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„Ich bin bereit. Lass uns vor dem Geschäft deines geheimen Lovers treffen." kam am Sonntag der Text von Eric und ich hob demonstrativ die Arme mit der angezündeten Zigarette in den bewölkten Himmel, während ich versuchte, meine Wut gegenüber diesen Typen zu unterdrücken, was einfach nicht gesund sein konnte.
Tief durchatmend, schrieb ich zurück. „Wie du meinst. Lass uns in drei Stunden treffen." Ich wollte noch nicht von meinen Stammplatz auf dem umgefallenen Baumstumpf gehen und brauchte definitiv meine Ruhe von allem. Wie erwartet war die Nacht....unangenehm. Es war ein Wunder, dass ich keinen blutigen Arm davongetragen hatte.
Wieder eine Nachricht.
„Sofort."
Verzweifelt ließ ich mich in den Schoß fallen und brummte angepisst, bis ich auch schon Tränen in den Augen spürte, weil alles einfach zu viel wurde. Doch ich fing mich, atmete tief aus und stellte die Gefühle ein, um das einfach hinter mich zu bringen.

Hungernd, in Tieflaune und mit grässlichen Augenringen stampfte ich mit emotionslosen Gesicht durch die kühlen Straßen und hatte meine gefütterte schwarze Jeansjacke an, die mir wenigstens ein gutes Gefühl heute verlieh.

Von Weitem sah ich auch schon Eric nahe dem Laden stehen. Mit ebenso grimmigen Gesicht und eingesunkenen breiten Schultern. Normalerweise würde er furchterregend wirken, doch heute drang gar nichts zu mir durch. Es war wieder ein Tag ohne jegliche Emotionen in den tiefen meines Körpers zu spüren.
„Du siehst scheiße aus." raunte er unberührt.
„Danke, du auch." log ich, denn ein Gesicht wie seines konnte nicht scheiße aussehen. Egal, in was für einer Verfassung es war. Seufzend wand ich den Blick von seinen toten Augen ab und marschierte ohne weitere Worte an ihm vorbei in den Laden.


Das klingeln der Tür rief alte Erinnerungen auf, was mich wenigstens etwas entspannen ließ. „Hey, Kleine." krächzte mir Pete lächelnd entgegen, „Heute in Begleitung, wie ich sehe."
Alleine, dass er ihn erwähnte ließ mich die Augen genervt hochrollen, in dem Wissen, dass dieser jemand es nicht sehen konnte. „Leider ja." brummte ich leise und drehte mich zu einem groben Pickser in den Rücken um.
Er blieb direkt vor mir stehen, sodass mich sein Atem knapp streifte, und starrte mich von oben hinab eindringlich an. Als würde er mir drohen.
Schnaubend schloss ich die Augen und drehte mich kopfschüttelnd wieder zu Pete. „Pete? Das ist Eric. Der Kumpel, von dem ich erzählt habe. Der, der eine ID wollte." musste ich mich bemühen, nicht abtrünnig zu klingen.
Sie reichten sich die Hände und fingen auch gleich an darüber zu reden. Eric händigte das Nötige aus, worauf uns Pete alleine ließ mit der Bitte, sich ein wenig zu gedulden.
Raunend drehte Eric sich um und stützte sich mit verschränkten Armen am Tresen ab, während sein Blick mich durchbohrte.

