Kapitel 82

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Leahs Sicht

Mit einem Tablett gefüllt mit Salat, einem Müsliriegel und einer Apfelschorle setzte sich Charlie zu mir an unseren Tisch in der Cafeteria. Skeptisch sah ich von ihrem Salat zu ihr.
          »Schau nicht so.«
         Schmunzelnd hielt ich die Hände abwehrend nach oben.
         »Ich sag ja gar nichts.«
          Der Essensplan der Cheerleader passte Charlie überhaupt nicht, sie war noch nie Fan von Grünzeug gewesen. Aber in ein paar Wochen hatten sie einen Wettkampf, bei dem alle fit sein mussten.
        »Erzähl, wie war der Nachmittag mit Damian?«, flötete sie und schob sich währenddessen eine Gabel Salat in den Mund.
         » Bei dem Cole, Grace, Ben, Noah und Leon auch anwesend waren«, korrigierte ich sie. »Aber es war eigentlich ganz lustig. Damian und Noah haben sich überraschenderweise super verstanden und viel geredet. Es war echt schade, dass du nicht da warst. Wir machen in letzter Zeit so wenig zusammen.«
         »Ja, weil du dich dazu entschieden hast, Zeit mit Damian zu verbringen.«
         »Das heißt aber nicht, dass ich ihn euch vorziehe.«
Charlie lachte. »Ich weiß, das war auch nicht böse gemeint. Ich freue mich ja für dich, dass ihr euch so gut versteht.«
         »Er ist echt nicht so übel, wie ich immer gedacht habe. Aber nach wie vor ist es mir ein Rätsel, warum alle so auf ihn abfahren. In der Schule ist er ein ganz anderer Mensch, und nur diesen Damian kennen sie.«
         Automatisch wanderten meine Augen zu dem Tisch, an dem er für gewöhnlich saß. Noch war er leer.
         »Weil er heiß ist.«
         Charlie schob den noch fast vollen Teller Salat von sich und griff nach dem Müsliriegel.
         »Hast du nicht eigentlich einen Freund?«
          »Doch, einen ganz tollen sogar«, schwärmte sie, » aber schauen ist nicht verboten. Außerdem habe ich schon vorher gesagt, dass er heiß ist.«
         Mit einem breiten Lächeln biss sie in den Riegel und ich schüttelte schmunzelnd den Kopf.
         »Wie geht es Julian?«, fragte ich.
         Ich sah ihn ja immer nur bei den Rennen und dort war ich schon einige Zeit nicht mehr gewesen.
         »Prima. Wir haben für nächstes Wochenende einen kleinen Roadtrip mit seinem Motorrad geplant.«
         »Und du fährst dann mit deinem Auto hinterher oder wie kann ich mir das vorstellen?«, entgegnete ich.
         »Nein. Ich werde mit ihm mitfahren. Ich vertraue ihm, und das erste Mal war unglaublich. Leah, du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Angst ich hatte und wie gut es sich angefühlt hat. Ich habe am ganzen Körper gezittert«, schwärmte sie.
         Sie ist mit ihm auf seinem Motorrad gefahren?
         »Du bist also lebensmüde geworden, oder wie darf ich das verstehen, dass du mit dem Ding gefahren bist?«, fragte ich überrascht, immerhin wollte sie mit mir keinen Meter fahren.
         »Ja, und es war toll. Jetzt kann ich verstehen, was du daran findest. Gut, ich würde nie wie eine Irre über den Asphalt fetzen, aber es war echt toll«, sagte Charlie begeistert.
         »Es verletzt mich ja schon, dass du einfach so mit ihm gefahren bist und mit deiner besten Freundin nicht. Bei mir hattest du Panik«, scherzte ich.
         Schuldbewusst sah sie mich an. Ich nahm ihr gar nicht übel, dass sie bei ihm mitgefahren ist. Dieses Abenteuerliche tat ihr ganz gut. Ich zog mir ihren Teller Salat näher und begann zu essen. Auf einmal hatte ich wahnsinnigen Hunger, obwohl ich erst etwas gegessen hatte.
