XXII

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Statt wieder reinzugehen, blieb ich auf dem Baumstamm draußen sitzen und beobachtete die Flammen des Lagerfeuers. Komischerweise fühlte ich mich hier wohler, als in dem Haus voller nerviger Jugendliche mit perfekten Leben und lautem Gröllen. Außerdem hatte ich keine Lust das Risiko einzugehen Nelly wieder über den Weg zu laufen.
Die Gruppe jedoch hatte sich teilweise wieder verflüchtig, nachdem sie ihren 'Streich' besiegelt hatten, weshalb nur noch Don und wenige Typen hier standen. Von Eric keine Spur.

Dieser blieb nämlich für längere Zeit verschollen, bevor er aus der Dunkelheit auf mich zutrat, ohne den Blick von mir zu nehmen.
Unwohl versteifte ich mich, doch sagte nichts, als er sich neben mich niederließ.
"Du verrätst doch wirklich nichts von unserem Plan, oder?" fragte er mit gesenkter Stimme, sodass ihn die Anderen nicht hören konnten vor denen er mich vorhin verteidigt hatte.
Augenverdrehend versuchte ich lockerer zu werden. "Nein, keine Sorge."
"Gut. Sonst hätte ich dich von der Bildfläche verschwinden lassen müssen."
Desinteressiert sah ich zu seinem Profil, doch er sah so ernst aus, wie er klang. Um mir keine unnötigen Sorgen zu machen, vertrieb ich einfach jegliche Gedanken zu diesem Verhalten und starrte wieder ins Feuer, während ich meinen letzten Schluck nahm und den leeren Becher auf die Erde stellte.

Es verging eine Weile und ich fragte mich ein ernstes, wieso Eric sich überhaupt die Zeit mit mir vertrieb, wenn doch seine Freunde hier waren. Könnte er..? -Nein. Ausgeschlossen hatte jemand, wie der, Gefühle.
"Du hast mich angelogen." platzte ich es heraus, um meinem nervigen Gedankengang ein Ende zu setzen.
Mit erhobener Braue sah er zu mir.
"Du meintest, hier wäre niemand von unserer Schule außer Jennifer und Lucas."
Unberührt lehnte er sich mit den Ellenbogen auf die Knie und starrte ebenfalls ins Feuer. "Ich habe gesagt fast. Don und zwei weitere sind eine Ausnahme."
"Trotzdem." beharrte ich.
"Sie werden dich wohl kaum ansprechen, Heather." Zu seiner raunenden Stimme, die glatt aus dem Feuerholz vor uns hätte stammen können, sah ich zu ihm. Da das Feuer inzwischen kleiner war, wurden seine braunen Haare nur noch leicht in einen Karamelton getunkt, dafür reflektierten seine dunklen Augen einen leichten Funken des warmen Lichtes, während der Rest vollkommen schwarz wirkte. Sein intensiver Blick darunter ließ mich die Luft anhalten.
Jeder in diesem Moment hätte gesagt, wir würden wie Verliebte aussehen. Aber ich konnte sagen: Das waren wir nicht. Zwar waren meine Erfahrungen im Thema Liebe sehr eingeschrenkt und Jungfrau war ich auch noch, aber ich konnte mit höchster Überzeugung sagen, dass Eric Falcon mich nicht mit Liebe in seinen Augen anstarrte, sondern mit etwas anderem. Jedoch konnte ich nicht sagen, was es genau war. Ich würde es mit Neugier verbinden. Einer Anziehungskraft, die ich jedoch nicht sonderlich verstand.

"Du bist gar nicht so ruhig und stumm, wie man zuerst von dir denkt." unterbrach er den stummen Blickkontakt und ich starrte zu den Wäldern.
"Weil ich auch alles dafür tue, um auch nicht mit anderen in Kontakt zu treten." flüsterte ich, da meine Kehle von seinen Augen zugeschnürrt wurde.
"Warum ist das so?"
"Unwichtig."
"Das sollte ich wohl selbst entscheiden."
"Nein, das entscheide ich für dich." Mit emotionsloser Miene drehte ich den Kopf zu ihm und wusste nicht, wo ich den Mum gefunden hatte, so mit ihm zu sprechen.
Wie erwartet legte sich ein Schatten über sein Gesicht, der verstärkt wurde, indem das Feuer nur die Hälfte seines Gesichts beleuchtete. Dabei wurden seine groben Züge nur noch sichtbarer. Sein Kiefer wirkte, als wäre er vom buffigsten Schmied geschliffen worden und auch wenn sein Aussehen ein wenig zu hart war, erkannte man die Schönheit darin, die mir bisher nicht sonderlich aufgefallen war.
"Du bist und bleibst wohl anders, Anerston." brummte er. Doch es war kein Kompliment. Er meinte es unter einer abschätzingen Stimme und das ließ mein innerstes ein wenig aufkochen.
"Das weiß ich auch ohne dich." knurrte ich leise.
"Tja, typisch Außenseiter eben."

Kopfschüttelnd ignorierte ich ihn beim trinken und wusste ein ernstes nicht, warum ich hier war.

"Du gehst noch nicht nach hause." brummte er plötzlich und krammte in der Innentasche seiner Lederjacke.
"Was? Wieso?" Im nächsten Moment verzerrte ich das Gesicht schmerzhaft vor meinen eigenen Worten. "Ich meine: Was meinst du?"
"Toller Rettungsversuch, Anerston. Man sieht es dir an, aber ich lasse dich noch nicht gehen."
"Hör auf mich anständig so zu nennen."
Doch er drehte sich einfach eine Zigarette, bevor er mir die Fertige reichte. Diesmal war er deutlich schneller damit, als zu der Zeit, wo er vor der Schule mit mir reden wollte. Woran das wohl lag.. Jedoch konnte ich mich darüber nicht genug ärgern, weil mich der Alkohol zu locker machte. Wenigstens hatte ich wieder etwas gutes zum rauchen.

Cold WinterWhere stories live. Discover now