XLI

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Mein Herz fühlte sich wie in einer Glasbox gefangen an, während es versuchte Panik zu schieben.

Elinor' Coffee, 4456, Hutchstreet 65.

Das konnte nicht wahrsein. Niemals. Mit zu Fäusten geformten Händen, die ich in die Taschen meiner Polsterjacke versteckt hatte, ging ich durch die belebten Straßen nahe der Stadtmitte. Mein Blick huschte überall hin. War ich noch auf der richtigen Straße? Starrten mich Menschen an, weil ich schlichtweg aussah, als würde ich nicht hierher passen?
Es war wohl der falsche Tag gewesen eine schwarze Skinny Jeans anzuziehen, die einen kaum wahrzunehmbaren Schnitt über dem linken Knie hatte. Mit der schwarzen Jacke und meinen dunklen Haaren ging ich sicherlich unter. Oder fiel sogar auf. Denn jeder hier wahr deutlich extravaganter angezogen. Einige sogar im schicken Pelzmantel, obwohl die Sonne schien und die Luft ausnahmsweise angenehm war.
Hier reihten sich Luxuskarren aneinander und unter ihnen suchte ich unauffällig nach dem weißen Benz von Brad, über den jeder auf der Schule sprach. Es kotzte mich immer an den ganzen Tratsch mitzubekommen, aber anscheinend konnte der manchmal hilfreich sein.

Und tatsächlich dauerte es nicht, bis ich ihn an der Seite geparkt fand - nicht weit vom Café, dass er vorgschlagen hatte. Sofort spannte sich mein Körper im gehen an und ich wollte mich verkriechen. Was zur Hölle wollte er von mir? Es machte mich schon fast wütend, wie viele meiner Nerven er eigentlich beanspruchte.

Ich atmete tief durch und schloss die Augen. Ich sollte mich nicht aus der Rolle bringen lassen. Vielleicht wird es ihm ja klar machen, dass das alles keine gute Idee war, sobald er sieht, wie wenig ich hierher passe. Oder wie wenig Sinn es machte, sich mit mir alleine treffen zu wollen. Ich sprach wenig!

Total in Gedanken versunken bog in die Ecke ab, in der das Café stehen sollte, doch stieß im nächsten Moment gegen etwas.
Blinzelnd stand ich da, bevor ich aufblickte und direkt in den überraschten Blick von Brad sah. Es war mir nicht anzusehen, jedoch sackte mir das Herz abrupt runter.
"Hey." brachte er erstaunt heraus und drehte sich zu mir, während er das Handy wegsteckte, in das er bisher wohl vertieft war. "Ich wollte dir gerade schreiben." steckte er die Hände in die vorderen Taschen seiner Jeans.
Ich krümmte die Brauen. "Ist was dazwischen gekommen?"
Jedoch schien er mich nicht zu verstehen und legte den Kopf schief.
"Wenn du woanders sein musst ist das auch okay. Wir können das ruhig ausfallen lassen." meinte ich unbewegt und hoffte irgendwie, dass es so sei, denn ich wurde nervös. Wieder etwas, dass nicht oft passierte.

Als wäre ihm ein Licht aufgegangen verschwanden die Furchen aus seinem Gesicht und er lächelte kopfschüttelnd. "Nein, nein. So war das nicht gemeint." Die Grübchen unter seinem führsorglichen Blick ließen mich den Atem anhalten. "Egal, wollen wir draußen sitzen? Ich glaube das Glück, die Sonne in diesem Jahr wie heute wiederzusehen wird uns nicht nochmal passieren." deutete er auf das Café hinter sich und ich nickte einfach, als ich versuchte den Blick schnell von ihm zu wenden.


Das Café an sich war nicht groß, stand jedoch am Ende einer Straße und hatte genug Platz, um seine geschnörkelten Tische draußen zu verteilen, wo schon einige Gäste saßen.
Brad setzte uns an einer der äußeren Tische hin, während ich immer noch Schwierigkeiten hatte meine Situation zu realisieren. "Schön hier." brachte ich murmelnd heraus und presste die Hände unauffällig zwischen meine Schenkel, während ich mich umsah.
Alles wirkte....französich gestalten. Obwohl es zu kühl war, standen und hingen überall blühende Blümentöpfe. Die Tische waren wunderschön dekoriert und durch die Schaufenster konnte ich im Inneren französiche Zitate hängen sehen.
"Da stimme ich zu." wurde meine Blick wieder zu Bram gelenkt, der sich auch umsah, "Ich komme selten her, aber oft genug, um mich hier richtig wohl zu fühlen. Ab nächster Woche werden sie aber alles mit Kürbissen und gefärbten Blättern ersetzen. Heißt nicht, dass es weniger schön aussehen wird." Als sich unsere Blicke dabei trafen, erwischte ich mich selbst, wie ich ihn musterte.
Doch ich zuckte nicht zusammen. Stattdessen rutschte mir eine unüberlegte Frage aus. "Wieso hast du mich hierher bestellt, Brad?" Meine Stimme klang ernst und unberührter, als ich es war.
Ein Schatten legte sich kurzzeitig über seine Augen, bevor sie wieder das sanfte Lächeln der Lippen aufnahmen.
"Ich habe dich nicht hierher bestellt. Ich habe dich lediglich gefragt."

Tonlos stockte mein Atem und konnte die Wärme in meinen Wangen nicht verdrängen, die seine Worte verursachten. Ich räusperte mich, bevor ich wieder Vertrauen in meine Stimme legte. "Wieso?" klang sie dennoch heiser.
"Das habe ich dir schon mal erklärt. Weil ich dich kennenlernen möchte. Und der Fakt, dass du hier bist sagt mir, dass das auf Gegenseitigkeit besteht?" Er hob mit einem Lächeln, das leicht verschmitzt wirkte, eine Braue. Doch ich war sprachlos.
Er hatte Recht und ich konnte es nicht leugnen. Auch wenn ich nicht sagen konnte, dass ich ihn gleich richtig kennenlernen wollte. Dass er mich kennenlernen wollte, war mir jedoch bizarr. Aber ich blickte einfach gedakenverloren zur Seite. Ein Zeichen, dass er die Antwort darauf nicht bekommen würde.

"Du hast deine Haare hochgebunden." ertönte seine Stimme nach einer kurzen Stille, weshalb ich mich gezwungen fühlte, ihn anzusehen.
Doch sein Blick wirkte nicht ganz bei mir. Er lächelte in sich hinein, während sein Blick sich in jegliche Bereiche meines Kopfes brannte. Plötzlich wurde mir Frostbeule warm und ich rutschte unbehaglich auf dem hölzernen Stuhl umher.
Ich hatte mir auf dem Weg hierher einen Pferdeschwanz gemacht. Wieso, wusste ich nicht. Es fühlte sich einfach richtig an. Und wenn ich mir seinen verträumten Blick so ansah, war es das wohl.
"Guten Tag." unterbrach uns eine junge Kellnerin. Sie hatte ein Mocca farbenes Shirt und eine schwarze Schürze und hielt ihren Block mit Stift bereit, während sie fragte, was wir uns wünschten.
"Ich..." fing Brad an, doch sein Blick zuckte wieder zu mir. "Hast du etwas bestimmtes im Kopf oder soll ich für dich wählen?"
Sein Frage zog an mir. Als wäre ich schüchtern.. Dabei war ich einfach zu durcheinander, als das ich unter den tausenden Worten in meinem Kopf das richtige finden konnte. Also nickte ich einfach geschlagen, was ihn wieder zu der brünetten Kellerin sehen ließ.
"Zwei Cappucino Italiano und einen beliebigen Kuchen."

Sie notierte es sich und verschwand eilig, nachdem sie uns noch ein letztes strahlendes Lächeln gab. Ich war jedoch zu beschäftigt über die Kosten nachzudenken. Ich hatte einige Münzen bei mir, aber ich wusste nicht, wie die Preise hier waren. Immerhin sah ich um mich herum nur Leute in Markenkleidungen oder am Laptop sitzend. Einige, die auf wichtig taten, indem sie die Zeitung lasen. Ich hasste solche Menschen.
Ihr Leben erschien mir immer so weit weg - unerreichbar. Ich würde nie so sein. Vorallem nicht, wenn mein Ende immer näher rückte.
Ich schluckte mit dem Blick auf den runden Tisch. Was machte ich dann hier?

"Mache ich dich nervös?" Erschrocken sah ich auf, wo Brad das Kinn auf die Hände gestützt hatte und mich schlicht ansah. Doch eine gewisse Sorge schwang in seinen Augen. "Du weißt, dass du keinen Grund hast dich bei mir unwohl zu fühlen, oder?"
Ich seufzte und musste mir das Zucken meiner Mundwinkel verdrücken. Er hatte soeben einen Damm angeknackst, den ich nun nicht mehr zurückhalten konnte. "Du bist die beliebteste Person auf der verdammten Schule, Brad." lächelte ich wehmütig zu ihm auf.

"Und?"
Ich sah zum Himmel, dessen blau-grau hier und da von Wolken durchbrochen wurde. "Und du solltest das hier eigentlich nicht machen." Als ich wieder in sein Gesicht sah, war eine Furche zwischen seinen Brauen entstanden. "Ich bin immer noch ein Außenseiter. Alleine das macht den einfachen Kontakt zwischen uns nicht möglich."
"Was sollte das für eine Rolle spielen?" fragte er ernst, aber ruhig.
Ich zuckte die Schultern. Ich glaubte Herr-Gute-Noten hatte genug Köpfchen, um das selbst herauszufinden.
"Wenn es dir um die anderen auf unserer Schule geht - ist es mir egal."
Überrascht hob ich die Brauen, was ihn aufseufzen ließ.
"Heather..Nur, weil ich anscheinend von jedem gemocht werde, heißt es nicht, dass ich sie alle zurück mag. Mich interessiert es nicht, wenn sie sich von mir abwenden, nur weil ich mit einer bestimmten Person rede. Es würde mir sogar einiges erleichtern."
Ich konnte nur einen Moment überrumpelt sein, bevor sich ein neuer Gedanke aus meinem Mund schlich. "Du willst also wirklich nur reden?" Der unterschwellige Ton machte klar, was ich damit anspielte und er verstand es scheinbar sofort. Er presste die Lippen aufeinander, solange ich mich selbst enthaupten wollte. Wie konnte ich soetwas nur in Betracht ziehen? Wieso entkam mir sowas immer wieder? Wieso sollte Brad mehr als reden wollen? Wer denkst du, wer du bist?

Doch sein minimales Lächeln kündigte mir an, dass er mir meine Panik nicht anmerkte und jetzt noch mehr kam. "Tatsächlich nicht nur." Mein Atem hielt an. "Ich hatte andere Hoffnungen, aber als ich merkte, wie verschlossen du warst, habe ich behauptet, dass ich nur reden wollte. Anscheinend hast du es letzten Endes doch noch eingesehen."

Cold WinterWhere stories live. Discover now