufzustehen.

Wieder wurde der Ball zu Damian nach hinten gegeben und wieder lief er sofort los. Nur dieses Mal nicht nach hinten. Der Griff um den Ball wurde fester und er lief in einer leichten Rechtskurve nach vorne. Aber auch dieses Mal kam er nicht sehr weit. Er wurde von 3 Leuten zu Boden gerissen. Ich zog scharf die Luft ein, als ich den Aufprall sah. Das Football kein harmloser Sport war, wusste ich, aber ich hätte nicht gedacht, dass es so brutal ist. „Damian ist heute nicht ganz bei der Sache.", hörte ich Cole neben mir sagen. Als ob der Coach Cole gehört hat, rief er sein Team zusammen und redete auf Damian ein. Nun erkannte ich auch Noah. Ich lächelte ihn an und hob meine Hand.

*

In der Halbzeit ertönte Musik über die Lautsprecher, Cheerleader tanzen, die Jungs ruhten sich aus oder besprachen sich mit ihrer Mannschaft und die Zuschauer gingen, wie Charlie, sich etwas zum Essen holen. Unsere Mannschaft lag ganz knapp hinten.

„Spielt er sonst besser?", fragte ich Cole. „Also Damian." „Ja. Er spielt um einiges besser. Ihm ging es vorhin schon nicht besonders gut." „Warum? Was ist los?" Ich sah wieder zum Spielfeld und beobachtete Damian wie er mit dem Coach sprach. Oder besser gesagt, beobachtete ich, wie der Coach Damian anschrie und wild mit seinen Armen gestikulierte. „Ich weiß es nicht." Hinter Damian tauchte die Nummer 65 auf und legte eine Hand auf seine Schulter. Vermutlich ist das Ben. Als erneut der Pfiff erklang, setzte Damian seinen Helm auf und sofort spannten sich seine Schultern an.

Die ersten Spielzüge erzielten nicht den erhofften Ausgang. Irgendwann wurde der Ball erneut an Damian nach hinten gegeben, er lief nach hinten und sah sich um. Wonach er suchte, wusste ich nicht, aber anscheinend fand er nichts. Im nächsten Moment warf er den Ball leicht nach oben und kickte ihn über das Spielfeld. Der Ball schoss dort das Tor und alle um mich herum sprangen auf und schrien. Damian wirkte aber nicht froh über seine erzielten Punkte. Ohne eine Reaktion zu zeigen, ging er zu seiner Position zurück und wartete.

„Weißt du, das Team besteht auch noch aus anderen Spielern, nicht nur Damian." Cole neben mich lachte. Erst jetzt merkte ich, dass ich Damian wirklich die ganze Zeit beobachtet hatte. Ich schaffte es einfach nicht meinen Blick von ihm zu nehmen. Ich war viel zu sehr davon fasziniert, wie verändert er seit der Halbzeit ist. Viel Fokussierter. Es wirkt fast so als würde er das Spiel nur noch mit einem Tunnelblick betrachten und alles und jeden um sich herum ausblenden. Obwohl ich Cole versuchte zu ignorieren und ich merkte, dass sich meine Wangen verfärbten, schaffte ich es immer noch nicht, meinen Blick von Damian zu nehmen.

DamianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt