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Irgendwann kam der Pfad hinter einem riesigen alten schwarzen Haus auf, dass ich immer wieder bewunderte, und stieg den kleinen Abhang dahinter hinunter um an seinem Fuße auch schon mit den hohen Gräsern konfrontiert zu werden, die an meiner schwarzen Jeans scharbten, während ich die Tanne hinter den ganzen kahlen Bäumen zur Orientierung nutzte. Zwar musste ich mich durch etliche Sträucher zwängen, doch kam nach einer kurzen Zeit an meinem Stammplatz an, der nur aus einer winzigen Lichtung bestand, in der ein umgefallener Stamm vor sich hin moderte.
Dabei fragte ich mich jedes Mal aufs Neue, wie der hier überhaupt hingelangen konnte. Mit seinen fast 2 Meter war er fetter als der Rest und obwohl ein Teil der dicken Wurzeln bestehen geblieben war, gab es keine Spitze. Er war an der Stelle einfach abgebrochen.
Umso wohler fühlte ich mich, sobald ich anfing auf ihn zu klettern, um mich im Schneidersitz auf die weiche Rinde zu setzen. Er war anders als der Rest und wirkte mysteriös. Ich mochte ihn.

Mit emotionsloser Miene starrte ich einen Punkt weiter weg an, als mir meine Gedanken bewusst wurden. Heute hatte ich es wohl mit Bäumen.

Genervt zuckte meine Braue und ich fing an, in der Innentasche meiner Jacke zu wuseln, bis ich eine noch fast volle Zigarettenschachtel rausholte.
Ein Mittel zu dem ich nicht oft griff, doch gerade ganz schön gebrauchen konnte. In zwei Tagen wieder zur Schule...Ich konnte es nicht fassen.


Sobald ich genug von meinem abgelegenen Ort hatte, entschied ich auch noch zum nächsten Geschäft zu fahren, dessen Umgebung gut besucht war. Jedoch bezweifelte ich, dass dort jemand anwesend sein würde, der mich verpetzen sollte oder sonst was. Ich hatte guten Grund heute nicht zur Schule zu gehen.

Freudlos durchquerte ich die einzelnen Gänge und hielt nach etwas leckerem Ausschau, dass ich im naheliegenden Park verzehren könnte. Jedoch reichte mein Geld für nicht sonderlich viel. Frustriert atmete ich aus, als ich an der Knabberabteilung stehen blieb. Manchmal wünschte ich mir eine Familie wie Brad Hetht zu haben. Prima Vorzeigefamilie, immer lächelnd (auch wenn das nur Show sein konnte) und das wichtigste: Stinkreich. Brads Eltern hatten ihn zu so vielen Kursen geschickt, damit er sich ausprobieren konnte und war schon so oft verreist, dass ich den Überblick verloren hatte. Woher ich das alles wusste? Brad gehörte natürlich zu denen, die nicht aufhörten zu labern und sich an der ganzen Aufmerksamkeit aufgeilte. Egal wem, egal wann, erzählte er von seinen Erlebnissen und gab damit an, das Footballspielen für sich gefunden zu haben, indem er natürlich zu den Besten gehörte. Und auch wenn ich zugeben musste, dass er mit seinem braunen Haaren und den Grübchen - die sogar seinen stählernen Körper in den Hintergrund treten lassen konnten – unglaublich süß aussah, war sein Charakter für mich verdorben. So wie bei vielen.

Jedoch wollte ich gerade definitiv nicht noch an einen Poser denken. Mein Tag war so schon beschissen genug. So wie jeder eigentlich. Dennoch schüttelte ich den Kopf, um mich auf mein derzeitiges Problem zu konzentrieren. Chips oder Bier? Chips wären eigentlich ganz nice, aber ich bräuchte das Bier in diesem Moment wirklich für meine Nerven. Damit hat es sich auch schon entschieden. Achtlos warf ich die Tüte zurück, um mit dem kalten Bier zur Kasse zu gehen und mit meiner gefälschten ID die Flasche zu bezahlen. Ich sah wenigsten alt genug mit meinen schwarzen Haaren aus, um mit meinen 17 Jahren noch als 21 durchzugehen. Außerdem interessierte es hier niemanden.

Grob nahm ich die dunkelgrüne Flasche vom Tresen, die mich an meine eigene Augenfarbe erinnerte und schleifte aus dem Laden nach Draußen, wo sich ein kühler schwacher Wind aufgetan hatte. Ein Glück hatte ich eine Mütze an.
Die perfekte Jahreszeit, um allen aus dem Weg zu gehen und so zu tun, als sei man beschäftigt. Die Seitenstraße hinunter folgend näherte ich mich dem kleinen Park, den man kaum als solches bezeichnen konnte, da man permanent die Autos um einen hörte und auch kaum genug Platz war, um zu spazieren. Selbst nach der Schule trauten sich hier keine Kinder hin. Nur alte Leute und vielleicht Eltern mit ihren Kinderwägen.

Doch mein Weg wurde von etwas unterbrochen. Oder eher gesagt von jemanden. Auf der anderen Straßenseite erblickte ich mir sehr bekannte Gesichter am Rand einer Gasse zwischen zwei Ziegelhäusern, die an einem Fahrrad herumhantierten.
Zwei kannte ich nur vom Sehen, aber die anderen waren mit definitiv vertraut. Lucas und Eric. Gemeinsam waren sie die größten Schwänzer unserer Schule. Lucas sah man seltener, was mich irgendwie erfreute. Seine grellblonden Haare konnten einem echt auf die Nerven gehen. Selbst jetzt präsentierte er sie hochgestylt, sodass sie schon größer wirkten, als sein schlanker Körper. Doch Eric sah ich hin und wieder in meinem Geschichtskurs und er schien ganz in Ordnung zu sein.
Aber auf der Straße wollte ich ihm keines Wegs begegnen. Laut den ganzen Gesprächen denen ich in der Schule hilflos ausgesetzt war, machte er anscheinend nicht sonderlich saubere Sachen, weshalb ich auch gar nicht wissen wollte, ob einen von ihnen dieses Fahrrad gehörte oder nicht.

Sobald ich entschieden hatte, meinen Schritt zu verschnellern und gar nicht aufzufallen, blickte er von seinem schwarzen Kapuzenpulli auf, nur um mit seinen dunkelbraunen Augen direkt in meine zu sehen, als hätte er gefühlt, dass ich da war.
Leise in mich fluchend sah ich direkt voraus und musste aufpassen, dass ich nicht gleich rannte. Ich hatte so was von keinen Bock auf jemanden, wie Eric Falcon. Am Ende klaut er mir noch mein überteuertes Bier. Und so was traute ich jedem zu. Selbst Eric, der an sich immer friedlich erschien, egal, was man über ihn sagte.

Und entweder war er wirklich nicht so schlimm, wie alle behaupteten, oder ich war einfach mal wieder zu uninteressant für die Welt, denn er folgte mir nicht. Ich kam problemlos im Park an, um mein Bier zu genießen und ging erst, als meine Mutter schon anrief und fragte, wo ich blieb.
So viel zu 'seinen freien Tag genießen'. Egal, was ich tat, es brachte mir letzten Endes nichts ein. Ich blieb unbeeindruckt, wie immer.

Cold WinterWhere stories live. Discover now