Ohne jegliche Reaktion zu zeigen, starrte ich zurück. „Was?" gab ich grob ab.
Seine Brauen zogen sich verwirrt zusammen. „Was ist mit dir?" An sich fuhr er mich nicht an, aber man merkte, dass ihm meine heutige Laune nicht passte.
Nun verschränkte ich die Arme ebenfalls und verlagerte das Gewicht auf das linke Bein. „Nichts."
Er schnaufte mit einem mageren Lächeln. „Klar. Nichts. Hast du deine Tage?"
„Oh, suchst du jemanden der mit deinen zeitlich übereinstimmt? Du scheinst heute genauso drauf zu sein." knurrte ich.
Sein Blick verhärtete sich und er stieß sich mit immer noch verschränkten Armen vom Tresen, um sich so dicht vor mich zu stellen, dass ich seine Körperwärme schon spüren konnte.
Doch ich sah unverhohlen zu ihm auf und spitzte die Lippen. Nun war Wut das einzige, dass mich wenigsten irgendwie ins Leben zurück bringen konnte und auch wenn mir klar war, dass Eric definitiv – zu 100 Prozent, vollkommen und mit Sicherheit - die falsche Person war, an der ich mich ausleben sollte, tat ich es trotzdem.
„Sicher, dass dich alle nicht nur meiden, weil du echt behindert sein kannst?" raunt er gefährlich zu meinem Mund herunter.
Alles in mir zog sich zusammen, doch nicht aus Trauer, sondern puren Hass. Hass gegenüber allen. „Wer weiß. Sag's mir, wenn du die Antwort hast. Ich meide nämlich alles und jeden, bevor sie überhaupt die Chance dazu haben, mein Gesicht zu sehen." raunte ich leer, solange ich meine Wut versuchte zu zügeln. Eric war es genauso wenig Wert, wie Kelly. Jedoch ist es Brad, an den ich bei den Worten denken musste, was mich verwirrte. Klar, habe ich vor ihm mein Gesicht immer vor Scham versteckt und weil er schlichtweg nicht mit seinen Geschichten bei mir ankommen sollte, aber warum ausgerechnet er?

Kurz blickte er mit zusammengezogenen Brauen abwechselnd zu meinen Augen, bevor er seelenruhig weitersprach. „Genau das ist es auch, was dich interessant macht."
Sein Brummen versetzte mir einen eigenartigen Schauer und meine Wut war plötzlich so schnell verblasst, dass ich ihn nur mit großen Augen ansehen konnte. Es verging ein stummer Moment, der jedoch so viel in der Luft hatte, dass ich nicht einmal Luft holen konnte.
Jedoch wurde dieser unterbrochen, als Pete endlich wieder zu uns kam und ich somit schnell Abstand von Eric nahm, um keinen falschen Eindruck zu machen.
Auch er wendete sich ab, ohne die Arme zu entschränken, doch während Pete mit ihm redete konnte ich kein Wort in mich aufnehmen, weil ich dennoch Erics Anwesenheit vollkommen wahrnahm. Als würde sich all seine Aufmerksamkeit in mich hineinbohren, ohne mich anzusehen. Interessant. Er hatte mich interessant genannt. Was war das für eine lächerliche Scheiße?

Aus Frust bat ich Pete um eine Packung Zigaretten, auch wenn ich meine jetzige noch nicht beendet hatte, sobald sie fertig waren und konnte den grimmigen Blick nicht unterdrücken. Ich hatte die starke Vorahnung, dass ich sie noch bald brauchen würde.
„Pack eine dazu. Die gehen auf mich." murmelte Eric und entschränkte letztendlich doch die Arme, um nach seiner Brieftasche zu greifen.
Verstört starrte ich ihn an. „Was soll das?"
Er ignorierte mich jedoch und zog einen Schein heraus, um ihn mit einer gewohnten Standhaftigkeit an Pete zu reichen, der mich mit erhöhter Braue musterte, solange er das Rückgeld aus der Kasse nahm.

Eric irritierte mich bis auf's Feinste innerhalb von wenigen Minuten. Ich wollte so schnell wie möglich weg von ihm, so, wie von allen anderen auf dieser Welt. Ich wusste selbst nicht, wie ich zulassen konnte, dass er mir jetzt schon so viel Zeit rauben konnte.
Mit lauernden Blick beobachtete ich sein Profil. Schon oft hörte ich, wie Eric die Dinge nach seinem Willen formte. Und anscheinend stimmte das. Er griff sich, was er wollte und ließ einen nicht los, bis er hatte, was er verlangte. Und in dieser Sache hatte er mich geschickt eingewickelt, was meine Vorsicht alarmierte.

Eric war ein sonderbarer Fall. Nicht leicht zu durchschauen. Eine Erkenntnis, die mich von ihm fernhalten lassen wollte.
„Danke." riss mich Erics tiefe Stimme aus den Gedanken, während er alles wieder verstaute, „Bis auf's Nächste Mal." wendete er noch an Pete, ohne ihn anzusehen. Nicht mal mich sah er an, doch drehte sich zu mir, um mich am Ellenbogen zu greifen.
„Will ich doch hoffen. Macht's gut." winkte Pete.

Auf halben Weg zum Ausgang entriss ich mich Erics Griff und funkelte ihn böse an, doch die Härte, die sich darauf auf seinem Gesicht bildete, ohne den Blick auf mich zu richten, ließ mich wegsehen und einfach die Flucht ergreifen.
Schon stürmisch ging ich durch die Tür und wollte einfach nur zum nächsten Bus, nach hause und in mein Bett. Dieses Erlebnis hatte meine letzten kaum vorhandenen Nerven geraubt, weshalb ich mich nur noch wegschließen wollte.
„Wohin gehst du?" knurrte es gefährlich hinter mir, doch ich ging weiter.
„Nach hause! Ich hab die Nase voll." brummte ich gereizt und steckte die Hände in meine Jackentaschen. Die Kälte um uns biss sich heute in meine Haut.
Nur wenige Schritte später wurde ich grob am Arm gepackt und zu einem aufgebrachten Eric gedreht. Die Berührung löste einen kurzen stechenden Schmerz in meiner rechten Schulter aus, was mich aufzischen ließ, doch ihn schien es nicht zu kümmern. Er starrte mich einfach nieder. „Sag mal, bist du immer so anstrengend?" zischte er leise, während er sein Gesicht drohend vor meines rückte.
Kurz zuckte mein Herz zusammen und ich atmete scharf ein, doch fing mich. „Wenn man mir einen Grund gibt schon." antwortete ich deutlich ruhiger und entgegnete seinen gefährlichen Blick.
Einen Moment versuchte er mich noch mit Blicken zu töten, bis er wisperte. „Du bist verrückt."

Alles in mir kam zum Stillstand. Selbst meinen Atem hielt ich an, während gefährliche Erinnerung drohten zur Oberfläche zu gelangen. „Dachte ich mir diese Nacht auch zum hundertsten Mal." hauchte ich atemlos, ohne das dunkelbraun seiner Augen richtig wahrzunehmen.

Als ich langsam realisierte, was ich da Preis gegeben hatte, versteifte ich mich und spürte ein beunruhigendes Kribbeln über meinen Körper jagen. Scheiße.
Blitzschnell entriss ich mich endgültig seinem Griff und machte zu einen so großen Abstand zu ihm zu kreieren, wie nur möglich. Ich konnte es nicht fassen, ihm das gesagt zu haben.
„Du hast was vergessen!"
Nicht wirklich wissend, was es sein könnte, drehte ich mich um, nur um zusammenzuzucken und etwas aufzufangen, dass er mir entgegengeworfen hatte.
Knapp landete es in meinen Händen. Die Zigarettenschachtel von Pete.
Irritiert blickte ich auf und wollte sie ihm zurück geben, weil ich nichts von ihm annehmen wollte, doch er war schon zu weit weg.
Kochend und mit angespanntem Rücken, der sich durch die Lederjacke bohrte. Eric Falcon war definitiv einer der, denen ich aus dem Weg gehen sollte. Nicht, weil ich ihn nicht leiden konnte, so, wie jeden auf diesem Planeten, sondern, weil er unberechenbar und somit zu gefährlich war.

Cold WinterWhere stories live. Discover now