Kapitel 70

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Auch dieses Mal, hatte ich nach Damians Hilfe alles verstanden und plötzlich machte alles wieder einen Sinn. Jeden Falls noch, das würde sich vermutlich bald wieder ändern. "Haben wir doch gut hinbekommen", sagt Damian mit einem Lächeln und legte die Stifte zurück in mein Mäppchen. "Wir sind schon ein tolles Team." "Du hast ja auch einen tollen Lehrer", sagte Damian mit einem Grinsen und stand auf. "Ein sehr von sich überzeugter Lehrer", korrigierte ich ihn, ebenfalls mit einem Lächeln auf meinen Lippen. Ich packte alles in meine Tasche, denn gleich würde es zur Pause klingeln.

Nachdem ich alles verpackt hatte, sah ich zu Damian, der mit dem Rücken zu mir stand und sich streckte. Damians Muskeln waren deutlich unter dem schwarzen T-Shirt, das er trug, zu erkennen. Mein Blick wanderte über seine breiten Schultern hinunter zu seinem Rücken und blieb an einer Stelle hängen, an der sein T-Shirt hochgerutscht war. "Ein kleiner Unfall also?", sagte ich, als ich den großen Blauen Fleck auf seinem Rücken sah, der über die gesamte rechte Seite verlief und in vielen verschiedenen Farben schimmerte. "Das sieht nicht nach einem kleinen Unfall aus." Und es sah verdammt schmerzhaft aus. Sofort zog er sein T-Shirt runter und drehte sich zu mir. "Was ist passiert?", fragte ich erneut, da mir immer noch nicht antwortete. Er öffnete gerade seine Lippen, als die Klingel läutete. Na toll. Das Timing war wie immer super. "Ich sollte los. Wir sehen uns später", sagte Damian mit einem aufgesetzten Lächeln, griff nach seiner Tasche und verschwand durch die Tür. Wenn es ein Unfall war, warum wollte er nicht darüber reden? Er schien gerade zu erleichtert zu sein, dass es klingelte. Er lief quasi vor mir weg, Damian war niemand, der vor etwas weglief.

"Hier bist du. Wir haben dich schon gesucht", unterbrach mich eine weibliche Stimme. Als ich aufsah, lächelten mich Grace und Charlie an, die im Türrahmen standen. Stimmt, wir waren zur Pause verabredet. "Ja, ich habe die Stunde genutzt, um Mathe zu lernen", sagte ich und griff nach meiner Tasche. Gemeinsam gingen wir in die Cafeteria und stellten uns in die Schlange der Essenausgabe. Ich hatte nicht wirklich Hunger, immer wieder kreiste Damian in meinem Kopf. Ich wusste nicht warum, aber ich hatte ein schlechtes Gefühl im Bauch. Außer dieser Verletzung schien er keine anderen haben. Charlie und Grace unterhielten sich aufgeregt neben mir.

Ich drehte meinen Kopf etwas und mein Blick traf den von Damian. Sofort wendete er sich von mir ab und unterhielt sich mit seinen Jungs. Er hatte bisher noch nie einen Blick abgebrochen. "Leah? Kommst du?" Bevor ich reagieren konnte, griff Grace nach mir und zog mich mit sich.

Am Tisch angekommen fingen die beiden sofort an zu essen, na ja , Grace aß, Charlie grinste ihr Handy breit an. Da war es also wieder. Dieses dauerhafte Grinsen, das sie seit einige Tagen nicht mehr loswurde. "Was grinst du denn so?", fragte ich. "Charlie?" "hm?", sagte sie abwesend und tippte immer noch auf ihrem Handy. Hier ging es eindeutig um einen Jungen. Aber wer? Ich sah zu Elias, aber er hatte kein Handy in der Hand, also konnte er es nicht sein. Wer dann? "Wer schreibt dir denn so viel?", fragte ich weiter, meine Neugier war zu groß. "Wüsste ich auch gerne. Sie saß die ganze Stunde an dem Ding", sagte Grace nun. "Dann muss er ja jemand Besonderes sein. Normalerweise verzichtet sie im Unterricht auf ihr Handy." "Sie hat es keine Sekunde aus der Hand gelegt." "Sie kann euch hören", äußerte Charlie und legte ihr Handy auf den Tisch. "Und sie kann auch ohne Handy." Skeptisch sahen Grace und ich sie an und als ihr Handy aufleuchtete und sie aus Reflex danach greifen wollte, fingen wir an zu lachen.

"Hey", sagte Ben wie aus dem nichts, während er sich an unseren Tisch setzte und einen Arm um Grace legte. Neugierig beobachtete ich Grace, deren Lippen nun von einem breiten Lächeln geziert waren. Die beiden schienen sich auch ganz gut zu verstehen. Es freute mich zu sehen, wie schnell Grace Anschluss gefunden hat. "Na", sagte sie. "Ich wollte euer Mädelsgespräch ja nicht stören, aber wir wollen schon mal los", fuhr Ben fort. "Klar", sagte Grace und griff nach ihrem Essen. "Wir sehen uns", sagte sie an uns gewandt, stand mit Ben auf und gemeinsam verließen sie mit ein paar anderen die Mensa.

"Ich wusste gar nicht, das die beiden sich schon so gut verstehen. Und ich habe noch nie gesehen, wie Ben jemanden abgeholt hat", sagte Charlie und sagte damit genau das, was ich dachte. Ben hatte wie Damian schon einige Beziehungen mit Mädchen dieser Schule, aber noch nie hat er jemanden abgeholt, um in den Unterricht zu gehen. Meisten liefen die Mädchen ihm eh hinterher. "Sie muss es ihm wohl wirklich angetan haben." "Genauso wie der, der dir immer schreibt", lenkte ich das Thema wieder auf das Vorherige. Vielleicht würde sie jetzt mit der Sprache rausrücken, wo Grace nicht mehr da war. Charlie wendete ihren Blick von Grace und Ben ab und sah mich an. "Du kennst ihn." Dann gab es nicht mehr viele die zur Auswahl standen, denn die männlichen Personen, die ich kannte, ließen sich an den Händen abzählen. Noah, nein, wir waren seit Jahren befreundet und noch nie habe ich gesehen, dass sie ihm verliebte blicke zuwarf. Cole war eigentlich nicht ihr Typ. Sie mochte keine Tattoos, und davon hatte Cole einige. Elias war es auch nicht, davon hatte ich mich eben ja selbst überzeugt. Dann gab's noch Damian, aber ihn fand sie schon immer etwas beängstigend und sie sah ihn auch nicht unbedingt oft an. David wird es wohl auch nicht sein. Wenn es Ben wäre, hätte sie eben nicht so ein Lächeln auf den Lippen gehabt, als sie Grace und ihm hinterher sah. Das war es auch schon.

"Wer ist es?", fragte ich, als ich nicht darauf kam. "Justin." Natürlich. Ihn hatte ich vergessen, dabei hatten sie sich schon bei ihrer ersten Begegnung so intensiv angesehen und dann haben sie direkt Nummern ausgetauscht. Mit einem breiten Lächeln sah ich sie an. "Ihr schreibt also immer noch. Und das nicht gerade wenig", sagte ich und deutete auf ihr Handy, das erneut aufleuchtete. "Ja", sagte Charlie leise und griff nach ihrem Handy. Während sie die neue Nachricht von ihm las, zogen sich ihre Mundwinkel immer höher. Plötzlich knallte sie das Handy mit einem lauten Knall auf den Tisch. Nicht nur ich erschrak, die ganze Mensa war für einen kurzen Augenblick verstummt. Nur langsam nahm der Geräuschpegel wieder zu. "Was ist denn jetzt in dich gefahren?", fragte ich verwirrt. Statt mir zu antworten schob sie ihr Handy zu mir.

"Ich habe etwas nachgedacht. Ich mag es total mit dir zu schreiben und zu reden, ich möchte dich echt gerne näher kennenlernen. Was hältst du davon, wenn wir uns Samstag treffen? Essen, ein Film und einen entspannten Abend bei mir? ", las ich vor. "Er hat dich auf ein Date eingeladen", stellte ich fest und war überrascht und glücklich zugleich. "Aber du siehst nicht glücklich aus." "Doch. Ich freu mich", sagte Charlie. "Aber?" "Ich bin nervös. Scheiße ich bin jetzt schon nervös und habe nicht einmal zugesagt." "Dann sag ihm mal schnell Bescheid, dass du dich freust." Ich gab ihr das Handy wieder. "Jetzt mach schon", sagte ich, als sie sich immer noch nicht bewegt hat. Nach dem sie die Nachricht abgeschickt hat, legte sie das Handy zwischen uns, gespannt sahen wir auf den Bildschirm. Die Häkchen färbten sich sofort blau, dann schrieb er. Dann war er offline. "Warum ist er denn jetzt offline?" "Charlie, bleib ruhig. Vielleicht hat er einfach nur schlechtem Empfang." Zustimmend brummte sie und sah weiter auf das Handy. -- Ich hatte schon kurz angst, du würdest ablehnen. Ich freu mich auf Samstag. Schicke dir gleich noch meine Adresse-- , erschien auf dem Bildschirm. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Justin gerade dasselbe breite Lächeln im Gesicht hatte, wie Charlie, die regelrecht auf ihr Handy starrte. So als hätte sie Angst, die Nachricht würde plötzlich verschwinden.

"Du magst ihn wirklich , oder?", fragte ich, als wir auf dem zum Unterricht waren. Sie nickte. "Es ist anders als sonst." "Ja, das hab ich auch schon bemerkt. Du hast noch nie so vor dich her gestrahlt. Nicht mal als du zu deinem 12 Geburtstag die Konzertkarten bekommen hast, die du dir ewig gewünscht hast." Ich spürte ihren Blick von der Seite und blieb stehen. "Gefühle für jemanden zu haben ist etwas ganz anders, als einer Boyband hinterher zu schwärmen", sagte sie. "Und irgendwie sind die Gefühle für Justin so viel stärker, als sie jemals waren, dabei kenne ich ihn nicht einmal. Wenn wir abends telefonieren, tut mein Kiefer weh, weil ich dieses dämliche Grinsen nicht aus meinem Gesicht bekomme. Und wenn ich nur am Samstag denke, habe ich das Gefühl, innerlich vor Nervosität zu explodieren. Mein Herz klopft so unnormal schnell", schwärmte Charlie. Ihr viel es so leicht über ihre Gefühle zu reden, das könnte ich niemals. Nicht einmal in meinen Gedanken könnte ich so frei darüber sprechen, was ich fühle. "Verliebt sein ist Horror und gleichzeitig das schönste Gefühl. Wenn du den Richtigen kennenlernst und es selbst spürst, weißt du was ich meine", fuhr sie fort. Wenn ich den Richtigen kennenlerne? Was, wenn ich ihn bereits kennengelernt habe? Der Gedanke war plötzlich so laut in meinen Kopf, das ich leicht zusammenzuckte.  

DamianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt