Kapitel 77

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Eilig packte ich meine Sportsachen in die Tasche. Wenn ich noch einen Moment länger hier bleibe und mir vorstelle, wie Damian mich geküsst hat oder mich sogar wieder küsst, drehe ich durch. Leider würde reines laufen meinen Kopf von diesen Gedanken nicht befreien. Ich musste mich auspowern, dann würde ich zu müde sein, um nachzudenken. Das war jedenfalls der Plan und deswegen machte ich mich auf den Weg ins Fitnessstudio. In der Schule fehlte mir die Zeit drüber nachzudenken und auch das aufeinandertreffen mit Damian blieb aus, denn unser Kurs fiel aus und wir durften früher nach Hause. Was mich ärgerte und gleichzeitig nicht glücklicher machen konnte. Wenn ich ehrlich war, hatte ich Angst vor einer Begegnung mit ihm. Wie sollte ich mich ihm gegenüber jetzt verhalten? Es einfach ignorieren und so weiter machen wie bisher, oder ihn darauf ansprechen? Ich musste wirklich aus meinem Zimmer raus.

*

Ich schloss meine Tasche ins Schließfach ein und verließ die Umkleide. Hoffentlich würde ich es schaffen, ihn wenigstens für 2 Stunden aus meinem Kopf zu verbannen. Zum Aufwärmen entschied ich mich für das Laufband. Ich steckte meine Kopfhörer in die Ohren und schaltete die Musik an.

Erst langsam und dann immer schneller lief ich auf dem Laufband und je schneller ich lief, umso freier wurde mein Kopf. Mein Puls raste bereits und meine Muskeln brannten, aber ich war noch nicht fertig. Ich stieg vom Laufband und ging zu den Gewichten. Leider war ich nicht wirklich stark und schaffte nur ein paar Kilo auf jeder Hand. Als Letztes ging ich zum Boxsack. Rechts. Links. Kick. Links. Rechts. Kick. Immer wieder wiederholte ich die Reihenfolge, jeder Schlag wurde fester und gezielter. Und mit jedem Schlag entwickelte ich eine Wut auf mich selbst.

„Ich will gar nicht wissen, wen du dir da vorstellst", sagte eine männliche Stimme hinter. „Was?", fragte ich und atmete schwer. „Du hast ganz schön viel Kraft." Ich nahm meine Kopfhörer aus den Ohren und drehte mich zu der Person um. „Leon." „Hey", sagte dieser lächelnd. „Was machst du denn hier? Ok, das war eine dumme Frage." „Ich hätte auch nicht gedacht das ich dich hier sehe, Leah." "Ein bisschen Sport schadet ja nicht", sagte ich und griff nach meinem Handtuch. Meine Atmung ging noch schwer, aber es fiel mir deutlich leichter zu reden. "Und das wieder allein." "Wie du weißt, habe ich keine Freunde", grinsend sah ich ihm zu, wie er einen Schluck trank. Dieser Satz wurde irgendwie zu unserem Ding und ich verstand nicht einmal warum, denn bis jetzt war auch er immer allein. "Bist du fertig?", fragte Leon. "Ja so gut wie, muss mich nur noch dehnen. Und du fängst jetzt erst an?" "Nein, ich bin fertig. Eine Stunde Krafttraining und eine halbe Stunde Ausdauer reichen mir." Er hatte nicht einmal kleine Schweißperlen auf der Stirn, ich dagegen war komplett durchgeschwitzt. Meine Haare waren nass, mein T-Shirt klebte an meinem Rücken und mein Gesicht war höchstwahrscheinlich auch feuerrot.

"Wolltest du gleich danach heim, oder hättest du noch Lust was trinken zu gehen?", fragte er, als wir auf dem Weg zu den Umkleiden waren. Wir hatten uns zusammen noch gedehnt und waren nun fertig mit unserem Programm. "Ja, sehr gerne", antwortete ich lächelnd und verschwand in die Umkleide.

Nachdem ich mich geduscht und umgezogen hatte, verließ ich die Umkleide, vor der Leon bereits auf mich wartete. Gemeinsam verließen wir das Gebäude. "Gib mir deine Tasche, ich stell sie so lange in mein Auto", bot er an, was wirklich aufmerksam war, denn es wäre echt nervig und anstrengend gewesen die Tasche die ganze Zeit mit herumzuschleppen. Lächelnd gab ich ihm meine Tasche und folgte ihm zum Auto. "Wo willst du was trinken gehen?", fragte ich, um die Stille zu brechen. "Unten am Marktplatz gibt es ein kleines Café, da heute noch schönes Wetter ist, dachte ich, wir können dort hin. Dort kann man noch draußen sitzen." "Das mit dem Eichhörnchen auf dem Dach?" Leon nickte. "Die haben auch das beste Eis der Stadt", schwärmte er.

*

"Hey Leon", begrüßte ihn ein Mädchen etwa in unserem Alter. "Bist wohl öfter hier", bemerkte ich schmunzelnd. "Ja kann man so sagen. Lass uns setzen." Das Café war gut besucht und die meisten Tische waren besetzt. Leon führte uns zu einem Tisch, der zum Marktplatz gerichtet war. Das Mädchen kam wieder zu uns und brachte die Karte. "Ich schätze, du nimmst das, was du immer nimmst?" Mit einem leisen Lachen nickte Leon. "Und du?", fragte sie mich freundlich. "Ich hätte gerne ein Glas Sprudel." Ich konnte nach dem Sport nie etwas essen. Lächelnd nickte das Mädchen und ging wieder ins Innere. "Das wird der Besitzerin nicht gefallen, du hast ihr gutes Eis nicht bestellt ", sagte Leon und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Kurze Zeit später wurde mir das Glas Sprudel gebracht und Leon einen riesengroßen Becher mit verschiedenen Sorten Eis und eine Cola. "Gut das du eben kein Sport gemacht hast", neckte ich ihn und trank einen Schluck. "Eben. Genau deshalb gönn' ich mir das."

DamianWhere stories live. Discover now