         »Wo soll denn euer Roadtrip hingehen?«, fragte ich interessiert.
         »Na ihr zwei, über welchen Gossip wird diesmal gesprochen?«, ertönte auf einmal Noahs Stimme zwischen unseren. Zusammen mit Bella stand er an unserem Tisch.
         »Darüber, warum du niemandem erzählt hast, dass du wirklich mit Bella zusammen bist. Wann hattest du vor, es uns zu erzählen?«, stichelte Charlie sofort und sah zwischen den beiden hin und her.
         Die sonst so selbstbewusste Bella wirkte mit einmal total unsicher. Ihre Hand umklammerte Noahs fester. Die Arme. Sie konnte nicht wissen, dass Charlie solche Bemerkungen nicht böse meinte. Das war ihr schräger Humor.
         »Setz dich ruhig«, sagte ich lächelnd und zeigte auf den noch leeren Stuhl.
         »Vergiss, dass ich eben gesagt habe, ich hätte tolle Freunde. Sie sind die schlimmsten«, sagte Noah, der sich ebenfalls auf einen Stuhl setzte.
         Wir begannen zu lachen und auch Bella fühlte sich allmählich nicht mehr so unwohl.
          »Na so schlimm sind sie jetzt auch nicht.«
         Coles Stimme tauchte plötzlich hinter mir auf und zwei Sekunden später wuschelte er mir durch die Haare. Ich drehte meinen Kopf zu ihm und schaute ihn böse an. Schmunzelnd schüttelte Cole den Kopf.
          »Du bist mir gar nicht böse.«
          »Was machst du hier?«, fragte ich.
          Er ging zwei Schritte um mich herum.
          »Damian hat nach dir gefragt.«
          »Warum? Was wollte er?«, fragte ich verwundert.
          Cole zuckte mit den Schultern.
         »Hier setz dich«, sagte Noah und zog einen weiteren Stuhl an unseren Tisch.
         Verträumt sah Charlie sich in unserer Runde um. Wollte ich wissen, was in ihrem Kopf vor sich her ging?
         »Wisst ihr, was mir gerade aufgefallen ist?«
          »Ich wills lieber nicht wissen«, murmelte ich.
          »Wir sind das erste Mal alle zu selben Zeit in einer Beziehung", säuselte Charlie.
          »Alle außer Leah.«
          »Cole auch nicht«, entgegnete ich sofort.
         Ich hatte eine Ahnung, in welche Richtung das gehen würde. Mit einem kurzen entschuldigenden Blick wendete sich Charlie an Cole.
        »Ich mag dich, Cole, wirklich. Aber er zählt nicht.«
         Ich wollte gerade nach fragen was das zu heißen hatte, aber Charlie fuhr unbeirrt weiter.
        »Aber wir sind es alle so gut wie. Und wenn Leah so weiter macht, dann sind wir bald alle vergeben.«
        »Wie meinst du das?«, fragte Cole.
          »Du weißt von dem Kuss von vor ein paar Tagen?«, mischte sich Noah nun ein.
          »Ihr habt euch mehrmals geküsst?«, fragte Charlie nun überrascht.
          Fassungslos versuchte ich zu verstehen was gerade passiert war. Ich hatte es ihnen im Vertrauen erzählt und sie sagte es vor den ganzen fremden Menschen. Ich kannte Bella nicht und wollte nicht, dass gleich die ganze Schule von dem Kuss wusste, der ein Fehler war und bei dem ich Hoffnung hatte. Woher wusste Noah überhaupt von dem Kuss?
          »Das erklärt warum er nach dir gefragt hat. Einer von euch hat es mal wieder verbockt. Was ist dieses Mal vorgefallen?« Coles Stimme klang sanfter.
          Ich zuckte mit den Schultern.
          Er.
          Ich.
          Wir.
          »Ich würde mal sagen, wir waren mal wieder Damian und Leah.«
         Ich hörte Cole laut ausatmen.
