XLVI

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Die Stille in Erics Auto war angespannt, weshalb ich mich allmählich fragte, ob ich einen Fehler begangen hatte. Desto mehr Zeit verstrich, desto klarer wurde der Sturm in mir.
Ich bereute es nie Taschentücher parat gehabt zu haben, denn mein Gesicht war ein einziges Chaos. Ich versteckte es mit meinen Haaren und zupfte an meinen Ärmeln. Es hallten inzwischen nur noch verblasste Schluchzer hier und da, aber gefühlt hatte ich mich dennoch beschissen. Ich war kaputt und musste die Stimmen im inneren unterdrücken, bevor sie mich erneut zum weinen brachten. Aber jemand neben mir zu haben half dabei komischerweise.
"Sicher, dass du zu dir willst? Ich kann dir versichern, dass es dir in einem Wald unter frischer Luft besser gehen wird." brummte Eric beim fahren und ich schüttelte den Kopf.
Er hatte das schon mehrmals gefragt und ich verstand langsam nicht, was daran falsch zu verstehen war, dass ich einfach nirgendswohin wollte.
"Ich will wirklich nur nach Hause. Sorry.." meinte ich geschwollen.

Sein Gesicht wurde härter, sodass er schon fast angepisst wirkte, jedoch verstand ich nicht wieso. Bin ich so nervig? Überspannte ich seine Nerven? "Tut mir Leid.." hauchte ich und betrachtete sein Profil eingehend.
Kurz flackerte etwas durch sein Gesicht, dass ich nicht deuten konnte, bevor er tief durchatmete und den Kopf schüttelte. "Du hast nun mal nur mich."
Nur ihn. Da ich durch meine volle Nase nicht atmen konnte öffnete ich den Mund leicht, während ich ihn musterte. Da könnte er tatsächlich Recht haben. Ich hatte noch nie jemanden zugelassen meine Ausbrüche mitzuerleben und Eric schaffte es auf so vielen Ebenen für mich da zu sein, wie keiner zuvor. "Danke." krächzte ich, was seinen Blick kurz zu mir zucken ließ.

Nach einem kurzen Zögern nahm er eine Hand vom Lenker und griff plötzlich nach meiner schlaffen Hand. Stirnrunzelnd beobachtete ich, wie er sie miteinander verschlingen ließ, doch ich sagte nichts. Es war eigenartig, aber ich wehrte mich nicht dagegen. Ein Teil von mir schien diesen Halt zu brauchen.


Er hielt Nahe meines Hauses an und verursachte eine peinliche Stille, als er den Motor abstellte. "Wir sind da." murmelte  er leise und sah mich an.
Seine dunklen Augen brannten sich in meine und ich wurde das Gefühl nicht los, etwas besonderes in ihnen zu erkennen. Es machte es mir unmöglich wegzusehen. Ich schluckte, doch meinem ausgedörrten Hals schien es nicht auszureichen.
"Willst du wirklich hier her? Ins stickige, einengende?" brummte er ernst.
Mein Magen zerknüllte sich bei seinen Worten, doch ich ließ mich nicht davon abbringen. Ich erlebte sogar einen Moment, wo plötzlich alle Hemmungen fehlten und es sich anfühlte, als wäre ein Schalter in mir umgelegt worden. "Kommst du vielleicht mit?" fragte ich leise und flehte ihn mit meinem Blick an. "Ich will nicht alleine sein."
Seine Brauen verzogen sich schmerzhaft, doch ging sich sofort mit der Hand, die nicht meine hielt, durch das Gesicht. "Sind deine Eltern Zuhause?" blickte er zur Straße.
Wieder versuchte ich zu schlucken. "Nein. Sie kommen erst Abends zurück. Nur mein kleiner Bruder wird in wenigen Stunden Schluss haben." Erst da realisierte ich, dass ich soeben schwänzte. Mir war das nicht aufgefallen, als ich noch geflüchtet war.

Er atmete durch, was mir ein schlechtes Gefühl gab, doch ich war so fertig mit den Nerven, dass ich nicht darauf achtete. In diesem Moment hätte ich alles getan, um nicht alleine zu sein.
Als er meine Hand losließ fühlte ich mich sofort verloren, doch als ich sah, dass er tatsächlich ausstieg spürte ich Erleichterung.
Mit zitternden Händen öffnete ich ebenfalls die Tür und ging neben ihm her zu meinem Haus. Meine Arme fühlten sich wie Blei an, als ich im Rucksack nach meinen Schlüsseln kramte und kurz darauf die Tür öffnete.
Zuhause war es unglaublich still und es war nur mein Schniefen zu hören. Im diesem Moment wurde mir klar, dass ich es niemals alleine in dieser Stille ausgehalten hätte.

Stumm zogen wir die Schuhe aus und er folgte mir die Treppe bis in mein Zimmer hinauf. Ohne weiteres ließ ich meinen Rucksack und meine Jacke fallen und schämte mich nicht einmal für die Unordnung die hier herrschte, sondern ließ mich auf mein Bett fallen.
Mein Körper fühlte sich kalt an, dass selbst die Decke nicht half, in die ich mich einwickelte. Nur ihre Weiche hieß mich willkommen.
Ich drehte mich weg vom Fenster, dass neben meinem Bett war und musterte Eric, der mitten im Zimmer stand und die Hände in den vorderen Hosentaschen hatte. Er wirkte ein wenig zu groß hier drinnen und fehl am Platz, aber ich versuchte gar nicht erst darüber nachzudenken.
Ich beobachtete ihn einfach nur dabei, wie er sich mit einem vorsichtigem Blick umsah. Ich hatte eine komplette Wand voller Bücher und einen Schreibtisch, der mit eingebaut war, doch alles verwendete ich seit Jahren nicht mehr. Die meisten Bücher gehörten meiner Mutter und bevor ich meine Liebe zum Lesen richtig entwickeln konnte, hatte ich auch schon genug damit zu tun, mich um meine eigenen Gedanken zu kümmern. Ich brauchte die erfundenen Dramen von Büchern nicht, weil ich mit meinen eigenen klarkommen musste.
Kurz verweilten seine Augen auch auf den Zeichnungen, die überall verstreut lagen. Ich zeichnete oft unschöne Dinge. Dinge, die in meinem Kopf herumspuckten und die ich ungerne andere sehen ließ, weil sie abschreckend waren. Aber Eric zeigte gar keine Emotionen, als er sie betrachtete.
Und ohne Vorwarnung traf sein Blick auf meinen. Ich spürte nichts dabei, außer eine unbekannte Vertrautheit, weshalb ich nicht wegsah.
Auch er unterbrach den Blickkontakt nicht, sondern zog die Hände aus den Taschen und kam auf mich zu, was mein Herz schneller schlagen ließ. Schon seit Jahren war hier keiner außer meiner Familie drinnen und es machte mir Erics Anwesenheit surreal. Vielleicht bildete ich mir das alles ein. Vielleicht entwickelte ich ja inzwischen eine Schizophrenie, was mich ein ernstes nicht gewundert hätte. Manchmal hatte ich sie mir gewünscht, um wenigsten Dinge zu sehen, die mir das Gefühl gaben, nicht alleine zu sein.
Aber sobald er sich zu meinen Beinen an den Bettrand setzte und ich das Gewicht spürte, mit der er die Matratze senkte, wusste ich, dass das echt war. Dass er tatsächlich hier war, nachdem ich ihn gebeten hatte und es bedeutete mir komischerweise viel. Niemals hatte jemand etwas für mich getan, wie er es tat.

Cold WinterUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum