LXI

62 4 0
                                    

Relativ gesammelt trat ich in die kühle Oktoberluft hinaus, wo die Sonne temperaturlose Strahlen auf den Parkplatz sendete und unterdessen auch Eric beschien.
Er stand mit dem Rücken zu mir und rauchte unter angespannter Haltung.
Auf einmal trafen mich Bedenken, was dieses Gespräch anging. Etwas stimmte hier nicht. Jedenfalls war mein Bauchgefühl der Meinung und das sollte ich nicht ignorieren.

"Wieso sagst du nichts?" kam es plötzlich von ihm und ich stellte meine Gedanken ein. Ich hätte doch sowieso nicht wieder abhauen können..
Seufzend kam ich ihm näher. "Weil ich immer noch auf dich angepisst bin." gab ich es selbstgefällig ab und verschränkte die Arme.
Mit verzogenen Brauen drehte er sich zu mir. "Wieso das?"
Ungläubig starrte ich ihn an. "Wegen deiner Worte gestern?" Allein deswegen hatte ich entschieden die Haare wieder offen zu tragen und zu meinem Ärgernis auch meine Gangart ruhiger zu halten. Ich hatte gemerkt, dass ich durch Bram ein wenig energiereicher und unbeschwerter um die Gegend gegangen bin, was selbst mir komisch vorkam.

Er verdrehte die Augen und kam auf mich zu, doch ich dachte nicht daran zurückzuweichen. "Verdammt, Heather, so krass waren die nicht gemeint. Ich war nur zu überrascht und da kam halt mehr raus als eigentlich gewollt." Er blickte mir dabei nicht in die Augen und zog an seiner Zigarette.
"Warum überrascht?"
Er zuckte die Schultern. "Weil es nicht deine Art ist." und verpasste mir einen Schauer, als er mich endlich direkt ansah, "Ich fand dich zurückhaltend und frech, besser. Und mit offenen Haaren bist du sowieso schöner."
Dabei strich er mir plötzlich die linken Haare nach hinten und streifte mit den Fingerkuppen meinen Hals, was die Stelle prickeln ließ, doch ich miemte weiterhin das Poker-Face.
Ich verstand sein Verhalten nicht, genauso, wie die Gefühle in seinen Augen, während er mich ansah. Eben waren sie noch distanziert und jetzt...feinfühlig? Zur Hölle, ich wusste es nicht!
"Brad mag es, wenn ich meine Haare hochstecke." entfuhr es mir selbstsicher.

Momentan erstarrte er und hörte auch auf mit meinen einzelnen Strähnen zu spielen, als er mich fest ansah. Für einen zu langen Moment starrten wir uns stumm an.
Scheinbar erwartete er, dass ich weiter redete, doch ich wusste nicht was. Mir sind diese Worte einfach ausgerutscht, aber es hieß nicht, dass ich sie bereute. Allmählich musste klarer Tisch gemacht werden.
Jedoch hätte ich erwartet, dass Eric Witze darüber machen würde oder mich schlichtweg auslachen. Und nicht, so wie jetzt reagieren würde: Mit angespanntem Blick, als würde er gleich das ihm nächstlegende in Stücke zerreißen, und das ohne einen Laut von sich zu geben.
Das war unerwartet.

"Oh, hat er das also gesagt?" kam es gefährlich leise von ihm mit gesenktem Blick zu mir.
"Ja, in der Tat."
Sein Kiefer mahlte fast unmerklich. "Vielleicht liegt es daran, dass du ihm so einen besser blasen kannst."
Mit großen Augen entfachte sich ein Feuer in mir. "So ist er nicht." flüsterte ich angespannt, doch er schnaubte nur und steckte die Hände in seine Hosentaschen.
"Ach. Und wie ist er deiner Meinung nach?"
Ich presste die Lippen aufeinander und versuchte meinen Ärger zu kontrollieren. Immerhin wusste ich schon, wie Eric tickte. Er war sehr direkt und kein bisschen empfindlich. Und auch wenn es schwer sein konnte, damit umzugehen, konnte man es dennoch schaffen.
Also atmete ich tief durch und lockerte die Fäuste. "Sehr nett und hilfsbereit."
Ein dunkler Schatten trat über Erics Gesicht, doch bevor er wieder etwas dazu erwiedern konnte sprach ich weiter.
"Ich hab es dir nicht gesagt, aber ich habe mich nochmal mit ihm getroffen. Wir haben Airsoft gespielt und einfach Spaß gehabt." Er wirkte nicht im geringsten berührt oder überrascht. "Und er hatte zu keinem Zeitpunkt irgendein verdächtiges Interesse gezeigt." Okay, fast.
"Das ist doch Bullshit, Heather." meinte er ruhiger, als zuvor.
"Ist es nicht." funkelte ich ihn an, "Vielleicht ist es nur auf kurze Zeit, aber mir ist das egal. Dann ist es so. Und wenn er mich verletzt ist das auch so."

Er atmete tief durch, während sein Blick undruchdringlich nicht von mir wich. "Es ist von nun an deine Sache, Prinzessin. Aber sag mir nicht, ich hätte dich nicht gewarnt." brummte er ruhig.
Plötzlich fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich hatte nicht damit gerechnet, das aus seinem wohlgeformten Mund zu hören. "Danke." hauchte ich, "Werde ich nicht." und kramte in meinem Rucksack nach Kippen. Nach diesem ganzen Stress hatte ich es bitter nötig.

"War das alles, was du mir zu erzählen hattest?" kam es so besonnen von ihm, dass seine Anspannung von eben, wie non-existent vorkam.
Er trat ab und setzte sich entspannt auf den Bordstein, weshalb ich ihm folgte und mir die Kippe anzündete.
Wenn ich ihm schon das eine erzählt hatte, konnte ich auch gleich alles offenbaren. "Er hatte mich auf eine Party eingeladen. Von einem Kumpel von ihm. George oder so, heißt er."
"Warte..." stutzte er, "Du hast vor auf eine solche Party zu gehen? Mit voller Fremder??"

Toll. Darauf hätte er mich nicht nochmal hinweisen müssen... "Ja, habe ich.." brummte ich nur. "Ich glaube, Brad wird da schon aufpassen."
Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie Eric sich grob übers Gesicht rieb. "Wie kannst du ihm nur so vertrauen..."
Auf einmal brach eine kleine Wand in mir ein und ich zog die Mundwinkel runter. Vertrauen.."Ich weiß es selbst nicht." hauchte ich wahrheitsgetreu. "Eric, ich hasse normalerweise Menschen, die emotional und motiviert sind. Ich mag es nicht, wenn mir andere vollkommen energiegeladen entgegenkommen. Aber bei Brad ist es anders." Ich schluckte schwer. Sollte ich jetzt wirklich weitersprechen? Ich räusperte mich, als ich entschied Eric zu vertrauen. "Ich hatte das noch nie gefühlt. Ich glaube, ich mag ihn. Und er kann mich scheinbar gut genug leiden, um sich ständig nach mir zu erkunden."

Ich blickte zu ihm, wo sein Profil mir ein Kribbeln durch den Körper jagte und ich die Beine unmerklich aneinander presste. Er starrte einfach ins Weite, bis er wortlos anfing zu drehen und wieder eine rauchte. Etwas beschäftigte ihn - machte ihm zu schaffen - und ich hatte Angst zu erfahren, was der Grund dafür war. Ja, ich hatte Angst.
"'Scheinbar gut leiden.'." murmelte er ausrauchend, mich immer noch nicht ansehend. "So sehr, wie ich?"
Ich krümmte die Brauen, doch ich spürte plötzlich Mitgefühl. Die Verbindung zu Eric war inzwischen so stark, dass er mir wichtiger geworden war, als gewollt. Ich sollte es unterbinden, aber ich konnte nicht. Eric war die erste Person seit Jahren, die eine Freundschaft mit mir angefangen hatte. Und selbst meine Freunde aus der Kindheit waren nicht so gut zu mir gewesen, wie sie es eigentlich hätten sein sollen. Sobald ich mich angefangen hatte zu verändern spielten sie mir üble Streiche oder ließen mich einfach kalt stehen. Klar, Eric war auch schroff und nicht gerade nachsichtig, aber das war nun mal seine Art. An sich wusste ich, dass er es nur gut meinte.
"Fast so sehr, wie du, ja." meinte ich darauf weich und konnte nicht von seinem Profil wegsehen. Es war, als konnte ich mich an ihm nicht sattsehen. Die dunkeln Augenbrauen stachen aus seinem Gesicht. Er war nicht der gebräunteste, aber auch nicht der blasseste unter allen. Und wie konzentriert seine Augen immer waren, wirkte wirklich einnehmend.

Als er den Kopf zu mir wendete hielt ich ungewollt den Atem an. Ohne Vorwarnung bewegte er den Arm und stützte sich neben mir ab, um sich nah zu mir zu lehnen.
Sofort umspielte mich der Geruch seines pikanten After-Shaves, gefolgt von unserem Zigarettenrauch, und ich konnte nicht anders, als es leise und tief einzuatmen, während ich ihm mit klopfenden Herzen ansah.

Er ließ sich Zeit, musterte mein Gesicht, dass mit jeder Sekunde wärmer zu werden schien, bis seine Gesichtszüge mit einem mal entspannten und er aufgrinste. Ein wenig gruselig und doch attraktiv. "Dann bin ich gespannt, wohin das geht."
Verwirrt blieb ich stumm und kam über den Fakt nicht hinweg, dass er mir etwas verheimlichte.
"Weißt du etwas von Brad, was ich wissen sollte?"
Nun wirkte er einen Moment verwirrt, doch verlor nicht das selbstgefällige Grinsen auf seinen Lippen. "Nicht, dass ich wüsste." Was wusste er dann? "Soll ich zur Party mitkommen? Im Fall der Fälle?"

Sofort vergaß ich meine Grübeleihen über sein Verhalten und schüttelte empört den Kopf. "Niemals. Ich brauche keinen Bodyguard. Wie peinlich wäre das denn?" sah ich weg und versuchte den Fakt zu ignorieren, dass Eric mir ungewöhnlich nah war. "Am Ende bekommt er Angst vor dir und deinen tödlichen Blicken." witzelte ich, doch es trieb ihm kein Schnauben - was oft sein lachen ist - heraus, noch sonst was.
"Ich würde damit gut leben können."
"Oh, das glaube ich dir." murmelte ich und konnte das minimale Zucken meiner Mundwinkel nicht lassen.

Cold WinterWhere stories live. Discover now