          »Warum müsst ihr euch auch immer streiten...«
          Ich wurde wütend, weil sich jeder in etwas einmischte, in dem er nichts zu suchen hatte. Und in etwas von dem sie überhaupt keine Ahnung hatten. Und in etwas in dem es nichts gab, um sich einzumischen.
          »Weil...« Ich stocke, denn ich wusste keine Antwort darauf. Wir stritten uns, wenn man es denn so nennen will, immer über unnötige kleine Dinge. Nichts was Bedeutung hatte. »Ich muss zum Unterricht.« Mit diesen Worten stand ich auf und verließ die Cafeteria.
         »Leah, warte...«
          Als ich Coles Stimme hinter mir hörte, verlangsamte ich meine Schritte. Stumm fragte ich ihn, was er wollte.
          »Ich wollte mit dir über Damian reden.«
          Am liebsten hätte ich laut geseufzt. »Da gibt es nicht viel zu reden.« Ich wollte auch nicht darüber reden. Ich beschleunigte meine Schritte wieder.
          »Lauf jetzt ja nicht vor mir weg, Leah.«
          Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um.
          »Ich laufe nicht weg, aber ich habe keine Lust zu reden. Ich will einfach nicht reden.«
          Die Stimmen in meinem Kopf waren schon laut genug, dann musste es nicht um mich herum auch ständig um dieses Thema gehen. Seit 3 Tagen spielten sich immer wieder die gleichen Szenen in meinem Kopf ab. Nicht die Tatsache, dass Damian den Kuss als Fehler empfand, war das Schreckliche daran, sondern die Erinnerung an das Gefühl, seine Lippen zu spüren. Wenn ich nur daran dachte, kribbelte mein ganzer Körper, aber dann hallten seine Worte in meinem Kopf. Erst sagte er mir, wie verrückt ich ihn machte und dass er seit damals an nichts anderes mehr denken könne und keinen Tag später war es ein Fehler. Ob es für ihn nur ein Spiel ist? Wie Leon bereits sagte, er hat mit der halben Schule etwas gehabt. Das konnte ich mir nicht vorstellen, ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Ich dachte, ich würde Damian etwas kennen und so etwas würde nicht zu ihm passen.
         »Aber ich glaube, du solltest reden. Was auch immer zwischen euch vorgefallen ist, belastet dich.«
          Coles sanfte Stimme weckte mich auf meinen Gedanken.
          »Süße, er hat recht. Ich wollte dich eben nicht verärgern. Ich dachte nur, dass da etwas zwischen euch ist«, höre ich Charlie.
          Verwundert sah ich an Cole vorbei und tatsächlich stand dort Charlie.
         »Ich...«, begann ich, aber Damians ruf nach mir, ließ mich stoppen.
         »Leah.«
         Zwei Tage hatte ich versucht, ihm aus dem Weg zu gehen. Schnell griff ich Coles und Charlies Hand und zog sie mit mir durch den Flur. Damian würde uns nicht folgen, da war ich mir sicher. Ich zog die beiden in einen Klassenraum, von dem ich wusste, dass er leer war, und schloss die Tür hinter uns.
         »Auf den hast du ganz offensichtlich keine Lust«, zog mich Charlie auf und setzte sich auf einen der Tische in der ersten Reihe. Durchdringlich sahen mich die beiden an, also nahm ich einmal tief Luft und erzählte ihnen alles. Fast bis ins Detail.
         Als ich fertig war, stieß Cole ein gedämpftes Söhnen aus und schüttele den Kopf.
         »Ich reiß ihm den Kopf ab«, murmelte er.
         »Und seitdem habt ihr nicht mehr geredet?«, fragte Charlie und ich schüttelte den Kopf.
         »Vor ihm weglaufen ist aber auch keine Lösung«, entgegnete Cole.
         »Ich laufe nicht weg. Ich verschaffe mir nur etwas mehr Zeit.«
         Die Schulklingel ließ uns alle drei erschrocken aufschrecken.
         »Wir haben aber jetzt keine Zeit mehr. Wir sehen uns nach der Schule?«, sagte Cole und ging bereits zur Tür.
         »Ja.«

DamianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt